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Alles gut.

Warum ich in dieser Woche einfach nicht so richtig wusste, was ich dir heute schreiben soll und wozu die ein oder andere Grübelei vielleicht doch ganz gut sein könnte.

Wenn ich nicht weiß, worüber ich schreiben soll, dann schreibe ich meist genau das erst einmal auf. Ganz formlos, auf eine neue Seite im rosa Notizbuch mit den gepunkteten Seiten oder in einem Word-Dokument ohne Namen. Vielleicht kennst du diese Situation, wenn du den Drang verspürst zu schreiben, aber partout kein einziges Wort den Weg aufs Papier finden will. So ging es mir heute als ich mich zum Schreiben an meinen Ausziehtisch am Fenster setzen wollte, mit Blick in den blauen Himmel, der mit seinen flauschig aussehenden Zuckerwattewolken so bezaubernd aussah, dass ich eine halbe Stunde lang wie der Main-Character in einem romantischen Teeniefilm dasaß und vor mich hinträumte. Vielleicht brauchte ich diesen Moment einfach, denn es gibt einige Dinge, die verarbeitet werden und ihren Platz finden möchten. Mich begleitet seit einiger Zeit ein Cocktail aus neuen, unaufgeregt-schönen, sich gut anfühlenden Erlebnissen und gleichzeitig ganz schön harten Brocken, man könnte auch sagen, der ganz normale Wahnsinn. Diese Mische verlangt viel von mir und ich bin selbst erstaunt über meine trotz allem vorhandene Balance, war mein Inneres doch bisher eher fragil und leicht aus der Bahn zu werfen. Und hier liegt mein vermeintliches Problem. Es läuft! Ich schreibe trotz Lebens-Balance-Akt viel und fast regelmäßig an meinem ersten fiktionalen Kurzroman, der hoffentlich den Einsendeschluss für den Storyteller-Award noch schafft, habe bereits die nächsten konkreten Ideen in der Pipeline und weder eine schriftstellerische Krise noch akuten Mutmangel. Wie schön für mich, oder? Meine innere Grübelgabi guckt zwar noch etwas skeptisch und hält das für die Ruhe vor dem Sturm, aber dieser Kreislauf ist ja bereits ein alter Vertrauter und nichts, womit ich nicht fertig werden würde. Wo kommt nur diese Gelassenheit auf einmal her?

Mein Problem ist Folgendes: Normalerweise schreibe ich hier ja überwiegend über Themen, die eventuell mit einem kleinen Ratschlag oder Erfahrungsaustausch ein wenig leichter werden oder darüber, dass es okay ist, wenn es mal nicht so gut läuft mit der Kunst und wie wir da rauskommen. Auf den Fall, dass es auch Phasen geben könnte, die sich leicht anfühlen, war ich schlichtweg nicht vorbereitet. Als brotlose:r Künstler:in hat man doch immer mit irgendwas zu kämpfen, oder? Entstehen so nicht unsere besten Werke? Die unschönen Geschichten, das gebrochene Herz und die Zweifel - Schmerz und Leid - sind neben den Wunderlichkeiten des Lebens schlichtweg der Nährboden meiner Kunst. Das sind die Dinge, über die ich selten bis gar nicht spreche, dafür umso detaillierter schreibe und mehr oder weniger mutig veröffentliche. In diesen Phasen, wenn alles in mir zusammenbricht, ist meine übliche Antwort auf die Frage „Wie geht’s dir?“ dennoch stets: „Alles gut.“ Ich weiß nicht, ob es ein reines Autor:innen-Phänomen ist, dass es oft leichter fällt, sich in Schriftform offen und ehrlich mitzuteilen, aber für mich fühlt es sich so einfach sicherer an. Dem Schreiben kann ich nun mal vertrauen. Ist im Umkehrschluss tatsächlich alles gut, erzähle ich bereitwillig jedem Menschen, der danach fragt (oder auch nicht), dass es mir gerade gut geht und erwähne dann manchmal, dass es aber wirklich langsam Frühling werden könnte oder mich der Regen nervt, damit es auch überzeugend bleibt und niemand denkt, ich lüge (wem geht es denn schon „einfach gut“?). Mein Notizbuch bleibt währenddessen leer, ich öffne kein neues Word-Dokument und tippe selten neue Ideen in mein Handy. Es passiert ja schließlich nichts. Die ehrliche „Alles gut“-Phase ist der Zeitpunkt für die schriftstellerischen Fleißarbeiten. Das Zusammenfügen von Texten, Überarbeitungen, ein Blick in die Schublade mit einst versteckten Werken, E-Mails schreiben, Exposés erstellen und neue Wettbewerbe entdecken, mit denen man seine Kunst sichtbar machen könnte, vielleicht auch der 95. Plan, Instagram als Werbefläche für das Autorinnendasein ernst zu nehmen. All das, wofür sonst die Energie fehlt, während ich meine nächsten Stories durchlebe und den Blick auf das Geschehen und Nicht-Geschehen im Außen wende.

