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Geht's hier eigentlich noch um Hessen?

Wahlplakate in Hessen. Links Stefan Naas (FDP), rechts Tarek Al-Wazir.

Die Hessenwahl am 8. Oktober rückt näher, doch beim Blick auf Wahlplakate, Wahlkampf und Social-Media-Auftritte stellt sich die Frage: Interessiert sich da überhaupt noch jemand für die Probleme in Hessen?

Dass Landtagswahlen meist von der aktuell vorherrschenden bundespolitischen Stimmung geprägt sind, ist nichts Neues. Nur so lässt sich erklären, dass eine völlig inhaltsleere Partei mit Haken trotz eines enorm schwachen Personals laut neuester Trends auf 17 Prozent kommt.

hr-hessentrend vom 14.09.2023 (Öffnet in neuem Fenster)

Bild © hessenschau.de (Öffnet in neuem Fenster)

Wen die 17 Prozent der hessischen Wähler:innen Stand jetzt offenbar im Landtag haben wollen, kann man sich hier (Öffnet in neuem Fenster) anschauen. Der Kandidat:innen (Öffnet in neuem Fenster)-Check zeigt: Die Partei mit dem Haken bietet von Mitgliedern des vom Verfassungsschutz beobachteten "Flügels" über Menschen, die vom "Bevölkerungsaustausch" fabulieren (Öffnet in neuem Fenster), bis hin zu einem Ex-Fußballer allerhand. Nun.

Gut am Kandidat:innen-Check ist, dass hier klar auf Hessen zugeschnittene Fragen (mehr oder weniger klar) beantwortet werden müssen. Genau das lassen viele Wahlplakate der Parteien heftigst vermissen. Einige Beispiele:

Die FDP Hessen plakatiert mit "Die Mitte macht das Land."

"Die Mitte macht das Land" - okay, danke FDP. Schon stylisch, aber was soll das bedeuten? Ist hiermit der Mittelstand gemeint, der das Land macht? Oder die politische Mitte? Und worunter würdet ihr euch da genau subsumieren?

AfD-Plakat: "Grenzkontrolle statt Heizungskontrolle"

In der wochenlangen völlig überhitzt geführten Debatte hat sich die Hakenpartei ja ohnehin schon durch ihre einfachst mögliche Haltung, populistisches Geplapper + schnöde Ablehnung und ansonsten winken und lächeln, in die Herzen derer katapultiert, die die - tatsächlich durchaus komplexe - Heizungsdebatte (Öffnet in neuem Fenster) gar nicht erst verstehen wollten. Mit dem Plakat insinuiert die Partei in Hessen nun offenbar, es solle in Zukunft, fernab der ohnehin schon bestehenden jährlichen Kontrollen (Öffnet in neuem Fenster), weitere Heizungskontrollen geben? Man weiß es nicht genau, aber stattdessen werden jedenfalls Grenzkontrollen vorgeschlagen. Nur...in Hessen gibt es keine Grenzen? Sollen jetzt etwa die benachbarten Bajuwaren vor dem anstehenden Shoppingtrip ins Hessen-Center an der A66 kontrolliert werden? Oder meint die Partei hier etwa bundesweite Grenzkontrollen? Möglich, damit hat es ja schon Boris Rhein versucht (Öffnet in neuem Fenster), aber Leute: Thema verfehlt, da hilft eine Hessenwahl reichlich wenig.

"Entschieden für Hessen" Wahlplakat von Al-Wazir.

Nicht viel besser übrigens sind die Wahlplakate der hessischen Grünen, die meist sehr vage bleiben und mit Sätzen wie, "Entschieden für Hessen" (ja zum Glück auch, Saarland wäre jetzt ungünstig), "Mut zu machen" und "Öko wie Ökonomie" (Öffnet in neuem Fenster) eher ein müdes Lächeln hervorzaubern, denn seien wir ehrlich: Das hätte so z. B. auch in Brandenburg aufgehängt werden können, lediglich die Köpfe auf den Plakaten wären andere.

Wahlplakat Stella Schulz-Nurtsch von der SPD

Nahezu alle größeren Parteien nutzen Personenposter. Inhaltlich wenig wertvoll, aber durchaus verständlich, dienen diese doch dazu, den Bekanntheitsgrad von Politiker:innen zu erhöhen. Solche nutzt auch die SPD, die es jedoch zusätzlich mit einem etwas anderen Ansatz versucht. Einige große Plakate der Hessen-SPD lassen die Letter "SPD" bewusst vermissen. Bei dem Plakat "Es fehlen Lehrerinnen." (Öffnet in neuem Fenster) beispielsweise soll allein die dicke rote Schrift auf die Partei hindeuten, bei den Wähler:innen wird also etwas Assoziationsvermögen vorausgesetzt. Ob das klappt, bleibt abzuwarten. Immerhin wurde das Thema nicht verfehlt, ist Bildung doch Ländersache und gleichzeitig auch eines der wichtigsten Themen vor der Landtagswahl in Hessen, gerade auch für junge Menschen (Öffnet in neuem Fenster).

Was sind die wichtigsten politischen Probleme in Hessen, die vordringlich gelöst werden müssen? Bild des hessentrend von hessenschau instagram, auf Platz 1 ist Bildungspolitik, Platz 2 Einwanderungspolitik (Öffnet in neuem Fenster)

Bild © hessenschau auf Instagram (Öffnet in neuem Fenster)

Während bei den Linken durchaus ein klarer Fokus auf die Probleme in Hessen (Öffnet in neuem Fenster) zu erkennen ist, schafft selbiges auch die CDU, die sich z. B. in einem Plakat mit der Grunderwerbssteuer befasst. Ein Thema also, welches auf Landesebene geregelt werden kann. Auch das Thema Gesundheitsversorgung ist eines, welches in Hessen angegangen werden muss, leidet der ländliche Bereich doch mittlerweile sehr unter einer Unterversorgung an Hausärzt:innen (Öffnet in neuem Fenster).

Umso befremdlicher, dass die CDU Hessen es offenbar dennoch für nötig hält, hin und wieder irritierend falsche Informationen in Tweets zu packen, wie jüngst zum Thema Bahnhofsviertel Frankfurt. Die Antworten und Community-Notes unter dem Tweet/X (oder wie auch immer man diese Plattform nun nennt) sprechen eine deutliche Sprache, die für die Hessen-CDU peinlicher kaum sein könnte:

https://twitter.com/cdu_hessen/status/1700461724795605186?s=48&t=Y5RknRrHmMO-hv_UYe9-Yw (Öffnet in neuem Fenster)


Wie hoch der Einfluss von Wahlplakaten und Social-Media-Posts auf die Entscheidung der Wähler:innen schlussendlich ist, bleibt fraglich (Öffnet in neuem Fenster). Sich allerdings hierbei ausschließlich auf hessische Themen zu fokussieren, kann schon verlangt werden. Dass die Punkte dann auch noch inhaltlich korrekt aufbereitet sind, mag man sich wünschen, allerdings bleibt das in Zeiten von bewusst gestreuten Misinformationskampagnen eher ein frommer Wunsch. Ein Wunsch, der nur dann real wird, wenn die Parteien noch so etwas wie Ehrgefühl und Anstand besitzen. Und in der Hinsicht wird's mit Blick nach Thüringen (Öffnet in neuem Fenster) langsam immer schwieriger.