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Die unendliche Liebe den Hass überflüssig machen lassen

Dieser Artikel stellt die Fortsetzung des Artikels über den Jugendroman "Die unendliche Geschichte" dar. Wenn der erste Artikel mit dem Fokus auf dem Solarplexus gelesen werden könnte, dann könnte dieser Artikel hier mit dem Fokus auf dem Herzchakra gelesen werden. Es fehlen wieder die Illustrationen, die ihr im Classroom sehen können werdet.

Dieser Artikel bildet den zweiten Teil zu dem Artikel “Die unendliche Geschichte gegen den Rassismus antreten lassen (Öffnet in neuem Fenster)” und müsste eigentlich zuerst gelesen werden. Andererseits bildet der erste Artikel die Grundlage und spricht über die Notwendigkeit, den zweiten Text überhaupt lesen zu wollen. Eigentlich sollte der Mensch sich aus seiner Mitte heraus entwickeln, so dass diese Mitte stabil ist, das Selbstwertempfinden sicher ist und aus dieser Mitte heraus Wert geschätzt und geschöpft werden kann. Die Realität sieht leider anders aus und die Politiker haben Recht, wenn sie sagen, es müsse bei der frühkindlichen Bildung angesetzt werden, um das Gefühl von Abgehängtsein und die daraus resultierenden Emotionen wie Neid, Hass und Wut zu verhindern. Auf diese Weise würden auch Parteien und Gruppierungen, die diesen Zorn zum Ausdruck bringen, überflüssig gemacht, ohne, dass man je gegen sie kämpfen müsste. Dieser Artikel skizziert, was an dieser Stelle der frühkindlichen Bildung zu tun wäre und was auch bei einem erwachsenen Menschen absolut nachgeholt werden kann, wenn er es will, um dem inneren Verlorensein wirksam entgegenzutreten. Die Geborgenheit kann nachgeholt werden! Der Mensch muss es nur wollen! Und es handelt sich nicht um das, was bisher an Bildungsoffensive erdacht wird.

Der Mensch als Wert an sich

Eigentlich ist es doch wohl so gedacht, mit dem Menschsein: Das neugeborene Kind, wird als Wert an sich betrachtet, wenn es auf die Welt kommt, weil es auf die Welt kommt. Dieser Wert, den das Kind verkörpert, wird in Liebe eingehüllt. Diese Liebe ist die der Eltern, die in ihrer Empathie und Fürsorge den Bedürfnissen des Kindes gegenüber manifest wird. Die Arme der Eltern halten das Kind wie eine warme Decke, in die man ein Neugeborenes in manchen Gegenden der Welt einzuwickeln pflegt oder pflegte. (Für viele Menschen ist der Schal, in den sie sich selbst einwickeln, die Erinnerung oder die Assoziation an diese Liebe geblieben.) Dort in den Armen der Eltern wird der Wert, das wertvolle Kind, solange gehalten, wie es selbst fühlt, dass es das Gehaltensein braucht. Es lernt in dieser ersten Erfahrung, wie sich Liebe als manifeste Form anfühlt und wie sie hergestellt wird. Beides lernt das Kind unbewusst, aber dennoch bildet dieses erste Lernen seine Wurzeln im Leben aus. Es hat eine erste Lebenskompetenz erfahren. Betroffen waren die Energiezentren Solarplexus, Herz und Wurzelchakra des neugeborenen Menschen.

Selbsterfahrung aus dem Gehaltensein heraus

In der Resilienzforschung wird über ein Resilienzgen spekuliert, ob es nun vorliegen könne oder nicht und unter welchen Bedingungen es verkümmert oder aktiviert wird und gedeiht. Ich glaube, das hier ist der Moment, um den es geht, der die erste und entscheidende neuronale Verbindung im Gehirn des Kindes zwischen limbischem System und Großhirnrinde legen kann. Egal, wie lange dieses Gehaltensein ausfällt, Hauptsache, es findet statt. Wenn es stattfindet, und sei es auch nur für ein paar Minuten, gemessen an der Länge eines Lebens, wird die Verbindung im Nervensystem aufgebaut durch die die Information fließt: Ich bin geliebt (limbisches System), weil ich wertvoll bin (Großhirnrinde).

