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Redensarten-Index Newsletter Nr. 2 - Mit Wumms und Schuhen aufs tote Pferd

Liebe Redensarten-Freundinnen und Freunde,

willkommen zu meinem zweiten Newsletter.

Heute schauen wir mal darauf, was unsere Politiker so reden.

Sie verwenden viele Redewendungen und prägen oft auch neue. Kein Wunder: Sprechen gehört schließlich zum Job einer jeden Politikerin und eines jeden Politikers, und wer die Rede mit Redensarten würzt, gibt sich volksnah.

So fiel mir kürzlich eine Redensart auf, die ich bei einer Rede von Außenministerin Annalena Baerbock hörte (Youtube-Video (Öffnet in neuem Fenster)) und bis dato nicht kannte: "sich in die Schuhe des anderen stellen (Öffnet in neuem Fenster)" bzw. "in die Schuhe des anderen schlüpfen oder steigen (Öffnet in neuem Fenster)". Sie bezog sich dabei auf den durch den Terroranschlag der Hamas neu aufgeflammten Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern und meinte damit die Bereitschaft, jeweils die Perspektive der anderen Seite einzunehmen, sich in die andere Person hineinzuversetzen, um Verständnis und Empathie zu entwickeln.

Die Maxime gehört zum Handwerkszeug eines jeden anständigen Diplomaten, und auch Baerbocks Vorgänger wie Hans-Dietrich Genscher und Siegmar Gabriel verwendeten die Redewendung, die im Deutschen ansonsten nicht sehr geläufig ist. So sagte Gabriel 2018: "Sie müssen sich in die Schuhe des anderen stellen, müssen verstehen, wie der andere denkt, fühlt, wie er tickt. Das heißt nicht, dass Sie dessen Interessen akzeptieren, aber Sie müssen sie verstehen" (Quelle (Öffnet in neuem Fenster)). Ein kluger Satz, wie ich finde, und nicht nur auf dem diplomatischen Parkett hilfreich.

Die Redensart stammt mit ziemlicher Sicherheit aus dem Englischen: "to put oneself in someone's shoes" mit der gleichen Bedeutung. Das Sinnbild ist leicht verständlich - noch plastischer wird es allerdings traditionell im Deutschen ausgedrückt: "in jemandes Haut schlüpfen (Öffnet in neuem Fenster)".

Der Trend zum Anglisieren (d. h. sich an die englische Sprache anzugleichen) zeigt sich auch bei einem Ausdruck, den Bundeskanzler Olaf Scholz neulich verwendete - auch wenn das auf den ersten Blick nicht erkennbar ist. Dabei ging es um Atomkraft und das Für und Wider ihrer friedlichen Nutzung - ein seit Jahrzehnten stark umstrittenes, letztlich aber entschiedenes Thema. Als die Diskussion zwischenzeitlich wieder aufflammte, sagte Scholz im September: "Das Thema Kernkraft ist in Deutschland ein totes Pferd (Öffnet in neuem Fenster)" (Quelle (Öffnet in neuem Fenster)). Dass das Thema tot ist - der Ausstieg ist schließlich beschlossene Sache - ist klar, aber was haben Pferde damit zu tun? Nun, es handelt sich um eine Abwandlung der Redensart "ein totes Pferd reiten (Öffnet in neuem Fenster)" mit der Bedeutung "keine Aussicht auf Erfolg haben, bei etwas bleiben, obwohl es einen nicht weiterbringt". Sie ist im Deutschen relativ neu (etwa seit der Jahrtausendwende), hat eine lange Geschichte und stammt letztlich aus den USA des 19. Jahrhunderts: "Riding a dead horse" ist dort schon seit 1851 schriftlich belegt. Angeblich gibt es auch ein altes Sprichwort der Dakota-Indianer "Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, dann steig ab". Dafür gibt es aber keinen Beleg.

Scholz hat auch einen anderen Ausdruck geprägt – wenn auch nicht erfunden: Der "Wumms (Öffnet in neuem Fenster)" bezeichnet eine beeindruckende, wirkungsvolle Sache. In seiner Zeit als Bundesfinanzminister sagte er 2020 in Bezug auf das Konjunkturprogramm zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie, es gehe jetzt darum, "mit Wumms (Öffnet in neuem Fenster)" aus der Krise zu kommen. Mit Ausdrücken wie diesen will er offenbar seinem Image als leidenschaftsloser, einschläfernder Redner entgegentreten.

Wörter wie "wumms", "zack" oder "peng" sind sogenannte Onomatopöien – so nennt man lautmalende Ausdrücke - also Wörter, die den Schall, den sie erzeugen, nachahmen. Man kennt sie vor allem aus Comics. "Wumms (Öffnet in neuem Fenster)" bezeichnet eigentlich einen Knall, Kanonenschuss o. ä., wird aber redensartlich für eine kräftige, mächtige Sache verwendet.

Das wars für heute!

Viele Grüße,

euer Peter vom Redensarten-Index

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