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800 Jahre Sonnengesang „Laudato si“

Bruder Sonne, Schwester Mond – Franz von Assisi feiert in seinem Lobgesang die Verbundenheit der gesamten Schöpfung.

Ein Mönch mit einer braunen Kutte sitzt auf dem Boden inmitten von Pflanzen. (Öffnet in neuem Fenster)
Der heilige Franziskus und der Gesang der Kreaturen/Vatikanstadt, Generalkurie Franziskaner-Orden, CC BY 2.0 Foto: Jim McIntosh
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Vor genau 800 Jahren entstand das älteste noch erhaltene Werk der italienischen Literatur. Franz von Assisi (1181 bis 1226) schrieb seinen „Sonnengesang“ im Frühling 1225 nieder – ein zehnstrophiger Lobgesang auf die Schöpfung und Verbundenheit aller Geschöpfe und des Kosmos.

„Gelobt seist du (Laudato si), mein Herr,

mit all deinen Geschöpfen,

zumal dem Herrn Bruder Sonne,

er ist der Tag, und du spendest uns das Licht durch ihn.

Und schön ist er und strahlend in großem Glanz,

dein Sinnbild, o Höchster.“

Alles ist mit allem verbunden, das Einzelne kann nur existieren, weil es eingebettet ist in alles andere.

„Gelobt seist du, mein Herr, durch Schwester Mond und die Sterne;

am Himmel hast du sie gebildet, hell leuchtend und kostbar und schön.“

Franz von Assisi, der aus einer reichen Kaufmannsfamilie stammte, lebte jahrelang als Wanderprediger, ohne Besitz und in Armut, gründete einen Orden, reiste im Jahr 1219 in die ägyptische Hafenstadt Damiette, angeblich, um in der von Kreuzfahrern belagerten Stadt, Frieden zu stiften, aber so genau weiß man das nicht.

Er kehrte nach Assisi zurück, übertrug die Leitung des Ordens an einen Mitbruder und begab sich schließlich in eine Einsiedelei am Berg La Verna in der Toskana.

„Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde,

die uns ernährt und trägt

und vielfältige Früchte hervorbringt mit bunten Blumen und Kräutern.“

Eine Berühmtheit unserer Tage, Jorge Mario Bergoglio, hatte 2013 nach der Wahl zum Bischof von Rom den Namen „Franziskus“ angenommen. Franz von Assisi sollte „eine Art Leitbild und Inspiration“ für ihn sein. Vor zehn Jahren, im Mai 2015, veröffentlichte Papst Franziskus die Lehrschrift „Laudato si – über die Sorge für das gemeinsame Haus“. (Öffnet in neuem Fenster)

Es geht darin um den Schutz der Natur, Gerechtigkeit gegenüber Armen, Engagement für die Gesellschaft und Frieden. Ein Gedanke, den Papst Franziskus hier äußert, sticht besonders hervor:

„Diese Schwester (Erde) schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat. Wir sind in dem Gedanken aufgewachsen, dass wir ihre Eigentümer und Herrscher seien, berechtigt, sie auszuplündern.“

Und Papst Franziskus weiter:

„Wir vergessen, dass wir selber Erde sind (Gen. 2,7). Unser eigener Körper ist aus den Elementen des Planeten gebildet; seine Luft ist es, die uns den Atem gibt, und sein Wasser belebt und erquickt uns.“

Am „Laudato si“ des Franz von Assisi kritisieren manche eine allzu romantisierende Sicht auf die Natur – Bruder Wind, Schwester Wasser oder Bruder Feuer können schließlich verheerende Schäden anrichten.

„Gelobt seist du, mein Herr, durch Bruder Wind,

Und durch Luft und Wolken und heiteres und jegliches Wetter,

durch das du deinen Geschöpfen Unterhalt gibst.“

Doch Franz von Assisi erdachte den Gesang nicht, fröhlich auf einer bunten Frühlingswiese sitzend, umgeben von Vogelgezwitscher und Blütenduft. Er schrieb die Strophen auf, als er krank, schwach, fast blind in einer Hütte auf Strohmatten lag, ein Jahr vor seinem Tod.

Das, was da an Worten aus ihm herausfließt, stammt aus einer tiefen Quelle, die die Welt als zutiefst Ganzes sieht, eine Welt jenseits von Polaritäten, jenseits von Tag und Nacht, Tod und Leben.

Auch daran, sich im Laufe des Lebens mit dem Tod anzufreunden, ihn ebenfalls als Schwester, als Bruder zu sehen, kommt wohl kein Menschengeschöpf vorbei, als Teil des Ganzen, als Teil des ewigen Kreislaufs:

„Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;

ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.“

Text: Dr. Ulrike Gebhardt
Sonnengesang nach der Übersetzung von Leonhard Lehmann
Kategorie Spiritualität + Rhythmus

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