Über diese Art von konsequentem Gehaltensein bekommen wir von den Ethnologen noch immer berichtet, wenn sie uns ihre Beobachtungen der Gepflogenheiten mancher Naturvölker schildern. Ein Bericht, der dieses Gehaltensein anschaulich darstellt, ist das Buch der Ethnologin Jean Liedloff “Auf der Suche nach dem verlorenen Glück: Gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit”. Jean Liedloff berichtet aus dem Alltag der Yequana-Indianer unter anderem über deren Umgang mit den Kindern des Stammes. In einem solch naturnahen oder eigentlich sogar naturidentischen Zustand wird das Kind dem Weg der inneren Notwendigkeit folgend begleitet und nicht dem Weg der äußeren vermeintlichen Notwendigkeit nach in eine Form gepresst. Es wird solange am Körper der Mutter getragen, wie es das Gehaltensein braucht, bis es sich selbst stark und genährt genug fühlt, um sich des eigenen Körpers und seiner Beweglichkeit zu bemächtigen. In so einer für die Herzensentwicklung idealen Umgebung würde das Kind Zeit bekommen, bis es von sich aus danach drängt, auf die Erde gesetzt und in die Welt entlassen zu werden. Hier wird es die Erde anfassen und an den Blättern riechen, Wind, Sonne und Regen jetzt selbstständig erfühlen und seine Erfahrung mit den Elementen selbst wählen. Es wird Schritt für Schritt herausfinden, wie es selbst in dieser Welt so da ist, wie es aus seiner Konstitution heraus auf verschiedene Umweltangebote und Umweltzreize reagiert, womit es sich wohlfühlt und womit nicht. Das ist die Selbsterfahrung oder Selbstbewusstwerdung, wie sie im Sakralchakra stattfindet. Wieder wurde zugleich das Wurzelchakra genährt, indem es mit gemeisterter Erfahrung gefüttert wurde. Die ganze Zeit wurde der Wert des Kindes durch die Freiheit gewährende Achtsamkeit und die Schutz bietende Geduld der Eltern gesichert. Auch diese Erfahrung, wie man Freiheit gewährt und Schutz bietet, geht in die Lebenskompetenz des Kindes ein.

Identitätsfindung

Indem das Kind, das nunmehr zum jungen Erwachsenen herangewachsen sein mag, sich in der Gemeinschaft bewegt, findet es über die eigene Resonanz mit den Identifikationsangeboten für sich persönlich heraus, welche Neigungen und Talente es in das Leben mitgebracht hat, welches Persönlichkeitspotenzial ihm zur Verfügung steht. Der junge Mensch erhält direkte und indirekte Rückmeldung darüber, wie er wahrgenommen wird und er wird ermutigt, seine Talente zu erproben oder sie mit der Hilfe von Lehrern auszubilden. So findet das Individuum in ein klares Bewusstsein für seine Identität hinein: “Ich bin, der ich bin” bekommt eine konkrete Form in einer ersten beruflichen Betätigung, die als Resonanzraum für die Identität dient. Mit der beruflichen Tätigkeit nimmt der Mensch an der Verwirklichung schöpferischer Werte, an der Wertschöpfung also seiner Welt teil. Mit der sorgsamen Auswahl der beruflichen Tätigkeit nimmt er zugleich Teil an der Wertschätzung seiner Welt gegenüber dem individuellen Wert eines Gesellschaftsmitglieds. Der Beruf und die Ausbildung sollten der Neigung gemäß ausgewählt werden, die sich in der Resonanz auf die Identifikationsmöglichkeiten der Gesellschaft zeigt. So wird der Resonanzraum Beruf unter die Herrschaft der individuellen Frequenz gebracht. Die Wahrnehmung von Persönlichkeit und Resonanz sollte keinen Zwängen unterworfen werden. So verlagert sich in der Entwicklung das Gewicht: Die Identität und das Selbstwertempfinden basieren für einen Moment auf der eigenen Kompetenz und Erfahrung, und es sollte auf dem Selbstvertrauen basieren, das als Selbstverständlichkeit durch die Liebe der Eltern eingepflanzt wurde.

Die Selbstverwirklichung der Liebe

Jetzt findet der junge Mensch, dessen Wurzeln gut genährt sind, in sich das Bedürfnis, sich selbst als Liebe zu erfahren und auszudrücken, also in die Welt hineinzubringen, was in seinen Wurzeln gespeichert wurde: Was ist Liebe? Wie fühlt sie sich an und wie wird sie hergestellt? Was ist Wert? Worin liegt er, wie wird er gesichert und wie wird neuer Wert geschöpft? Wer bin ich und in welcher Verbindung steht mein Ich zur Welt? Die Verwirklichung der Liebe ist jetzt an der Reihe. Es ist die Erfahrung der eigenen Liebesfähigkeit. Sie basiert auf allem Erfahrenen, Gelernten und dem klaren Bewusstsein für den eigenen Wert. Sie basiert aber auch auf dem persönlichen Mythos, den man sich aufgrund der individuellen Wahrnehmung des Lebens “zurechtgelegt” hat. Im Idealfall handelt es sich um einen lebensfreundlichen und wachstumsfördernden Mythos. Dann kehrt der Mensch jetzt in seine Mitte zurück. Handelt es sich aber um einen Mythos, der voll und ganz in der Dualität angesiedelt ist, gerät der Mensch emotional aus dem Gleichgewicht.