Obwohl ich so produktiv und schriftstellerisch gesehen krisenfrei bin, sucht mein Inneres den Haken und hat offensichtlich auch einen gefunden: Ich denke nichts Interessantes zu berichten zu haben. Ist „interessant“ denn immer gleichzusetzen mit „es gibt ein Problem“?

Wie gut, dass ich immer noch übers Grübeln schreiben kann, quasi das Pendant zum schlechten Wetter, wenn sonst keine Probleme zu berichten sind. Davon abgesehen führte mich die ein oder andere Grübeleinheit schon zu einem Moment des Wunderns, was in meinen Augen eine höchst wertvolle Fähigkeit ist, die so manchen Menschen zwischen Erziehung und Erwachsenwerden erfolgreich abtrainiert wurde. Warum eigentlich? Schließlich haben wir diesen wunderlichen Menschen die größten Erfindungen und bekanntesten Werke zu verdanken. Wie mag wohl Otto Lilienthal belächelt worden sein, ehe er seine ersten erfolgreichen Flüge absolvierte? An dieser Stelle komme ich nicht umhin mich zu fragen, wie viele Stunden er wohl mit Grübeln verbracht haben mag. Somit erscheint mir in der aktuellen Lage nicht die Grübelei an sich als problematisch, sondern ihr Umfang. Vermutlich macht die Grübeldosis den Unterschied zwischen Denkanstoß und ins Nichts führende Endlosspirale, die es zu durchbrechen gilt.

Kannst du dir vorstellen, dass ich kurz davor war, in dieser Woche keinen Beitrag zu veröffentlichen, weil mir nichts “gut genug” erschien, was ich zu sagen habe? Dann hätte ich mich noch schlechter gefühlt, weil ich dir und mir ein Versprechen gab und es gebrochen hätte, aus Mutmangel. Was für ein Vorbild wäre ich denn dann? Vermutlich ein authentisches. Dennoch ist es mir zu wichtig, dir zu sagen: Alles ist aufschreibenswert. Wenn es in deinem Kopf ist, dann darf es auch aufs Papier, ganz gleich wie banal, unwichtig oder unpassend es dir erscheint und auch wenn du noch keine Ahnung hast, wo du damit hinwillst. Das Schreiben hat keine Ansprüche und Erwartungen, es ist einfach immer für uns da.

Manchmal sind es zumindest für mich genau diese unaufgeregten Texte, die mir ein wohliges Gefühl verleihen, weil sie eine ganz natürliche Verbindung zwischen Künstler:in und Publikum schaffen. Ein wunderbares Beispiel dafür ist auch Musik, die von Alltag und mir vertrauten Orten oder Situationen erzählt, wie es beispielsweise Betterov in seinen Songs gerne macht - ein Mensch, der sich manchmal noch wundert:

Vielleicht kannst du dies auch als kleinen Schreibimpuls nutzen und bewusst die vermeintlich langweiligen Gedanken zu Papier bringen, ich bin mir sicher, du wirst überrascht von deinem Ergebnis sein.

Bis nächste Woche!

Alles Liebe

deine Sarah

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