Hurra- RCE Paperback ist da
Zehn Kilo Buch zusammengestaucht auf-Tragekomfort.
Jetzt, da so viele über Revolutionen reden, und Aufstände, jetzt
da viele nicht weiterwissen
habe ich eine handliche Anleitung zur freundlichen Revolution geschrieben.
Ich würde mich freuen, wenn ihr sie alle lesen würdet. Oder allen Ratlosen empfehlen.
Und allen Hackern
und Nerds.
und netten Menschen.
Hier schaut mal so geht es los:
Irgendwann
Später
Liegt da ein Mann in seiner zu kalter Wohnung.
Naja- Wohnung.
Also.
Da liegt er, in einem Bärchen-Pyjama aus abbaubarem Fleece Gewebe, unter einer Gewichtsdecke- die ist, neben Psychopharmaka, Singleplattformen und Alkohol ein weiterer geldwerter Vorteil der Codegesponserten Massen Vereinsamung-
statt eines Menschen oder Hundes, decken die Leute sich mit Kiloschweren Textilien zu. Sie nennen es
Kuscheln.
Der Mann in seiner Zwangsbelüfteten, ökologisch, grünen- naja Wohnung-
steht kurz vor dem Erwachens- Impuls,
Im nebligen Raum zwischen Traum und Realität- vermeint der Mann Stimmen zu hören, die zu ihm sprechen.
Geht es dir gut, an diesem Morgen? Sagen sie.
Es ist ein wunderbarer Tag. Es regnet.
Das magst du, dann kannst du dein Homeoffice genießen, Solange es noch da ist, solange du noch ein Office hast denn dein Beruf als – egal-
wird gerade vollständig ausgelagert.
Du wirst
Heute vermutlich wütend werden. Es wird fast jeder wütend im Moment. Wegen der unglaublichen Zumutungen, die so ein Leben mit sich bringt. Wegen dieser – nennen wir es – Ohnmacht, die dich begleitet bei allen Verrichtungen.
So ein Ärger, wenn sich die Türen der Tram nicht öffnen, einem Fehler des Bezahlsystems geschuldet.
So eine Wut, wenn dein Tele Arzt nicht erreichbar ist, weil die Analyse deiner Daten den Schluss zulassen, dass deine Existenz ein marktwirtschaftliches Desaster ist.
Aber
Bei der Rettung des Planeten müssen wir alle zusammenhalten,
Solidarisch sein.
Solidarisch sein…
Solidarisch sein.
Hoppla, ab und zu hängt das Programm.
Du wirst an diesem wunderbaren Tag deine
eigenverantwortliche Psychohygiene in den sozialen Netzwerken ausleben, und einige der Milliarden Einträge auf der Massenablenkungswaffe Twitter oder sonst wo-
ins Nichts senden.
Wenn du dich solidarisch, solidarisch, solidarisch
Hoppla
Verhältst,
steht dir ein elektronischer Hund zu.
Hast du Angst?
Viel Angst?
Willkommen im fortgeschrittenem Jahrtausend.
Es würde als »Zeit des Wandels « in die Geschichtsbücher eingehen. Wenn es später noch Bücher geben würde. Oder eine Geschichte. Oder eine Welt.
Draußen schien alles ruhig.
Die neue Technologie, der Segen der Menschheit würde der Ausweg aus Gewalt, Hass, Ungerechtigkeit und Klimakatastrophen sein.
Hoffentlich. Sie musste die Lösung sein, denn –
Nach Zweihundert Jahren Fortschritt, der den Menschen soviel gutes gebracht hatte, Strom, und Wohnung und Konsum gegen Aufstände, war der Planet am Ende und konnte nur durch die Entfernung der Menschen repariert werden,
(Hier erklingt ein esoterischer Healing-Song, mit Meer und Delphinen-)
da waren noch zu viele Leute, die alle etwas wollten.
Leben zum Beispiel.
Doch.
Das Gefühl des Untergangs war immer vorhanden,
so verzweifelt einige auch mit Netzen Plastik aus dem Meer fischten und versuchten, Mauern gegen die,
sagen wir,
Natur
zu bauen. Sie klonten Tiere, um sie danach beim Aussterben zu beobachten. Der Himmel erleuchtet von Expolsionen im All- da kollidierten chinesische Schallraketen mit den Satelliten die Milliardäre ins All schossen, um das Internet zu retten, das am Boden zusammenbracht.
Das schöne Internet.
Die Bevölkerung der westlichen Länder teilte sich in die dicke Mehrheit und die fitte Minderheit. Die Dicken, die Adipösen, Diabetiker, herangezüchtet durch all das, was man Nahrung nannte, die es in den Vierteln der Dicken, Adipösen in den Läden gab. In Pappkartons lag das Zeug, nicht einmal in Regale mit netter Beleuchtung wurde es geordnet. Der nächste Schritt wäre, den Leuten Zucker, Fett, Hormone und Pestizide einfach in die Venen zu spritzen.
Für Konzerne, also Aktionäre, hatte die Wissenschaft erforscht, wie viel Zucker und Fett und Dreck so ein Körper erträgt, und wie lange es sich für das Wachstum rentiert, den Organismus am Leben zu erhalten. Siebenhundertsechzig Milliarden hatten die Aktionäre mit Insulin verdient.
Das schöne Geld.
All das schöne Geld für die privaten Krankenhausketten, all die armen Leute, die da mit den amputierten Beinen hockten und glaubten, was ihnen Filme und Nachrichten von Aufstieg und Glück der kleinen Leute berichtet. Hatten.
Sie waren – die Kranken, Langsamen, Dummen, die Alten, die Unnützen, die
die es anders gekannt hatten, die vom Krieg erzählten, und sich doch darin befanden. Und: Sie hatten verloren. Der Feind musste nicht einmal kämpfen. Er war einfach- durchspaziert- der neue Mensch. Mit Coding und Fremdsprachenkenntnissen, mit virtuellen Brillen liefen sie gegen Laternen und sagten: ich unterscheide nicht zwischen Leben im Netz und Real Life.
Sie fanden ihr Leben fantastisch. Sie filmten sich beim Fantastischfinden. Sie hatten nichts zu verbergen.
Ihre Vorbilder waren Konzernchefs, Milliardäre, Macher, mutige Männer.
Von denen sie radikalisiert worden waren.
Training und Nahkampf, Diät und Orthorexie.
Und kaum eines mit einem Gefühl außer ständiger Panik.
Und dem Bewusstsein der eigenen Individualität.
Jeder mit seiner Identität, seiner Nationalität, Regionalität, seiner Religion und seiner Generation, seinen Vorlieben und Abneigungen, gegen den Rest. Und keines gehörte zu irgendwas.
Außer zur großen Klasse der Betrogenen.
da: Hoffnung zum lesen
https://www.kiwi-verlag.de/buch/sibylle-berg-rce-9783462001648 (Öffnet in neuem Fenster)