In aller Regel steht jetzt die Gründung einer Familie an. Die Liebe zu einem Kind ist der Akt, der die Liebesfähigkeit im Kreislauf des Lebens auf individuelle Art aktualisiert. Es kann aber sehr legitimerweise auch die Liebe zu etwas Anderem sein, um sich selbst als Liebe zu verwirklichen. Die Liebe zu Tieren und zur Natur ist so lebendig und also gültig wie die Liebe zum Wissen, die Liebe zur Kunst oder die zur gesamten Menschheit. Das entscheidende Momentum ist der Fließrichtungswechsel der Liebe. Sie wechselt vom Nehmen des Kindes in das Geben des Erwachsenen. Der Ende zwanzigjährige Mensch, der seine Individuation unter diesen idealen Bedingungen erlebt hat, legt es nicht mehr darauf an, von anderen geliebt zu werden, sondern er will selbst lieben. Er hat zwar die Fähigkeit nicht verloren, Liebe anzunehmen, wenn sie ihm geschenkt wird, es drängt ihn jetzt aber danach, sich zusätzlich selbst als gebende Liebe zu verwirklichen und zu erfahren. Es fand der Wechsel statt vom Solarplexus gesteuerten Denken und Fühlen zum Herz basierten Denken und Fühlen, oder vom mythischen Bewusstsein ins mental-rationale Bewusstsein. (Mental UND rational, und nicht nur rational!) Ein Richtungswechsel, wie er von John F. Kennedy in die amerikanische Politik eingeführt wurde, als er seine Bürger aufforderte, nicht mehr danach zu fragen, was ihr Land für sie tun könne, sondern zu fragen, was sie für ihr Land tun könnten oder der von dem Psychologen Viktor Frankl auf das Leben übertragen wird: Man möge nicht mehr danach fragen, was man vom Leben (noch) zu erwarten habe, sondern man möge vielmehr fragen, was das Leben von einem erwarte (Viktor Frankl: “Wer ein Warum zu leben hat”). In der individuellen Beziehung wird jetzt nicht mehr die Haltung des Habenwollens kultiviert, sondern die Kraft des Gebenkönnens entdeckt und gestärkt.

Konsistenz, Integrität und Authentizität

In der nächsten Phase wird das hergestellt, was wir Konsistenz nennen und an dessen Ende der integere Mensch steht, dessen vitale Äußerungen als authentisch wahrgenommen werden. In der idealen Eltern-Kind-Beziehung hat dieser Prozess bereits für unsere eigenen Eltern mit unserer Geburt stattgefunden, und er findet jetzt statt, während der unter Idealbedingungen herangewachsene Mensch selbst ein Elternteil wird. In der Fürsorge für ein Kind oder auch ein Tier, die Natur oder ein Projekt oder auch den eigenen pflegebedürftig gewordenen Eltern - es funktioniert tatsächlich mit allem, wofür man Verantwortung übernimmt - wird einem das eigene noch ungelebte Potenzial gespiegelt. All die Defizite, die darin liegen, dass unsere Existenz noch nicht mit unserer Essenz übereinstimmt, kommen jetzt auf den Tisch, während wir das zu versorgende Wesen und/oder unsere Beziehung zu ihm wachsen und sich entwickeln sehen. Die Psychologie nennt diese Aspekte, die da auf den Tisch kommen, Schatten, und mit Schatten ist gemeint: Das bisher noch Unbewusste in unseren abgespeicherten Mythen. Indem Schatten um Schatten aufgelöst wird, Unbewusstes also ins Licht gehoben wird und sei es in den Lichtkegel der Schreibtischlampe, in dem ein Tagebuch bereit liegt, wird der Mensch nach und nach mit sich selbst identisch. Sein Verhalten wird authentisch, wenn Authentizität heißt, dass Sein, Fühlen, Denken und Handeln übereinstimmen, dass also Ich (= Denken und Handeln) und Selbst (= Sein und Fühlen) identisch sind. Alles Verdrängte und Vergessene und noch gar nicht ins Bewusstsein gelangte wird jetzt ins Bewusstsein integriert und heraus kommt die Integrität, der integere Mensch. Diese Entwicklungsstufe findet im Kehlkopfchakra statt, und wieder wird das Wurzelchakra mit Kompetenz gespeist, nämlich mit der Kompetenz, wie man das macht, Schatten ins Licht zu heben und zu integrieren. Dieses Lernen wird jetzt zur grundsätzlichen Lebenskompetenz, hinter die man nicht mehr zurück kann, wenn man diese Bewusstseinsstufe einmal erreicht hat. Kurzfristige Regressionen aufgrund von Stresssituationen werden schnell überwunden, wenn eine grundsätzlich erwachsene Lebenskompetenz erlangt ist.

Bei der Schattenintegration geht es nicht immer um vergangene Verletzungen und Wunden, sondern es geht auch um Talente und Gaben, deren Zeit bisher noch nicht gekommen war, die also bisher unbemerkt geblieben waren. So wird in der Schattenarbeit in aller Regel eine bisherige Neigung auf eine höhere Bewusstseinsstufe gehoben. Sie wird dem Ego sanft aus den Händen genommen und dem höheren Selbst anvertraut, auf dass das Talent ab jetzt von dort gelenkt werden möge, direkt von der Kraft der Liebe. Höhere Bewusstseinsstufe meint dann: Jetzt ist rückblickend bewusst geworden, was immer schon unbewusst an Talent vorlag.

