#LESENISTLIEBE
„Lesen ist eine ernste Angelegenheit, doch einsam oder gelangweilt sind Leser selten, denn Lesen ist eine Zuflucht und eine Erleuchtung, eine Erfahrung, die zuweilen offen zutage tritt. Mir kommt es immer so vor, als ginge vom Gesicht eines lesenden Menschen etwas Strahlendes aus.“
- Paul Theroux in LESEN, Steve McCurry, S. 9
Zum Welttag des Buches haben wir uns – in unserem derzeit nicht verfügbaren – Online-Magazin immer etwas besonderes rausgesucht. Dies auch in diesem Jahr 2025. Da wollen wir euch zwei sehr feine, sehr versöhnliche und menschliche Bände vorstellen. Drei Attribute also, die mensch in dieser krisengeschüttelten Zeit mehr denn je brauchen kann, wie wir meinen.
Unsere Buchliebe ist den geneigten Leser*innen bekannt. Was liegt also näher als einen Titel namens LESEN und einen namens BOOK LOVE vorzustellen?!? Eben – nüscht.

Die Graphic Novel BOOK LOVE – Eine Liebeserklärung an das Lesen von Debbie Tung ist hierzulande bereits 2023 im Loewe Verlag veröffentlicht worden. Wobei es keine wirkliche Graphic Novel ist, erzählt der simpel-einnehmend in Schwarz-Weiß-Grau-Tönen gehaltene Band doch keine kohärente Geschichte, sondern wirft eher Schlaglichter auf den Genuss von Büchern.

Wenn da zum Beispiel in einer Zeichnung steht, dass wer ein Leseleben führt, viele Leben auf einmal lebt, ist das etwas, in dem wir uns erkennen können. Oder wenn es darum geht, dass mensch kaum an einem Buchladen vorbeilaufen kann, ohne nicht genauestens die Schaufenster zu mustern und gegebenenfalls reinzugehen. Dass Eselsohren abgelehnt werden, kann ich nur nachvollziehen. Oder dass wir lesen, um Smalltalk zu vermeiden und sowieso immer mindestens ein Buch dabei haben.

In einer Grafik geht es darum, dass die abgebildete Person einen Koffer nur für Bücher packen will – ein Missverständnis zwischen ihrem Partner und ihr. Wird ja auch teuer. Vor Jahren hatte ich die Gelegenheit auf einem Büchermarkt in England diverse Titel günstig zu erwerben UND Bücher eines Bekannten mitzunehmen, der seine Wohnung auflöste. Für all die Bände brauchte ich einen separaten Koffer. Die Zusatzgebühren waren heftig – aber es allemal wert.
Lustig in dem Band sind auch die Fitnesstipps für Bücherwürmer wie auch die optimalen Leseplätze. Was seltsam anmutet, ist der Widerspruch, den es an zwei Stellen gibt. Da wird erst erzählt, ein Buch würde nicht abgebrochen, da es ein schlechtes Gewissen verursachen würde. An anderer Stelle heißt es dann, lies nichts, dass Dir nicht gefällt.
Dessen unbenommen ist das ein feiner, leichter Band voll angenehmer kleiner Lese-Anekdoten, die ein schöner Spiegel sind.

Nicht nur gefühlt, sondern auf vom Gewicht her weniger leicht ist Steve McCurrys LESEN – Eine Leidenschaft ohne Grenzen – ein wunderbarer Bildband, der als Sonderausgabe im vergangenen Herbst im Prestel Verlag erschienen ist. McCurry sieht den Band als eine Hommage an die Fotografien André Kertész' – und ja, das funktioniert.
Das Vorwort von Schriftsteller Paul Theroux (verfasst 2015) mag im Ton etwas altbacken daherkommen. Dennoch erreicht er lesende Menschen, wie ich denke. Beschwert er sich doch beispielsweise darüber, welche als von ihm nicht belanglos, doch aber wenig herausfordernde Literatur in der Schule durchgekaut worden ist. Das mögen viele von uns kennen – Generation hin oder her.
So hat sich Theroux bspw. Salingers FÄNGER IM ROGGEN selbst erschlossen und es genossen. Wir hatten das in einem Extra-Englisch-Kurs-Für-Profis und ich hab es gehasst. Die Lehrerin hat jedwede individuelle Interpretation der Geschichte negiert. Was nicht ihrer eigenen Wahrnehmung entsprach, war falsch. So macht lesen und reden über das Gelesene keine Freude.

Schlimmer noch, es kann (oder könnte) jede Freude am Lesen sterben lassen.
Zum Glück war es bei mir nicht so, genauso wenig bei Theroux oder McCurry. Mensch liest eben in der Freizeit die Dinge, die Dinge, die nicht im Schul-Kanon stattfinden. Da hatte ich das Glück in einem Elternhaus aufgewachsen zu sein, das mir immer vermittelte, dass ich mich an deren Buchregal austoben kann (von Ausnahmen abgesehen).
So habe ich früh die Abenteuer Sherlock Holmes' lesen können, genau wie ich mich auch mit zehn Jahren in Stendhals KARTAUSE VON PARMA vertiefen konnte. Zwar verstand ich nur die Hälfte. Aber wie etwas zu lesen ist, lernte ich so recht früh.

Siehe das oben genannte Zitat: Lesen ist ernst, aber es sollte Freude machen. Sich zu vertiefen – ob in eine Figur in einem fantastischen oder autofiktionalen Roman, einem Sachbuch, einem Reisetagebuch, etc. - sollte immer mit einer gewissen fröhlichen Faszination für die jeweilige Welt, Person, Umgebung verbunden sein. Das ist es, was lesen, was Lesegenuss ausmacht. Wir lesen als Menschen von und über Menschen. Das zu spüren, ist etwas Besonderes.
So auch die wunderbaren Fotografien Steve McCurrys, die lesende Menschen in New York und Kambodscha, Arkansas und Afghanistan, Frankreich und Marokko, in Thailand und der Türkei in ihren intimsten, persönlichsten Momenten einfangen. Wir sehen sie, weil wir sie sind – ganz gleich wo auf der Welt.
AS
Debbie Tung: Book Love - Eine Liebeserklärung an das Lesen (Öffnet in neuem Fenster); Aus dem Englischen von Katharian Hartwell; Februar 2023; 144 Seiten; Hardcover, gebunden; ISBN: 978-3-7432-1080-6; Loewe Verlag; 16,00 €
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Steve McCurry: LESEN (Öffnet in neuem Fenster); mit einem Vorwort von Paul Theroux; Septebmer 2024; Hardcover, gebunden; Format: 30,0 × 24,0 cm; ISBN: 978-3-7913-9316-2; Prestel Verlag; 38,00 €