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Ordnung.

Über die Frage, ob Ordnung wirklich unser halbes Leben ist und Gedanken zu Frühjahrsputz und Bauchgefühl.

Hast du dich schon daran gewöhnt, dass mein Newsletter jeden Sonntagmorgen um 6 Uhr in deinem Postfach landet? Für mich ist das Schreiben meiner wöchentlichen Beiträge am Freitagabend oder Samstagmittag schon zu einer Routine geworden, auf die ich mich zuverlässig freue. Auch wenn ich denke, in dieser Woche nichts Neues zu erzählen zu haben, füllt sich der Raum hier immer wieder mit Worten, die direkt aus meinen Gedanken auf die Tasten fallen. Ein wunderbares Gefühl. Nach jedem fertiggestellten Beitrag falle ich dann ganz beseelt ins Bett oder in den Samstagabend. Und hier tat sich in dieser Woche eine Frage auf: Fühlt es sich so gut an, weil ich denke einen wertvollen oder zumindest unterhaltsamen Text geschrieben zu haben oder weil ich eine Aufgabe in dem von mir selbst festgelegten Zeitrahmen erledigt habe? Fühlt sich das Schreiben dieser Zeilen auch außerhalb meiner üblichen Zeit erfüllend an oder geht es mir nur ums Produktivsein? Innerhalb der letzten Wochen habe ich, ein bisschen wie ein innerer Frühjahrsputz, mein Leben in seinem derzeitigen Zustand einer sorgfältigen Überprüfung unterzogen. Dazu gehören Menschen, die darin eine Rolle spielen (oder eben nicht), Routinen, Arbeitssituationen, Ziele… was man eben so prüft von Zeit zu Zeit, man sollte es laut meiner Therapeutin Frau S. jedenfalls tun. In so manchem Bereich genügt ein grober Überblick und eine radikale Bearbeitung mit „behalten“ und „weg damit“ Stapeln. Erinnerst du dich an den Schreibimpuls zum Thema „ändern“? Ich verlinke ihn dir hier noch einmal, vielleicht motiviert er dich ja auch zu einem prüfenden Blick der anderen Art.

Jedenfalls ging es bei diesem Prüfvorgang, was meine Beziehung mit dem Schreiben angeht, schnell ans Eingemachte und ich stellte fest: Irgendwie ist das Ganze etwas festgefahren. Es läuft, ich schreibe, ich schreibe regelmäßig und gerne, aber ein Gefühl sagt mir, dass hier mehr zu holen ist. Mehr Tun, mehr Mut, mehr Schreibmut. Das gute alte Bauchgefühl. Also tue ich, was getan werden muss und breche meine Routinen, um mich neu zu orten. Das Ergebnis dieses Ausbrechens ist, dass ich müde bin. Und glücklich. Ich kann regelrecht körperlich spüren, wie das Mosaik sich neu zusammensetzt und ein neues Bild zeichnet. Ein Kribbeln in den Fingerspitzen verkündet den Zauber eines Anfangs und meine Aufgabe ist es nun, diese wohlige Aufregung zu nutzen, Ideenfetzen zu ordnen und die passenden Teile miteinander zu verbinden. Ordnung schaffen. Muss das sein? Gerade das kreative Chaos fühlt sich doch so gut an, jetzt alles wieder in geordnete Bahnen zu bringen würde doch alles wieder langweilig aussehen lassen. Oder?

Ich vermute, dass diesen Punkt jede:r Schreibende oder anderweitig kreativ Schaffende:r für sich selbst entscheiden muss. Ich wähle meist eine Form von kreativem Chaos, völlige Anarchie halte ich nicht allzu lange aus, wobei ich sie ab und an durchaus begrüße. Gelegentlich brauche ich ein heilloses Durcheinander, in dem wirklich alle Gedanken Raum finden, auch die, die in meinem halbwegs ordentlich geführten Haushalt im hintersten Teil des Regals verschwinden, denn oft sind diese vergessenen Teilchen der Schlüssel zur Vollendung eines Werkes oder der entscheidende Denkanstoß für das nächste Projekt. Das Ordnungsschaffen im Nachgang ist also mehr eine grobe Zuordnung von Altem und Neuem, eine Zusammenführung von Worten, die sich ohnehin miteinander verbinden wollen. Denn das ist der Punkt: Beim Schreiben geht es nun mal nicht darum, das Rad neu zu erfinden, sondern darum, es zu spüren und dieses Empfinden in Worte zu legen. Siehst du, worauf ich hinaus möchte? Die Kunst liegt meiner Ansicht nach nicht darin, die passenden Worte aneinanderzureihen - es geht um den Mut zum Fühlen, hinzusehen und genau das auch zu Papier zu bringen, ohne die Kanten abzuschleifen, damit sich niemand daran stößt.

Die Ordnung der Menschen beschäftigt mich, seit ich den Roman „Ich und die Menschen“ von Matt Haig lese, der sich mit Dingen wie der richtigen Anzahl an Kleidungsstücken und dem Unterschied zwischen Gras und Rasen beschäftigt. Eine unverblümte Sicht auf uns Menschen, unsere Regeln und die Ordnung, der wir folgen. Und wieder einmal wundere ich mich über die Welt und mich selbst.

Zwar genieße ich es, diesen Beitrag einmal wirklich an einem Sonntag zu schreiben und ihn direkt zu veröffentlichen, statt für später zu speichern, doch in meinem Hinterkopf finden sehr viele Gedanken statt, die sich fragen, ob ich mit meinem kleinen Ausbruch jemanden enttäuscht haben könnte, der heute Morgen um 6 Uhr ins leere Postfach blicken musste. In Zukunft werdet ihr den Newsletter wieder zu gewohnten Zeit finden, so viel ist sicher. Ebenso sicher ist, dass das Bauchgefühl am Freitagabend und Sonntagmittag ein ähnliches ist - beseelt, zufrieden, ein bisschen aufgeregt und dankbar für euch Lesende.

Bis nächste Woche!

Alles Liebe

deine Sarah

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