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MENSCHEN AUF SCHWIMMENDER MAUSEFALLE

FILM-KRITIK

Es gibt etwas, das (Kreativ-)Konzerne und Nachlassverwalter von Schriftsteller*innen und Co. (gern Erben) nicht selten ärgert: Public Domain. Das bedeutet, dass das Copyright abgelaufen ist. Bei Büchern führt das beispielsweise gern dazu, dass sich manche Verlage drum kloppen, wer zuerst die schöne(re) Schmuckausgabe oder die günstigste und doch einigermaßen sexy aussehende Version veröffentlicht.

Geburtstagsgäste Staten Island Ferry Kleider Disney Screamboat
© Tiberius Film

Bei manch „Märchenfigur“ hingegen äußert es sich gern in Remakes klassischer Stoffe und/oder eher eigenwilliger Neuinterpretationen. A. A. Milnes Winnie the Pooh/Pu der Bär lässt mit den Horror-Slashern, die an Torture Porn grenzen, Winnie the Pooh: Blood and Honey I und II (und bald III) grüßen. Deren Macher Rhys Frake-Waterfield entwickelt gar ein ans Marvel Cinematic Universe (Öffnet in neuem Fenster) angelehntes Twisted Childhood Universe (TCU). Hierzulande etwa erscheint im Juni Peter Pan's Neverland Nightmare als Home Entertainment-Premiere; ebenso sind Bambi: The Reckoning und Pinocchio: Unstrung (mit Robert Englund) in Planung bzw. Postproduktion.

Seit letztem Donnerstag im Kino sehen können geneigte Zuschauer*innen die lustig-blutige Interpretation eines DER Trickfilm- und Disney-Klassikers schlechthin: In Steven LaMortes SCREAMBOAT begegnen wir Steambot Willie und somit (quasi) Mickey Mouse. Das Copyright für den Schwarz-Weiß-Kurzfilm aus dem Jahr 1928 lief vor anderthalb Jahren aus und so machten sich Regisseur und Autor Steven LaMorte, dessen Co-Autor Matthew Garcia-Dunn sowie die Produzenten von Terrifier 2 und Terrifier 3 und The Mean One ans Werk, aus der pfeifenden Maus eine mordende, pfeifende Maus zu machen...

Jesse Posey Pete Blut an Scheibe Amy Schumacher EMT Amber Screamboat
© Tiberius Film

...gedacht, gesagt, getan. Fertig ist eine neblige Gore-Horror-Komödie, die auf der Staten Island Ferry spielt, voller Easter Eggs und Andeutungen vor allem auf Disney-Klassiker ist und einen Body Count von X hat, der sich sehen lassen kann. Alles fängt damit an, dass ein Dieb auf der Suche nach wertvollen Artefakten an Bord der Staten Island Ferry den mehr als 90 Jahre schlummernden pelzigen Albtraum Steam- bzw. Screamboat Willie befreit. Dieser, eigentlich einst gutmütig gewesen, sinnt nun nach all den Jahren des Eingesperrtseins auf Rache und beginnt fröhlich die Passagier*innen der Nachtfähre zu meucheln.

Im Zentrum stehen die Kellnerin Selena (Allison Pittel), der Fähren-Mitarbeiter Pete (Jesse Posey, Tyler Poseys jüngerer Bruder, der in SCREAMBOAT ein paar Kurzauftritte absolviert), die Sanitäterin Amber (Amy Schumacher) sowie das enervierende Birthday Girl Cindi (Kailey Hyman) mitsamt ihrer nach Disney-Prinzessinnen benannten Party-Crew. Der Rest der (spärlichen) Passagiere ist primär Kanonen- oder eher Messer-, Hammer-, Draht-, Etc.-Futter.

Passagiere in Screamboat Staten Island Ferry Blut Gesicht Schock
© Tiberius Film

Da wird, wie bei dem Team kaum anders zu erwarten, herrlich kreativ und blutig gemordet. Dass im Kostüm der Maus niemand Geringeres als David Howard Thornton, der Darsteller von Art the Clown im Terrifier-Franchise, steckt, erhöht die Freude für Genre-Fans natürlich nochmals. Und dass dieser Horror und Komödie durchaus zusammenbringen kann, wissen wir ebenso. Gab es doch speziell im grausam-fantastischen dritten Teil einige urkomische Szenen.

Maske, Kostüme und Effekte (u. a. von Quantum Creations FX) können sich gerade in Anbetracht des geringen Budgets von 2 Millionen US-Dollar (ohne Marketing und Co.) sehen lassen. Thornton performte im Kostüm vor dem Greenscreen, die Bilder wurden später in den Film eingefügt. Hier und da ist das etwas unsauber, alles in allem aber vollkommen in Ordnung. Zumal von Anfang an klar ist, dass wir auf einem liebevoll trashigen, erfinderischen und garstig-grimmigen B-Movie-Schiff auf dem Hudson schippern.

(Apropos – FunFact #95: Gedreht wurde auf einer ausgemusterten Staten Island Ferry, die die Schauspieler und Saturday Night Live-Komiker Pete Davidson (bekifft) und Colin Jost (yummy) sowie deren Kumpel Paul Italia ersteigert haben.)

Doch ist nicht alles blutig' Nebelschein auf dieser Reise. Ähnlich dem zweiten Terrifier-Film hat SCREAMBOAT viel Leerlauf bei zu viel Laufzeit. Einhundert Minuten sind definitiv zwanzig zu viel. Da es im Grunde keine wirkliche Story, kein großes Geheimnis und vor allem kaum interessante Figuren gibt, wird's an mancher Stelle etwas zähflüssig. Viele Personen sind wie gesagt nur Blutkonserven und die paar anderen aka Hauptfiguren sind mit den typischen Horror-Versatzstücken charakterisiert.

https://www.youtube.com/watch?v=AWED0KenGI0 (Öffnet in neuem Fenster)

Ebenso nutzen sich manche Witze doch zackig ab und einige der sonstigen Dialoge sind nicht selten so blöde wie die Ohren von Steamboat Willie groß sind (dafür gibt es eine hübsche Ohrenblume). Beides trübt die Freude am Stümmel-Chaos leider ein wenig und hindert SCREAMBOAT daran, eine richtig deftige Terror-Horror-Komödie zu werden. Sollte es als einen in zwei (Mid-)Credit-Scenes angedeuteten zweiten Teil geben, muss der Käse definitiv würziger werden, um auch die diese Zeilen tippende Horror-Maus wieder ins Kino zu locken.

AS

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SCREAMBOAT ist seit dem 8. Mai 2025 im Kino zu sehen.

SCREAMBOAT; USA 2025; Regie: Steven LaMorte; Drehbuch: Matthew Garcia-Dunn, Steven LaMorte; Bildgestaltung: Steven Della Salle; Musik: Yael Benamour, Charles-Henri Avelange; Darsteller*innen: David Howard Thornton, Allison Pittel, Jesse Posey, Amy Schumacher, Jesse Kove, Kailey Hyman, Rumi C. Jean-Louis, Jarod Lindsey, Sarah Kopkin, Savannah Whitten, Tyler Posey, Jarlath Conroy, u. v. a.; FSK: 18; Laufzeit: 102 Minuten; im Kino

Kategorie Film

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