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So viel Reaktion, so viele und Dankeschöns kamen auf den letzten Text. Es scheint, als ginge es mit dem Kollaps mehr Menschen wie mir, und ich will’s noch mal ein bisschen ausführen, die verschiedenen Aspekte beleuchten. 

Rein sprachlich gesehen, ist Kollaps ein Vorgang, der einfach abläuft – wie aus dem Nichts. 

“Der Kollaps wird gemacht” – das ergibt sprachlich keinen Sinn, stattdessen: 

“Der Kollaps kommt.”

“Das Klima kollabiert.” 

Aber das Klima kollabiert nicht. 

Es wird zum Kollabieren gebracht. 

Was da passiert, ist kein natürlicher Prozess. Der Planet wird nicht unbewohnbar. Er wird unbewohnbar gemacht.

Ihr wisst das alles: Eine kleine Anzahl an Unternehmen macht seit Jahrzehnten unbeschreibliche Profite damit, die Atmosphäre der Erde mit Treibhausgasen zuzumüllen, und sabotiert die wiederholten Versuche, das zu unterbinden. Allen voran: Energiekonzerne, die mit Öl, Gas und Kohle ihr Geld verdienen.

Und die haben das sehr gut verschleiert. So gut, dass selbst große Redaktionen dann solch einen Schwachsinn schreiben:

"Der Planet kollabiert" (SPIEGEL)

"Wir zeigen, wie sich die Temperatur seit 1881 verändert hat" (ZEIT Online)

"Derzeit steuert die Erde nach UN-Angaben auf eine gefährliche Erwärmung um 2,7 Grad zu." (Tagesschau)

All das sind Passivkonstruktionen. Als käme das aus dem Nichts. Als würde es einfach ablaufen. Und gerade machen immer mehr Menschen in der Klimabewegung den Fehler, dieses Framing zu wiederholen, wenn sie “Kollaps” sagen. 

Es ist wie eine dicke Bleidecke, die dieses Wort über das Menschheitsverbrechen Klimakrise legt. Sie verhüllt die Milliarden, die in Lobbys fließen, um den öffentlichen Diskurs zu sabotieren, verhüllt die Lügen von Politikern wie Trump. Und sie erdrückt die Klimagerechtigkeitsbewegung. 

Man könnte meinen, was ich mache, ist Haarspalterei. Aber Sprache erschafft Realität, sie definiert unser Denken davon, wie unsere Welt funktioniert, erschafft Sinnzusammenhänge. Kübra Gümüşay gibt in ihrem Buch “Sprache und Sein” ein Beispiel:

Im Spanischen sind Brücken männlich “el puente”. Im Deutschen ist es bekanntlich “die Brücke”. Was macht das mit dem Denken der Menschen?

Spanier:innen assoziieren mit Brücken die Worte “groß, gefährlich, lang, stark, stabil und gewaltig”. Bei Deutschen sind es hingegen “schön, elegant, fragil, friedlich, hübsch und schlank.” 

Wenn ich also jetzt den ganzen Tag von Kollaps spreche, dann deckt das nach und nach die Ursache der Klimakrise zu. Dann gibt es keinen Verursacher mehr. Und dann ist es auch folgerichtig, sich zurückzuziehen, und sich “anpassen” zu wollen. 

Unabhängig davon, dass es nicht möglich ist, sich an diese Krise anzupassen: Wo bleibt da die Gerechtigkeit?

Wie wollen wir uns darum kümmern, dass die Schuldigen dieser Krise, die CEOs, Politiker:innen und ihre Lobbyscharen vor Gericht landen? Wie wollen wir dafür sorgen, dass diese Menschen für ihre Taten bezahlen – juristisch und ganz handfest? 

Denn das Geld, um an den Globalen Süden Reparationen zu zahlen, ist ja da. Genau wie die Mittel, um die Eskalation der Klimakrise noch abzuwenden. 

Kleines Gedankenexperiment: Stell dir vor, wie würden von heute auf morgen auch nur die Hälfte der Energie, die wir darauf verwenden, irgendeinen nutzlosen Konsumscheiss zu produzieren, dafür verwenden Moore wiederzuvernässen, Wälder aufzuforsten, Unmengen von Basalt verwittern zu lassen.