Der so integer gewordene Mensch, der jetzt unter dem Authentizitätspostulat steht, mit sich selbst identisch zu sein, wird nun auch sein inneres Kind auf neue Art beachten. Er wird seine persönlichen Bedürfnisse authentisch wahrnehmen und wird aus seinem Selbst oder seinem inneren Erwachsenen heraus Verantwortung für sie übernehmen. Er verlangt nicht von anderen, dass diese Bedürfnisse erfüllt werden, nicht länger von den Eltern oder jetzt als Schattenprojektionen von einem Partner, dem Chef, dem Staat oder von Gott. Er “hat” ein Selbst, dessen er sich bewusst ist. In Wahrheit ist er dieses Selbst, denn das Selbst ist die Verbindung zwischen seinem inneren Kind und seinem inneren Erwachsenen oder zwischen seinem Gefühl und seiner Vernunft. In diesem Selbst und in dieser Bewusstheit liegen eine Menge erwachsener, widerstandsfähiger und handlungsfähiger Ressourcen, eine Menge Resilienz also. Der integere Mensch wird für sich selbst sorgen. Er wird sagen, wie er sich fühlt, was er wahrnimmt und was er braucht und er wird sich mit Menschen umgeben, auf deren Integrität er setzen kann, so dass er weiß, dass er jederzeit eingeladen ist, zu sagen, was das ist, was er fühlt, wahrnimmt und braucht. In der Interdependenz ist die Freiheit, nein zu sagen, eine Komponente, die dem Selbstbewusstsein inhärent ist, das heißt, dem Bewusstsein für die Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Konstitution. Der integere Mensch muss also nicht fürchten, die Grenzen anderer zu übergehen, solange er seine Bitten an andere integere Menschen richten kann, die frei sind ja oder nein zu seinen Bitten zu sagen. Denn auch ein Nein stürzt den integeren Menschen nicht in Verzweiflungsäußerungen, sondern trifft auf gütige Akzeptanz. Unter erwachsenen, integeren Menschen ist ein Nein überhaupt kein Problem und so gültig wie ein Ja.

Erweitertes Bewusstsein

Mit der Vollendung des Reifestadiums der Integrität findet in einigen Menschen noch eine Erweiterung des Bewusstseins statt und zwar ein persönlicher Mythenwechsel. Während innerhalb des aktuell sehr häufig gelebten lebensfreundlichen spirituell verankerten Mythoses jedes Selbst eines jeden Menschen sich dessen gewiss ist, dass die Basis des Seins die Liebe ist, hat durchaus nicht jedes Ich eines jeden Menschen einen bewussten Zugang zu dieser Gewissheit oder würde sich schon mit diesem noch jungen Mythos identifizieren. Menschen, deren Nervensystem durchlässiger ist, zu deren Konstitution eine hohe bis extrem hohe Sensibilität gehört, erlangen eher einen Zugang zu diesem Bewusstsein und haben eine Affinität zu diesem liebesbasierten Mythos, dass wir über das Prinzip der Liebe alle miteinander verbunden seien. Das Prinzip, wie es von der Blume des Lebens als Symbol dargestellt wird, ist in einigen Menschen lebendige und gelebte Gewissheit. Manche von ihnen nutzen diese Gewissheit, indem sie zulassen und sich selbst gestatten, dass sich ihr Glauben, über ihre Sinne manifestiert. Sie sind hellsichtig, hellfühlend, hellhörend oder hellwissend. Manche von ihnen nehmen in den Naturvölkern die Rollen der Schamanen und Medizinmänner ein oder zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften die Rollen der alten und modernen Philosophen und Propheten. Es sind die intuitiven Mediziner, die exzellenten Therapeuten und Coaches, aber auch undogmatische Geistliche, deren Ziel es ist, die Selbstheilungskräfte des Menschen zu aktivieren und ihn in seine eigene Kraft zu führen. Diese Entwicklung geht vom Stirnchakra aus.

Berufung

Wenn sich der bisherige Beruf, wie er auf dem Können im Wurzelchakra basiert, im Solarpelxus gefunden und im Kehlkopfchakra zur eigenen Verwirklichung ausgeübt wurde, nun mit der Intention der Essenz verbindet, die nach Heilung und Vervollkommnung strebt, wird der Beruf auf die Ebene der Berufung gehoben. Diese Anhebung der Energie des Berufs oder einer anderen Tätigkeit, die mit Leidenschaft ausgeführt wird, findet im Kronenchakra statt und erreicht die Mitmenschen, die Tiere, die Natur. Dieser Beruf dient nicht mehr in erster Linie dem Ich und der Existenz, sondern er dient dem Selbst und der Essenz, deren Ziel es ist, die Dualität und damit den Leid verursachenden Mythos, die Welt sei entweder für oder gegen einen, “gut” oder “schlecht”, schwarz oder weiß zu überwinden. Indem Bewertungen und Urteile fallengelassen werden und alles Tun aus der Herzintelligenz heraus geschieht wird die menschliche Tätigkeit der Freiheit gewährenden Achtsamkeit und der konsequenten Geduld mit der Evolution, der Hingabefähigkeit an das Leben also, übergeben. Der Mensch erschafft sein Leben als Werkstück und stellt es der Menschheit zu deren Aktivierung der eigenen Selbstheilungskräfte zur Verfügung. Darin besteht seine Selbstverwirklichung, wenn die Intention des Selbst die ist, anderen dienlich zu sein. Nichts weniger, als den Mitmenschen zu Heilung und Wachstum zu verhelfen, befriedigt diesen Menschen. In nichts weniger als der Verwirklichung der Liebe sieht dieses Individuum seinen persönlichen Sinn.

