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#001 Taubenschlag-Newsletter: Protesttag, positive Polizeimeldung, prima Schlichtungsstelle, Kulturtage

Liebes Publikum von Taubenschlag!

Willkommen zu unserem hoffentlich bald regelmäßiger erscheinenden Newsletter mit Links und Gedanken rund um alles mit Gebärdensprache und/oder Hörbehinderung.

Europäischer Protesttag

Am Montag war der 5. Mai, der Europäische Protesttag zur Gleichstellung der Menschen mit Behinderung. (Öffnet in neuem Fenster) Selbstredend gab es auf der Demo, die vom Brandenburger Tor zum Roten Rathaus in Berlin führt, keine Dolmetscherinnen für Deutsch und Deutsche Gebärdensprache und als kleines Schmankerl nicht eine, sondern gleich mindestens zwei Bordsteinkanten. Gut, am Roten Rathaus sprang dann nach kurzer Zeit ein Dolmetscher auf die Bühne.

Grobe Schätzungen gehen von gut 10 gehörlosen Demoteilnehmenden in einer Masse aus etwa 1.000 oder auch 2.000 Leuten aus, also etwa 10x so viele wie in der Gesamtbevölkerung anteilsmäßig vorhanden sind. Immerhin! Sollte bei einem so überproportionalen Anteil nicht wenigstens für Doppelbesetzung gesorgt werden? Wir haben nicht nachgefragt, aber gehen davon aus, dass man schockiert ist, dass es keine kompetente Dolmetschvermittlungen gibt und Vorlauf von vier Wochen schon fast zu knapp ist.

Inklusion: Wenn’s einfach wäre, wäre es keine Behinderung!

Polizeimeldungen können auch fortschrittlich sein

Wir kommen zu den erbaulicheren Nachrichten: Gehörlosigkeit kann auch für positive Schlagzeilen sorgen: Die BILD-Zeitung (ausgerechnet) titelt “Vermisstes Kind dank Gebärdensprache gefunden (Öffnet in neuem Fenster)”, wohingegen die ZEIT deutlich kryptischer ist “Nur Gebärdensprache - Polizei findet gesuchtes Kind (Öffnet in neuem Fenster)”. Was steckt dahinter? In Mannheim stieß die Polizei auf ein fünfjähriges Kind, das nur Gebärdensprache sprach, schaffte es irgendwie, es zu beruhigen und suchte dann die Mutter. In einer Drogerie berichteten die Mitarbeiter von einer Frau, die ebenfalls nur Gebärdensprache sprach und ihr Kind suchte. Die Beamten zählten eins und eins zusammen: Mutter und Kind sind wieder vereint.

Das Spannende ist ein kleines, aber ausgefuchstes Detail: In der Meldung geht es nicht ein einziges Mal um Gehörlosigkeit, sondern nur darum, dass beide ausschließlich in Gebärdensprache kommunizieren. Hier zahlt es sich aus, dass im Journalismus gerne Polizeimeldungen (Öffnet in neuem Fenster) 1:1 übernommen werden. Dort sind die Schlagworte der Meldung auch Mutter, Kommunikation, Gebärdensprache, Kind, Sprache, Linguistik, Polizei und Polizei Baden-Württemberg. Zufall oder Konzept? Im Ergebnis jedenfalls vorbildlich!

Schlichtung, die begeistert

Nun dann noch eine Entwicklung bei den Dolmetschverbänden. Die BEO (Öffnet in neuem Fenster) regelt viele Dinge, aber nicht, was passiert, wenn, sagen wir jetzt einfach mal aus dem Blauen heraus, ein Dolmetscher (auch die gibt es!) übergriffig wird gegenüber der in der Regel marginalisierten Kundschaft. Geregelt ist, dass so etwas nicht passieren sollte (z.B. implizit über die Punkte “Gleichbehandlung und Respekt” oder “Schutz des Berufsstandes” oder “Untadelige Auftragsabwicklung”), aber nicht, wie man dann vorgeht. Der BergBEO, wie man das Ganze in Bayern nennen könnte, ist übrigens ein Vogel, dem man wegen seines Papageientalents beigebracht hat, Gebete zu wiederholen. Genauso gebetsmühlenartig geht es manchmal mit dem Thema BEO von sich. Doch der bayerische Dolmetscheverband BGSD Bayern hat jetzt eine Idee, um dem Thema etwas Biss zu verleihen: Eine Schlichtungsstelle! Oft gefordert, nie erreicht, jetzt ist sie da.