Stell sie dir mal vor, all die Fabriken in China, die Heerscharen von Baggern und Baumaschinen auf der ganzen Welt, die vielen Büros in Deutschland. Stell dir mal all die Menschen vor, die da jeden Tag acht bis zwölf Stunden arbeiten. Stell dir mal all diese Energie, Kreativität und Leistung vor, die dafür aufgewandt wird, Dinge tun, die Teil des Systems sind, die unseren Planeten zerstören und die Reichen reichen machen. 

Und jetzt nimm nur die Hälfte davon: mein Gott, wäre das viel Power. Mein Gott, ließe sich damit reparieren. Mein Gott, würde es dem Planeten gut gehen, und uns selbst, weil so viele das Gefühl hätten, endlich wieder etwas Sinnvolles zu tun. 

Wie realistisch das ist? 

Keine Ahnung. 

Wie realistisch war es, dass der Nahen Osten von einer Welle der Revolutionen erfasst werden würde? Ich war 2011 dabei, und was alle immer gesagt haben: “Ich hätte nie für möglich gehalten, dass das bei uns passiert.” 

Warum ist es passiert?

Nicht aus dem Nichts. Revolutionen passieren nicht einfach. Sie werden gemacht. Von kleinen Gruppen, Organizer:innen, die sich überlegen, wo man den Hebel ansetzen muss. 

Weniger als eine Revolution wird es auch in Deutschland nicht brauchen. Wir brauchen mehr Demokratie, Gesellschaftsräte, die über unsere Belange entscheiden und neu definieren, wie unsere Wirtschaft funktioniert. Reicht Deutschland? Nein, natürlich nicht. Zumindest Europa, sowie die USA und Kanada, und letztlich alle Industrienationen müssen mitziehen. 

Unvorstellbar?

Was 2011 im Nahen Osten losging, blieb ja auch nicht dort. Es passierte später auch in Südeuropa, als die Indignados die Plätze ihrer Städte besetzten und progressive Parteien gründeten. #OccupyWallstreet begann bald darauf mit nichts als einer Anzeige im Adbuster-Magazin, und plötzlich wurden überall auf der Welt Städte besetzt und es war allen klar, worum es ging: 99 vs 1 Prozent. (Lest das Buch Zukunft der Rebellion von Micah White!) 

Der Auslöser all dieser Proteste war die Finanzkrise 2008. Millionen von Menschen verloren ihre Jobs und ihre Lebensgrundlagen, während die Banker:innen zig Milliarden bekamen. Klingt ein bisschen wie die Klimakrise, oder? Die einen verlieren alles, die anderen bekommen Subventionsmilliarden. 

Und die nächste Krise steht ins Haus. Unser Wirtschaftssystem produziert sie so sicher, wie CO2. Nur das mittlerweile die Finanzblasen noch viel größer sind als damals, und wenn sie platzen, dann sind das die Momente, in denen viel, um nicht zu sagen alles, möglich ist.

Gleichzeitig sind wir Menschen vernetzter als je zuvor. Allein die Letzte Generation hat Schwesternbewegungen von Neuseeland bis Kanada – und was haben wir alle vom Phänomen Greta Thunberg gelernt: Ein Meme, eine Rede, eine gute Idee: Sowas rast um die Welt in Sekunden und kann ein Lauffeuer entfachen, Menschen auf die Straße bringen, die Verhältnisse umkrempeln. 

Und das ist es, worauf ich mich vorbereiten will: nicht auf den Kollaps, sondern auf die Revolutionen.

Revolution ist ein großes Wort. Aber bereit sein für den Moment, wenn große Veränderungen möglich sind: das ist machbar. Am 28.11. treffen wir uns mit ein paar Leuten in Berlin, um diese Gedanken weiterzuspinnen. Wenn du dabei sein willst, antworte gerne einfach per Mail auf den Newsletter. Falls du nicht in Berlin bist, schreib ebenfalls gerne – es gibt auch bald ein Onlinetreffen.

Autor und Community-Organizer – das beschreibt am besten das, was ich mache, also Menschen zusammenzubringen und zu empowern, indem ich schreibe und Bewegungen baue. Wenn du dabei helfen möchtest, unterstütz mich gerne mit einem monatlichen Beitrag:

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