Die letzten beiden Stufen sind nicht notwendig, um ein vollständiger Erwachsener zu werden und ein glückliches Leben zu führen. Sie sind als Ziel eher wenigen Menschen zu eigen, unter ihnen der Gruppe der Hochsensiblen für die vorletzte Entwicklungsstufe der Individuation und unter den Hochsensiblen einigen wenigen für die letzte Stufe der Individuation. Die ersten fünf Stufen dagegen sind unerlässlich, um ein in sich vollständiger und emotional stabiler und unabhängiger Mensch zu sein. Wenn die Individuation so ideal verlaufen ist, wie diese Beschreibung unterliegt so ein Mensch keinem Verlorenheitsgefühl und ist für totalitäres und faschistisches Gedankengut nicht erreichbar, weil er in der Lage ist, Informationen aller Art vernünftig zu filtern. Aber wie verläuft eine Individuation in der Realität, wie wir sie aufgrund unseres derzeit noch auf Dualität basierenden vorherrschenden Mythos erfahren?

Ein Loch im Innern

Ein Kind, ein Wert an sich, kommt auf die Welt, und es trifft auf zwei Menschen, die selbst in ihrem Leben hungrig geblieben sind. Die Programme der beiden Eltern sind noch auf Habenwollen und Nehmen eingestellt. Der persönliche Mythos lautet: “Die Welt ist ungerecht und gegen mich.” Die Emotionen basieren noch auf Ängsten, auf Mangelempfinden, auf Bedürftigkeit, Neid, Zorn und Lieblosigkeitserfahrungen, die bisher auch nicht integriert wurden. Das eigene Leben dieser Eltern startete unter diesem dunklen Stern und er wurde als Erfahrung von Generation zu Generation weitergegeben. Mangelempfinden erzeugt (weiteren) Mangel und damit weiteres Mangelempfinden, was wieder Defizite heraufbeschwört und so weiter. Der Wert des kleinen Menschen wird nicht bestätigt. Oft genug wird er gar nicht erst bemerkt. Ein Kind halt, naja, eines, das Kosten produziert, Arbeit und Ärger macht, die Figur, die Ehe und die Karriere ruiniert und weswegen man in den nächsten Jahren nur noch schwer eine bezahlbare Wohnung findet und die Klamotten Jahre lang auftragen wird. Das hat nichts mit der Wertschätzung zu tun, wie sie von zwei Individuationen der Liebe ausgehen könnte. Der Wert bleibt unbestätigt und die Mitte des Menschenkindes ist schwach und instabil. In der Mitte wird ein Loch produziert. Die Wurzel wird nicht genährt, denn es gibt nichts zu lernen. Das Menschenkind wird sehr zügig, in der Regel viel zu früh, dann nämlich, wenn es sich noch nicht satt und stark genug fühlt, der Welt ausgesetzt, die dazu noch oft genug durch Ge- und Verbote limitiert erscheint, und es macht Erfahrungen von Limitationen aller Art: nicht schmutzig machen, nicht laut sein, nichts unordentlich machen, niemanden stören, den Teller leer essen oder sonst gibt es keinen Nachtisch, erst die Hausaufgaben, dann das Spielen, ohne Fleiß kein Preis. Und so weiter. Zuletzt nimmt es sich selbst als limitiert wahr. Die Gesellschaft steht nicht als wahrsagender Spiegel zur Verfügung, sondern als verzerrter und verzerrender Spiegel. Gespiegelt wird aus der eigenen Wahrnehmung heraus, und wenn die unklar ist, ist es auch die Spiegelung. Was eigentlich hätte ein Wert an sich sein sollen, weiß mit einundzwanzig Jahren nicht mal, wer er oder sie eigentlich ist, geschweige denn, worin der Wert der eigenen Existenz bestehen könnte. Der junge Mensch, dem gesagt wird, er habe kein Talent, er tauge nichts, es gebe keine Arbeit für ihn, man brauche ihn nicht, hat keine andere Wahl, als zu glauben, was er hört, sieht und fühlt. Und so entsteht das Verlorenheitsgefühl, das heute ein Gefühl von Sinn- und Bedeutungslosigkeit ist.

