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Kollaps ist nicht

Trump ist an der Macht. Fuck. Schon wieder. Schon wieder mehr Dunkelheit. Ukraine, Gaza, Sächsische Separatisten. Und in zu vielen Gesprächen, die ich gestern geführt habe, fiel das Wort “Kollaps” – und ich ertrag’s nicht mehr, diese Debatte.

Wenn du einer von denen bist, die das Wort gebrauchen im Bezug aufs Klima oder die Weltlage, dann schlag es doch bitte mal nach. Hier die Definition aus dem Wiktionary: “plötzliches Ende der Funktionsfähigkeit eines Körpers oder Systems.”

Plötzlich, das ist das entscheidende Wort. Ja, die Klimakrise eskaliert vor unseren Augen. Nicht mehr Jahrhunderthochwasser, sondern Jahrhundert der Hochwasser. Autos in Valencia, die vom Wasser mitgerissen werden, als seien es Bobbycars, Menschen mit angstgeweiteten Augen, die sich an die Motorhauben krallen. Yes. Das ist die Klimakrise. Aber nichts, was da mit dem Klima passiert, ist plötzlich. 

Kollaps. Das Wort impliziert, dass etwas heute stabil ist und dann – bang – zusammenbricht. Wie ein Mensch, der an einem Herzinfarkt stirbt. Aber aus menschlicher Sicht wird das mit dem Klima nicht so schnell gehen. Es ist nicht: heute Licht, morgen Licht aus. Das ist ein Bild entstanden in den Köpfen von Menschen, ein Konzept, das nicht nur falsch ist, sondern auch schädlich – die schädlichste Theorie, die in der Klima-Bubble gerade um sich greift. 

Das Konzept “1,5 Grad-Ziel” hatte wenigstens einen mobilisierenden Effekt. Damit konnte man Politik machen. Menschen auf die Straße bringen, für Gerechtigkeit kämpfen. Aber es war auch nur ein Konzept, wahllos festgelegt, und dann mit Wahrscheinlichkeiten zum Verhalten des globalen Klimas belegt. Was hat sich denn geändert, seit wir die 1,5 Grad-Grenze überschritten haben? 

Wenn ich eine Sache nennen müsste, die neben dem Konzept des individuellen CO2-Fußabdrucks gerade zu massiver Demobilisierung führt, dann das Gerede vom Kollaps. 

Und ich höre es vor allem von Menschen, die in Eigentumswohnungen wohnen, oder in Freiburg, also mitten im Speck unserer Wohlstandsgesellschaft. Ich höre es von Menschen, die mit allen Privilegien der Welt groß geworden sind. Es sind Menschen, die “System change, not climate change” gerufen haben, als alles irgendwie rosig aussah. Jetzt, wo es tough wird, hör ich sie sagen: “Kollaps!” und “Prepping!” 

Seriously?

Ich war nach Zyklon Idai in Mosambik. Über tausend Menschen tot, die Ernten zerstört, die Häuser kaputt – und das auch noch ein Jahr später, weil die Menschen dort keine oder wenig Rücklagen haben. Da kommt kein Staat vorbei und hilft. 

Dann war ich 48 Stunden nach dem Hochwasser im Ahrtal und da wimmelte es nur so von THW, Feuerwehr, Rotem Kreuz. Die lokalen Bauern und Bauunternehmer fuhren mit ihren Baggern und Traktoren vor, um aufzuräumen und wiederaufzubauen. Die Lebensmittel- und Kleiderlager waren so voll, dass sie nichts mehr annehmen, geschweige denn alles verteilen konnten. 

Wir haben so viele Jahrhunderte diesen Planeten und Menschen im Globalen Süden ausgeraubt, wir haben so viel materiellen Wohlstand angehäuft, und jetzt, wo es mal ein bisschen hoffnungslos aussieht, wollt ihr euch zurückziehen und “vorbereiten”? Ihr wollt euch und eure kleine Community absichern?

Das ist nicht nur egoistisch, sondern auch dumm. 

Wenn das mit dem Klima wirklich schief geht, dann hilft euch auch kein Brunnen im Garten mehr, keine Permakultur, und kein Keller voll Lebensmittel. Auf sowas kann man sich nicht vorbereiten: Wie hättet ihr euch denn auf das Leben im syrischen Bürgerkrieg vorbereiten wollen? Wie wollt ihr euch auf ein Leben im Faschismus unter Höcke vorbereiten? 

Welches Bild macht ihr euch denn von der Klimakrise? Das ist nicht Licht an, Licht aus. Das ist das langsame Wegbrechen von Stabilität und Mitmenschlichkeit. Das ist das Umsichgreifen von Angst und Egoismus – und Prepping, egal wie solidarisch gedacht, ist letztlich genau das. Es ist nicht so weit entfernt von dem, was der Faschismus will, denn seine Grundemotion ist Angst und sein Angebot: Es ist okay, sich nur um sich selbst und seine Nächsten zu kümmern. 

Willst du dem Rest der Welt wirklich sagen: Sorry, ich konnte nicht mehr für Klimagerechtigkeit kämpfen, weil ich mich um mich selbst kümmern musste? 

Ja, bitte, stellt euch ein paar Kilo Reis und Linsen in den Keller oder unters Bett, dazu 50 Liter Wasser und ein Radio mit Batterien, damit ihr beim nächsten Katastrophenfall den Einsatzkräften nicht auch noch zur Last fallt, sondern im besten Fall anderen helfen könnt. Und dann erkennt bitte an, dass die Lage schlimm ist, aber auch immer nur so schlimm, wie wir sie machen. Wir, das sind Du und ich. 

Klimakollaps, das ist erstmal ein Konzept. Das passiert vielleicht irgendwann in der Zukunft, und vielleicht passiert es auch nicht – weil du und ich uns umgeguckt haben, geguckt haben, was jetzt zu tun ist, und das dann gemacht haben. Weil wir das gemacht haben, was progressive Menschen immer gemacht haben.

Die Leute in der DDR haben auch nicht nach Moskau geschaut, Zeter und Mordio gerufen und sich dann in ihrem Privatleben vergraben. Die haben nachgedacht, sich organisiert, haben Mut gezeigt, und irgendwann war die Mauer gefallen und Moskau nur noch die Hauptstadt eines anderen Landes. 

Ich weiß nicht, ob wir das Gleichgewicht unseres klimatischen Systems noch retten können. Aber es ist mir mittlerweile auch ein bisschen egal, denn es ändert nichts daran, was unsere Aufgabe ist: einander die Hand reichen, und mutig nach vorne gehen Richtung einer Welt, in der alle Menschen mit Respekt behandelt werden, unabhängig davon ob es jetzt 1,5 oder 3 Grad sind. Wir haben immer die Wahl, uns abzuschotten, oder uns um einander zu kümmern.

Der Kampf ist nicht zu Ende.

Er hat gerade erst begonnen. 

Autor und Community-Organizer – das beschreibt am besten das, was ich mache, also Menschen zusammenzubringen und zu empowern, indem ich schreibe und Bewegungen baue. Wenn du dabei helfen möchtest, unterstütz mich gerne mit einem monatlichen Beitrag:


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