Benjamin Busch, seines Zeichens DGS-Dozent und Mitglied der Schlichtungskommission, erklärt in einem Instagram-Video das Konzept (Öffnet in neuem Fenster). Die Kommission hat ihre eigene Webseite (Öffnet in neuem Fenster) und erklärt: die fünfköpfige Kommission besteht aus drei Dolmetschenden, davon mindestens eine taube Dolmetschperson und dazu noch zwei Personen als Vertretung der Gehörlosenyerbände und -vereine. Aktuell ist die Seite noch etwas im Aufbau, aber bietet einen Eindruck vom Konzept. Und: Julia Probst gefällt das – die Politikerin und Aktivistin kommentiert: “Sollte man auch bundesweit einführen” und gibt das Daumen hoch-Emoji. Dem können wir nur zustimmen.

Exklusiv für Abonnierende von Taubenschlag+ gibt es noch eine besonderen Bericht: Wir haben zusammen mit der Deutschen Gehörlosenzeitung ein internes Dokument ausgewertet, in dem das Team der 7. Kulturtage ausführlich Stellung bezieht zur Zusammenarbeit mit dem DGB. Unsere Zusammenfassung könnt ihr mit einem Abo bei Taubenschlag+ hier lesen (Öffnet in neuem Fenster) – oder in der Mai-Ausgabe der Deutschen Gehörlosenzeitung (Öffnet in neuem Fenster).

Eine schöne Woche euch!

Wille

PS: Sehen statt Hören hat eine spannende Folge gesendet, in der es um drei Gehörlosenzentren geht. Natürlich geht es um die Krise des Gehörlosenzentrums in Berlin, das offenbar kurz vor dem Verkauf steht und das nun die beiden Vereine GFGB und GVB zu retten versuchen. Treibende Kraft hinter der Rettung: Marcus Klinke, Urgestein der Berliner Gehörlosencommunity.

Kurzer Ausflug nach München, wo Can Sipahi, Vorsitzender des GMU, durch das dortige Gehörlosenzentrum mit einer schier endlosen Zahl an spezialisierten Beratungsstellen führt (Berlin hat zum Vergleich nur eine Sozialberatung mit einem vergleichsweise kleinen Team).

Zurück in Berlin: Ludwig Leonhardt ist Vereinsexperte und fände einerseits gut, wenn das Berliner Gehörlosenzentrum “aufgegeben wird” und generell alles neu gemacht wird: “Ein neuer Ort, ein kompletter Neustart, mit neuen Leuten.” Andererseits ist es “auch ein kultureller und geschichtsträchtiger Ort”. Fest steht, für ihn: Wenn es so weitergeht, “dann wird es auf jeden Fall verschwinden.” Wie man das seiner Meinung nach verhindern kann, seht ihr in der Sendung.

Schließlich geht es nach Bremen: Sylvia Krenke-Felten berichtet von der Erfolgsgeschichte des Bremer Gehörlosenzentrums, das als das schönste der gesamten Bundesrepublik gilt und ähnlich wie das Münchner Gehörlosenzentrum mit verschiedenen Beratungsstellen und einer Gebärdensprachschule aufwarten kann. Die ganze Sendung ist sehenswert – hier: Heimat der Community · Gehörlosenzentren vor dem Aus? (Öffnet in neuem Fenster)

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Taubenschlag war lange ein ehrenamtliches Projekt, ein Blog, eine lebendige Pinnwand. Seit einiger Zeit veröffentlichen wir auch – insbesondere gefördert durch das bald endende DJE-Projekt (Öffnet in neuem Fenster) – kurze und längere, mehr und weniger tief recherchierte journalistische Artikel. Die Sparte “Übers Dolmetschen (Öffnet in neuem Fenster)” mit einer eigenen Webseite (Öffnet in neuem Fenster) ist einerseits eine für alle zugängliche Informationsquelle rund um Standardfragen zum Dolmetschen (ähnlich wie nicht-stumm.de (Öffnet in neuem Fenster), welches sich rund um Taubsein und Gebärdensprachen dreht) und andererseits Heimat für exklusive Meinungs- und Diskussionsbeiträge. Fehlt dir etwas? Hast du Lob, hast du Tadel? Schreib uns an info@taubenschlag.de (Öffnet in neuem Fenster) !

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