Eine zweite Meinung wäre gut: die Stimme der inneren Wahrheit

Wenn zu Beginn des Lebens jenes mysteriöse Resilienzgen aktiviert wurde, dann gibt es durchaus eine zweite Wahrnehmung, die wie eine zweite Meinung auch aktiv eingeholt werden kann. Über die neuronale Verbindung, die mit der Erfahrung einer liebevollen Behandlung durch die Eltern geschaffen wurde, wird die Verbindung zwischen Ich und Selbst hergestellt, zwischen innerem Kind und innerem Erwachsenen oder zwischen limbischem System, Großhirnrinde und präfrontalem Cortex. Über diese Verbindung können weitere Informationen fließen, die von den meisten Menschen als die Stimme der inneren Wahrheit oder des höheren Selbst aufgefasst wird, von manchen aber auch als Stimme der Liebe, des Universums, der höheren Intelligenz oder die Stimme Gottes. Wenn jene Verbindung aber zu Beginn des Lebens nicht aktiviert wurde, wurde auch das Resilienzgen nicht aktiviert. Nahezu der gesamten Menschheit ergeht es so, und die kognitiv erwachsenen Individuen bleiben emotional und mental auf der Ebene einer kindlichen Liebesnehmerschaft stehen, weil erwachsene Vorbilder fehlen, die die erwachsene Liebesgeberschaft vorleben. Es fehlen Lehrer, die den Unterschied zwischen Nehmen und Annehmen fühlbar machen. Das  ungesättigte innere Kind, das unter einem Regime liebloser und lebloser Restriktionen und Vorschriften aufgewachsen ist, hat in keine seiner Kompetenzen hineinfinden können, nicht in seine Selbstsicherheit (Wurzelchakra), nicht in sein Bewusstsein für sich selbst (Sakralchakra), nicht in sein Selbstwertgefühl und in die eigene Identität (Solarplexus) und nicht in sein Selbstvertrauen und seine Liebesfähigkeit (Herzchakra). Was also soll der Erwachsene in seinem Leben zum Ausdruck bringen (Kehlkopfchakra)? Wie soll er sich selbst ausdrücken, wenn er von seinem Selbst nichts weiß? Auf der Symptomebene macht sich dieses schwarze Loch, die Herzensbildungslücke zu Beginn der Individuation, als nagender Hunger bemerkbar. Die Menschen versuchen diesen Hunger in einem der beiden Pole entweder zu kontrollieren (Passivpol) oder zu kompensieren (Aktivpol).

Der unersättliche Hunger

Hier aber liegt der Hase im Pfeffer zum Phänomen von Neid, Hass und Wut: Auch wenn das Ich sein eigenes Selbst nicht bewusst wahrnimmt, so meldet sich das Selbst dennoch zu Wort, bleibt aber im Unbewussten. So jedenfalls ist es beobachtbar. Das Selbst kommuniziert auch ungehört, wozu es sich inkarniert hat, und ganz so ungehört bleibt es dabei auch gar nicht, wie man meint. Alle Symptome von schiefer Haltung über Schmerzen und Krankheiten bis zu neurotischen Verhaltensweisen und deren Manifestationen von Streitsucht bis materieller Sucht oder Sucht nach Substanzen sind Ausdrucksformen des Selbst und Wahrnehmungsformen des Ich. Kommuniziert wird: Ich habe unersättlichen Hunger! Allerdings gibt es bei der Wahrnehmung durch das Ich eklatante Missverständnisse gegenüber der Botschaft des Selbst. Das Ich, dass zur Droge greift, um den Hunger zu stillen oder wahlweise zur Nahrung im Übermaß, zum Beweiszwang oder zum Ausdruck von Wut, ebenso wie das Ich, das in den inneren Rückzug hinein geht, in die Selbstverleugnung und in die Magersucht, die Gedankenlosigkeit und Obrigkeitshöhrigkeit, hat durchaus gehört, dass ein Mangel kommuniziert wurde, aber es hat den Inhalt der Botschaft falsch verstanden und falsche Schlüsse gezogen. Denn wer hier Schlüsse und Konsequenzen zu ziehen versucht, das ist ein angstgesteuertes inneres Kind, kein souveräner innerer Erwachsener. Im Grunde kann man immer davon ausgehen, dass die Botschaft des Schmerzes eine individuelle Variante von “bitte-mehr-Achtsamkeit” und “bitte-mehr-Fürsorge” ist. Das in der Selbstfürsorge ungeschulte innere Kind aber, dem ein innerer Erwachsener an der Seite fehlt, was die Konsequenz des Ungeschultseins ist, übersetzt seine Wahrnehmung der Botschaft in eine Form von Selbstwertsicherung, die erst noch stattfinden muss. Es kann nicht von einer Warte der Selbstwertsicherheit aus kommunizieren, weil es die Aufgabe des inneren Erwachsenen wäre, ihm diese Sicherheit  zu geben. Ein Mitmensch, der vom inneren Kind als irgendwie kompetenter wahrgenommen wird, muss daher vom hungrigen inneren Kind überboten werden. Dem Anderen muss bewiesen werden, dass man mindestens genauso gut ist wie er, wenn nicht besser! Ein Mitmensch, der nach dessen persönlichen Kategorien als erfolgreich und zufrieden wahrgenommen wird, muss überboten werden mit der Deklaration von eigenem Erfolg, auch wenn dieser Erfolg sich zumeist in den alten Konventionen von Erfolg abspielt, die Geld und Macht heißen, weil der alte kollektive Mythos zugleich davon erzählt, dass wertvoll ist, wer viel hat. Hier kommt es schon zu groben Dissonanzen, weil oftmals Macht mit Sinn verglichen werden soll, was nicht funktioniert. Und einem Menschen, der ausstrahlt, dass er sich glücklich und in sich geliebt fühlt, dem hat das innere Kind gar nichts entgegenzusetzen außer Misstrauen, was ganz sicher zu irgendeiner Art von Herabsetzung oder Ridikülisierung führen wird: “Du hast doch keine Ahnung vom Leben!”

