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Ein Champagner auf unabhängige Medien

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Bonjour! 

Wir kamen am Tag, an dem die Regierung gestürzt werden sollte, und gingen am Tag des großen Generalstreiks. In Paris stapelte sich der Müll, und die Métro fuhr nicht unbedingt. In 60 Stunden hatte unsere Acht-Kopf-Delegation Kolleg:innen von sechs unabhängigen Medienprojekten besucht und zusätzlich Leute von mindestens sechs weiteren Indie-Publikationen kennengelernt. Es war intensiv und möglicherweise zu viel. Wir verließen die Stadt der Städte nach drei prallen Tagen aber nur widerwillig. Ich sitze hier so inspiriert wie selten.

Warum Frankreich? Üblicherweise gehen wir doch davon aus, dass es in Amerika eine Zukunft zu betrachten gibt, die bei uns in einigen Jahren Wirklichkeit wird. Zumindest für die Medienwelt gilt das nur bedingt. Die New York Times ist die New York Times; sie verhält sich zu Krautreporter (Öffnet in neuem Fenster) (das Magazin, dessen Herausgeber ich bin) wie die Concorde zu einem Papierflieger. Der amerikanische Markt ist etwa zehnmal so groß wie der deutsche. Die weltweite englischsprachige Leserschaft besteht aus mehr als einer Milliarde Menschen. Die Geschäftsmodelle, die Umsätze, aber auch die journalistischen Traditionen sind weniger verwandt, als wir es aus der Popkultur kennen. 

Frankreich ist uns ähnlicher. Die französischen Medien gerieten nur etwas früher als die deutschen in die Krise. Sie fanden darum früher als wir neue Lösungen. Schon 2008 zum Beispiel gründete sich Médiapart (Öffnet in neuem Fenster), ein Mitglieder-finanziertes Projekt, das inzwischen um die 200.000 zahlende Mitglieder um sich versammelt hat. Die ersten ernstzunehmenden Paid-Content-Angebote, KR darunter, entstanden in Deutschland erst fünf Jahre später. 

SPIIL (Öffnet in neuem Fenster), der Verband der unabhängigen Digital-Medien, zählt 15 Jahre nach seiner Gründung fast 300 Mitglieds-Medien. In Deutschland dagegen gibt es so einen Verband überhaupt nicht. Wenn es ihn gäbe, wäre es schwer, 50 Projekte zu finden, die ihn tragen könnten. Das alles hat sicher auch mit der Tatsache zu tun, dass Frankreich seine Medien subventioniert. Das ist problematisch – hat aber ein Ökosystem geschaffen, das bei uns in dieser Form einfach nicht vorhanden ist. 

https://twitter.com/spiil/status/1638255359432466432 (Öffnet in neuem Fenster)

Also habe ich mich in den vergangenen Jahren bemüht, Beziehungen mit französischen Medien aufzubauen und Kontakt zu halten. Eigentlich alle Kolleg:innen, die wir treffen wollten, haben sofort ja gesagt. Oft verbunden – typisch Frankreich! – mit einer Einladung zum Essen. Manchmal kam gar Champagner ins Spiel. 

Auf alle diese Projekte im Detail einzugehen, wäre viel. Darum würde ich Euch gern fragen, welche Konzepte Euch am meisten interessieren. Wir stimmen ab, und über die Medien, die ihr am spannendsten findet, schreibe ich in der kommenden Ausgabe mehr. Hier folgt die Auswahl:

„Journalismus in Serie“ betreibt das Magazin Les Jours (Öffnet in neuem Fenster), das einen Gruppe ehemaliger Libération-Redakteur:innen 2015 gegründet haben. Bedeutet: Die Artikel erscheinen grundsätzlich als Teil einer längeren Reihe zu einer sogenannten „Obsession“, also einem Thema, das die Redaktion ganz besonders interessiert. Les Jours schließt auf diese Weise an die Gewohnheiten der Leserschaft an, die heute eher Netflix-Serien schauen oder Podcasts hören, als eine gedruckte Zeitung zu lesen, mit den traditionellen Formaten wie Kommentar, Kolumne, Reportage, Feature und so weiter. Entsprechend haben die meisten Obsessionen einen Erzählbogen über die einzelnen „Episoden“ hinaus. Hier findet ihr eine Übersicht der aktuellen Obsessionen. (Öffnet in neuem Fenster) 

