Zum Hauptinhalt springen

Der Ri:Newsleisure

Liebe Leserinnen und Leser,

ab sofort soll es in regelmäßigen Abständen Spannendes zu Tech und Recht für Smalltalk oder Lesezeit am Wochenende geben. Ein solches Amuse-Bouche besteht beispielsweise aus

  • drei wissenswerten „News in a nutshell“ inklusive Links zur Vertiefung,

  • einem TBT (Throwback Thursday), d.h. Hinweisen auf wieder relevante, ältere und neuere Ri:Artikel,

  • Ankündigungen (Fast Forward) zu Themen der anstehenden Ri:Veröffentlichungen,

  • oder auch empfehlenswerten on- und offline Events.

Viel Spaß und eine angenehme Ri:Newsleisure Time!

News in a nutshell

1. Deepfakes ohne rosarote Brille

Das Europäische Parlament hat am 7. September 2021 ein nachdenkliches Papier veröffentlicht mit dem Titel: What if deepfakes made us doubt everything we see and hear? (Öffnet in neuem Fenster) Nachdem die Europäische Kommission Deepfakes, also manipulierte Bewegtbilder, in ihrem Vorschlag eines Artificial Intelligence Act (Öffnet in neuem Fenster) (AIA-Vorschlag, auch KI-Verordnung genannt) vom 21. April 2021 als grundsätzlich mit geringem Risiko (Öffnet in neuem Fenster) behaftet bewertet hat. Das Europäische Parlament weist in seinem Papier nun ausdrücklich auf die Gefahren von Deepfakes hin. Es stellt aber – richtigerweise – auch klar: Die Technologie selbst ist legal. Lediglich auf Schadenszufügung angelegte Anwendungen können verboten sein bzw. werden. Dem Ergebnis des Austauschs von Europäischem Parlament und Europäischer Kommission kann man also mit Spannung entgegenblicken.

Diese differenzierte Betrachtung seitens des Europäischen Parlaments wurde im Ri-Artikel „Gesundheit! Erfasst und verbietet der vorgeschlagene ‚Artificial Intelligence Act‘ Expertensysteme wie das MYCIN?“ (Otto, Ri 2021, 11-20 (Öffnet in neuem Fenster); https://rechtinnovativ.online/ri-2021-otto-gesundheit (Öffnet in neuem Fenster)) ausdrücklich gewünscht.

2. Die KI als Erfinder? Dem steht nichts entgegen, sagt ein australischer Richter.

Das Europäische Patentamt (EPA) hatte im Januar 2020 zwei Patentanmeldungen jeweils eine Absage erteilt (Öffnet in neuem Fenster). Der Grund: Der Anmelder benannte die Maschine „DABUS“ als Erfinder. Eine Maschine kann nach Ansicht des EPA kein Erfinder sein, sondern nur eine natürliche Person. Die Nennung einer solchen sei auch verpflichtend, weil hieran Rechtsfolgen geknüpft sind, v.a. Rechte des Erfinders. Für die Ausübung der Rechte bedürfe es einer Rechtspersönlichkeit, die der Maschine fehlt. Warum der Anmelder (und DABUS-Entwickler) Dr. Thaler sich auf Hinweise des EPA nicht selbst als Erfinder des Maschinenprodukts angab, wird durch die Lektüre der Entscheidung des Federal Court of Australia vom 30. Juli 2021 (Öffnet in neuem Fenster) deutlich. Der Richter erläutert hier sehr ausführlich, warum ein KI-System seiner Ansicht nach „Erfinder“ sein kann. Zunächst verweist er auf die fehlende Bestimmtheit des Wortes „Erfinder“. So wie ein Geschirrspüler sowohl Mensch als auch Maschine sein kann, muss also auch ein Erfinder sowohl Mensch als auch Maschine sein können. Nicht zuletzt, so konstatiert der Richter, stehen die australischen Gesetze einem Erfinder namens [KI-System] nicht entgegen.

Liest man die Entscheidung, kommt man an manchen Stellen nicht umhin zu sagen: Da hat der Richter einen Punkt! Und man kann auch sagen, die Argumentation des EPA ist doch ein wenig zirkelschlüssig: Der Erfinder muss hiernach menschlich sein, damit der Erfinder seine Rechte ausüben kann. Dennoch: Den australischen Gesetzen sind den europäischen Vorschriften vergleichbare Regelungen zu den Anforderungen an den zu nennenden Erfinder offenbar fremd.

3. Smartlaw ist nur ein automatisiertes Formularbuch, sagt der BGH.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute sein Urteil verkündet (Öffnet in neuem Fenster): Das Angebot des Vertragsgenerators „Smartlaw“ ist danach keine unlautere geschäftliche Handlung. Nach Ansicht des BGH liegt keine Rechtsdienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) vor. Eine Rechtsdienstleistung ist hiernach jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert (§ 2 Abs. 1 RDG). Eine solche ist u.a. zum Schutz der Rechtssuchenden vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen (§ 1 Abs. 1 S. 1 RDG) grundsätzlich verboten, bedarf mithin einer Erlaubnis. Diese wird im Falle von Smartlaw jedoch nicht benötigt. Der BGH hält in seiner Pressemitteilung fest: Der Anbieter hat nur die Software programmiert, die zudem, ähnlich einem Formularbuch, übliche Fälle abdeckt. Darüber hinausgehende individuelle Verhältnisse würden im Falle von Smartlaw nicht berücksichtigt. Insofern würden seine Nutzer auch keine rechtliche Prüfung ihres Einzelfalls erwarten.

Die ausführliche Urteilsbegründung bleibt noch abzuwarten. 

TBT

In „Schach! Die Partie Smartlaw und ihre Lehren für die Zukunft von ‚Legal Tech‘ (Öffnet in neuem Fenster)“ (Otto, Ri 2019, 149 ff.) (Öffnet in neuem Fenster) wurde das erstinstanzliche Urteil des LG Köln besprochen. Dieses hatte in dem Angebot „Smartlaw“ eine Rechtsdienstleistung im Sinne des RDG gesehen.

Fast Forward

In der kommenden Woche erscheint ein Artikel zu Schutzrechten rund um die 3D-Proteinstrukturvorhersage mittels DeepMinds KI-System AlphaFold (Öffnet in neuem Fenster). Wie immer gibt es den Artikel pünktlich zum Erscheinen in die Mailbox.

Bis dahin, ein schönes Ende der Woche und Wochenende

Das Ri:Team