Heilung auf gesellschaftlicher Ebene

Der heilende Blick zurück zu jenem Ort, an dem das erste “schiefe Wickeln” stattgefunden hat, verläuft allerdings nicht über die Maßregelung und Belehrung, gefälligst Herz statt Hetze zu zeigen und gefälligst lieben zu lernen. Obwohl die Ansätze der Politik, bei der frühkindlichen Bildung anzusetzen, um jene Mängel zu beseitigen, die sich später in rechtspopulistischen Parolen äußern könnten, grundsätzlich richtig sind, ist die formale Bildung dennoch, für meine Begriffe, so lange der falsche Ort, wie in diese formale Bildung keine Komponenten aufgenommen werden, die die Kompetenz des Individuums zur Selbstliebe und Selbstfürsorge erweitern könnten. Die statistischen Erhebungen zum AfD-Wählerklientel wie sie zum Beispiel von den öffentlich-rechtlichen Sendern kommuniziert wurden, zeigten im Jahr 2018, in dem die AfD sich zu einer Partei mit rechtsextremistischem Gedankengut entwickelt hatte, keinen eklatanten Mangel an formaler Bildung. Der Mangel, der beseitigt werden muss, ist nicht der von formaler Bildung, und es ist nicht mal der von fehlenden historischen Kenntnissen, so wichtig diese Aspekte auch sein mögen. Die historischen Zusammenhänge erreichen die Menschen gar nicht wirksam, solange ihre Herzen nicht gebildet sind. Das, was der französische Romancier Gustave Flaubert im 19. Jahrhundert die “éducation sentimentale” nannte gehört auf den Stundenplan eines Kindes: zu lernen, den eigenen Wert vom eigenen Herzen sichern zu lassen. Es ist das Gefühl der Wertlosigkeit, was die Menschen wütend macht. Es ist das innere Loch, der innere Hunger, der sie aus der Balance bringt. Und das Wertlosigkeitsempfinden basiert auf mangelnder Liebe und ihrer Manifestation in mangelnder Fürsorge. Dass die Anwesenheit der Liebe nicht spürbar ist, das ist das große Problem. Ihre Anwesenheit wird nur behauptet, aber sie kann nicht gefühlt werden.

Dass wir irgendwann nicht mehr unsere Eltern für unser persönliches Mangelempfinden verantwortlich machen können und sollten, darin stimmen wir vermutlich leicht überein. Aber was dann? Fällt dieses Wissen um die Selbstfürsorge vom Himmel, wenn es nicht vermittelt wurde? Wie wir sehen, sehen wir nichts dergleichen. Diese Bildungslücke muss geschlossen werden, indem die fehlende Herzensbildung nachgeholt wird. Und das gilt nicht nur für Hänschen, an dem die frühkindliche Bildung ansetzen könnten, sondern das gilt auch für Hans, der gerade als “besorgter Bürger” drauf und dran ist, sich unmöglich zu machen, indem er mit rechtsextremistischen Haltungen sympathisiert, weil er sich von der konservativen Politik schon lange nicht mehr gesehen (und mit Fürsorge bedacht) fühlt.

“Wer das erste Knopfloch verpasst”, findet sich unter Goethes Aphorismen, “kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande”. Stattdessen schief geknöpft herumzulaufen kann einem allerlei Probleme einbringen, was die Selbst- und Fremdwahrnehmung angeht. Die Knopfleiste gehört neu geknöpft, wenn Wut und Zorn aufgelöst werden sollen. Und zeigt uns da nicht die Erfahrung, dass die sicherste Methode des gelingenden Zuknöpfens die von der Mitte an ist? Warum ist das wohl so?

Der Mensch als Individuation der Liebe gedacht

In einer HSP-Community, in der Begriffe wie “Selbstliebe” und “Selbstfürsorge” diskutiert wurden, hieß es zuletzt, mit der Vorstellung, der Mensch sei eine Individuation der Liebe, käme man nicht richtig zurecht. Man wisse nicht, was das heißen solle. Da es zumeist jene sensiblen Menschen sind, von denen ich im Text sprach, die solche Diskussionen führen und deren Geist eigentlich sehr offen und aufnahmebereit für die Energie dieser Vorstellung sein müsste, kann es nur bedeuten, dass auch dort die Angst die Sicht verstellt. Das Denken und Vorstellungsvermögen ist angstvoll blockiert. Dabei würde ein Blick auf die Blume des Lebens helfen: Es gibt nur eine Blume und innerhalb dieser Blume bilden sich die Einzelblüten. Bildet die Blume des Lebens nicht das göttliche Schöpfungsprinzip ab? Dem Mythos nach, dem diese Idee entspringt, erschafft die Energie der Liebe aus sich selbst heraus ihre Individuationen, die jede für sich der Logik nach wieder Liebe sein müssen, weil die Schöpfung nur sichtbar macht, was bereits im Raum vorhanden war, aber nichts hinzufügt oder reduziert.