Brief.me (Öffnet in neuem Fenster) ist ein abendlicher Newsletter, der jeden Abend die französischen und internationalen Nachrichten in Form eines Briefings zusammenfasst, das sich in sieben Minuten lesen lässt, sie, erklärt und  in einen Zusammenhang stellt. Das Besondere: Anders als in den unzähligen Chefredakteurs-News-Briefings gibt es bei Brief.me (Öffnet in neuem Fenster) keine Meinungen, keine Links und keine Emotionen. Nur klar verständliche, kompakte Informationen, nachgeprüfte Fakten. Brief.me (Öffnet in neuem Fenster) ist werbefrei, wird nur im Abo verkauft, und hat mehr als 13.000 zahlende Abonnent:innen (!). Die Hälfte davon sind unter 30 Jahre alt und zwei Drittel sind Frauen. 

„Unsere Unabhängigkeit sind Sie!“, schreibt Le 1 (Öffnet in neuem Fenster), das einzige Druck-Medium, das wir besucht haben. Der Name ist eine Anspielung auf den franz. Ausdruck für die die Titelseite einer Zeitung („Die Eins“), gleichzeitig eine Beschreibung des besonderen Formats: Die wöchentlich erscheinende Zeitung besteht aus einem einzigen Blatt Papier, das – mehrfach gefaltet – in Magazin-Größe am Kiosk liegt. Jede Faltung beherbergt eine Doppelseite Magazin, sodass man eine riesige Poster-artige Reportage vor sich hat, wenn alles aufgefaltet ist. Diese Ausgaben sind jede Woche ein Stück Kunst. Vollständig illustriert, beschäftigt sich jede Ausgabe mit einem einzelnen Thema. Eine Ausgabe – so das Versprechen – lässt sich in einer Stunde durchlesen.

Unser Besuch bei Live Magazine (Öffnet in neuem Fenster) war an sich schon eine Art Performance: Wir irrten mit den beiden Gründerinnen Florence und India erst mal durch mehrere Stockwerke einer alten Krankenhaus-Verwaltung direkt am Pariser Rathaus auf der Suche nach einem geeigneten Raum. Die beiden haben uns vor Jahren schon einmal schon in Berlin besucht, um eine gemeinsame Show in Deutschland auf die Beine zu stellen, doch dann kam Corona dazwischen. Live Magazin ist eine Journalismus-Bühnenshow, die man leider sehr viel schwerer beschreiben kann, als sie einfach im Theater zu erleben. Vielleicht wird bald auch in Deutschland etwas daraus.

Das Magazin Street Press (Öffnet in neuem Fenster) betreibt neben der Redaktion ein Humus-Restaurant vor den Toren der Stadt, also außerhalb des Autobahn-Rings. Die Vorstadt Montreuil ist so etwas wie Brooklyn für New York. Hierhin haben die Pariser Preise viele Kreative vertrieben. Steet Press ist spezialisiert auf investigative Recherchen aus den Randbezirken der Gesellschaft. Die Reporter:innen berichten über Gefängnisse, Rap-Musik, die Kultur und Sprache der Banlieues, meist im Video-Format. Wir planen zusammen eine grenzübergreifende Recherche, auf die wir uns schon freuen.

https://twitter.com/joweisz/status/1638902472226775040 (Öffnet in neuem Fenster)

Letzte Station: Lunch im Büro von Contexte (Öffnet in neuem Fenster). Anders als wir richtet sich die 2015 gegründete, rein digitale Publikation an ein B2B-Publikum (Business-to-Business), also Leute, die Informationen zu ihrem Fachgebiet aus beruflichen Gründen brauchen. Im Fall von Contexte sind das Politiker und Lobbyisten in Paris und Brüssel. 

Nach und nach hat die Redaktion die Zahl der Fachgebiete ausgebaut und dadurch immer neue Kund:innen gewonnen, und zwar durch ein Sales-Team. Neben Nachrichten bieten sie Datenbanken, Briefings und sog. Hubs, also Themen-Dossiers. Versprechen ist immer: „Alles, was Sie wissen müssen, so knapp wie möglich.“ Contexte ist spektakulär erfolgreich: Bootstrapped – also allein aus eigener Kraft und ohne Investoren – hat der Gründer Jean-Christophe in wenigen Jahren ein profitables Millionen-Unternehmen kreiert. Eine in den Medien seltene Leistung.

Und jetzt die Frage an Euch: Worüber möchtet Ihr mehr wissen? Stimmt ab (nur ein Klick)!

Nächste Woche suche ich Eier, bis übernächsten Montag!
👋 Sebastian

PS:

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Kategorie Storys

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