Die Liebe ist wir, so einfach ist es gedacht und so schwer zu verstehen, wenn nichts uns auf diesen Gedanken eines alternativen liebesgesegneten und wachstumsorientieren Mythos vorbereitet hat. Aber die Vorbereitung kann sich als späte Vorbereitung nachholen lassen, um den Gedanken doch noch denken zu können, dass es andere Mythen neben dem des reinen Materialismus gibt und dass jeder Mensch von sich aus wertvoll ist, einfach weil er existiert. In einer echten, wahrhaft liebenden und gebenden Umarmung, kann der Wechsel vom angstvollen Nehmen des Egos zum liebenden Geben des Selbst bereits erfolgen. In einem wertschätzenden Gespräch kann bereits kommuniziert werden, dass der Wert eines Menschen nichts mit Geld und Besitz zu tun hat, und dass die wahre Schönheit im wachsenden Bewusstsein für das eigene Selbst, für dessen Liebesfähigkeit wie für dessen Seelenintention liegt. Es kann auch ein liebevoller Briefwechsel mit einem Kind sein oder das Tagebuchschreiben, das das eigene innere Kind meint, was jenen Richtungswechsel des Energieflusses einleitet. Wenn wir unser Selbst statt unser Ego zuhören lassen, kommuniziert unser höheres Selbst nicht mehr über den Weg unserer Krankheiten und Neurosen mit uns, sondern es kommuniziert mit uns über unsere Wünsche und Visionen. Indem wir diesen Wünschen folgen, ganz gleich, ob wir uns jetzt unter der Liebe als abstraktem Begriff etwas vorstellen können oder nicht, verkörpern und verwirklichen wir die Liebe. Lassen wir die Liebe in unserem Innern wachsen, verströmen wir sie zugleich anstrengungslos. Zugegeben, in diesem Zustand geht man nicht auf eine Gegendemonstration und maßregelt die Mitmenschen, die sich der eigenen Ansicht nach unangebracht verhalten, sondern wird zu einer Demonstration des Friedens, indem man zum Vorbild wird. Auf unseren inneren Plakaten, die sich im Außen manifestieren, könnte stehen: “Ich bin eine Individuation der Liebe, genau wie du es bist.” Jeder in unserer Umgebung wird instinktiv erfassen, was das zu bedeuten hat, und vielleicht gereicht diese Demonstration zur Inspiration, die eine oder andere Bildungslücke bei sich schließen zu wollen. Aber das hat derzeit nichts mit den Schulplänen zu tun, solange auf diesen Schulplänen das Fach Selbstliebe mit dem Unterrichtsziel Selbstwertsicherheit und dem Abschluss in Selbstverantwortung fehlt. Solange müssen wir darin Privatunterricht nehmen. Und hoffentlich tun wir das. In diesem Privatunterricht muss das Bildungsziel der mündige Bürger sein, der sich seines Verstandes bedient. An diesem Ziel hat sich seit dem Zeitalter der Aufklärung nichts geändert. Dafür zu sorgen, dass der Verstand auf der Vernunft und nicht auf dem verletzten inneren Kind in Form des inneren Kritikers oder Tyrannen basiert, und dass auch daran gedacht wird, dass die Bewusstseinsform nicht nur rationales Bewusstsein heißt, sondern mental-rationales Bewusstsein, dass es also auch um unsere Einstellungswerte geht, ist ein Weg, der bisher vielleicht noch nicht so klar war. Er führt über die Ausbildung des integeren Menschen, der sich all seiner Kräfte bewusst ist. Nur der integere Mensch ist ein mündiger Bürger. In seiner Integrität sind seine Erfahrung, seine Bildung, sein Wissen und seine Gefühle enthalten, eben integriert. Er bedient sich seiner Vernunft und seiner erwachsenen Ressourcen und nicht seiner angstgesteuerten Emotionen, Glaubenssätze, Konditionierungen und persönlichen negativen Mythen. Das wäre eine Bewegung, die eine echte Revolution mit sich bringen würde: Die Bewegung wahrhaft mündige Bürger hervorzubringen, indem die schiefgeknöpften Knopfleisten nochmal neu geknöpft werden.

Wer bei dem ganzen Geknöpfe jetzt an den Jugendroman “Der Krieg der Knöpfe” von Louis Pergaud und dessen Romanverfilmung denken muss, liegt weniger schiefgeknöpft, als man denken mag. In dieser Geschichte dient es der “psychologischen Kriegsführung” einer Jugendbande, den “Kriegsgefangenen” der “verfeindeten” Jugendbande die Knöpfe von der Kleidung zu schneiden. Das Knöpfeabschneiden dient der Entwertung des Ichs. Der Liebesdienst der Freundin des Protagonisten und die Wende der Geschichte besteht darin, neue Knöpfe anzunähen und den möglichen Gram über die Verschiedenartigkeit der Behelfsknöpfe mit zauberhaftem Humor zu heilen. Wenn zum Schluss einer der Knöpfe freiwillig aufgegeben und als Geschenk gereicht wird, ist es der Triumph der Liebe des Selbst über die Angst des Egos. Das geschieht in der Erzählung zu dem Zeitpunkt, an dem die Menschen eines kleinen französischen Dörfchens sich ihres Seins als Individuation der Liebe wieder bewusst geworden sind und sie aktiv verwirklichen, indem sie sich für ihre Mitmenschen einsetzen, Solidarität mit dem jüdischen Kind zeigen und in den politischen Widerstand gehen.

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