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Überall schöne Menschen - 19.12.2022

Überall schöne Menschen

Gerade habe ich einen Text über das Versagen des Journalismus in der Klimakrise geschrieben und merke, wie mich das direkt wieder wütend macht. So viele Idiot:innen, die aus Ignoranz, Feigheit, Bequemlichkeit nicht endlich handeln, wie es angemessen wäre.

Wenn ich dann aufs Jahr zurückblicke, ist da gleichzeitig aber auch ganz viel Dankbarkeit.

Vorne weg für das Kernteam des Netzwerk Klimajournalismus. Wir waren super spontan vor anderthalb Jahren gestartet, ritten eine Welle, die vergangenen Monate waren dann ein Struggle, weil der anfängliche Schwung ein bisschen weg war, und wir schauen mussten, wie wir uns neu organisieren. Gleichzeitig fühlte sich fast jedes Treffen an wie ein kleines Nachhausekommen, ein Gespräch unter Menschen, die sich gegenseitig verstehen und an das selbe glauben – vielen Dank!

© RONJA RØVARDOTTER (Öffnet in neuem Fenster)

Dann hatte ich so einen Moment der Dankbarkeit vor ein paar Tagen, als ich in meiner Küche stand und auf die Schüssel mit Gemüse geguckt habe, die da auf der alten Küchenhexe steht.

Es ist so ein unglaublich fucking großes Privileg, einfach in einen Supermarkt gehen und leckeres gesundes Essen kaufen zu können. Ich liebe das, auch wenn das nicht ganz frei von Schmerz ist.

Ich weiß aus eigener Recherche, dass die Arbeitsbedingungen in Ländern wie Spanien selbst im Biobereich beschissen sind, und so gilt auch hier, dass bei jedem Schritt den ich tue, Zerstörung und Schuldgefühle mitschwingen. Die Dankbarkeit hat deshalb auch etwas Vergiftetes, sie zu spüren finde ich wichtig – trotz der Ambivalenz.

Dann habe ich in den vergangenen Wochen wieder viel gelesen, über Martin Luther King, Heinrich Böll, die Suffragetten. Über sozialen Ungehorsam und Revolten, und ich bin diesen Menschen dankbar, nicht nur für das, was sie getan haben – ohne sie würde ich nicht dieses Leben leben, das mir so viele Möglichkeiten bietet – sondern auch dafür, dass sie mir zeigen, dass Wandel möglich ist.

ElonMusk1,5GradGrenzeChristianLindnerCOP27ÖlkonzernePatriarchatLNG-TerminalsZusammenbruchderLebensgrundlagenFriedrichMerzArschlöcher – es gibt so vieles was mich verzweifeln lässt, und es hängt alles zusammen wie ein scheinbar undurchdringliches Netz. Und auch deshalb kenne ich die Momente, in denen ich sagen will: Scheisse, ist eh alles zu spät, dann jetzt lieber noch mal alles mitnehmen, nach mir die Sintflut.

Dass ich das nicht mache und im gemeinsamen Kämpfen mit anderen dann auch noch Freude finde, liegt genau daran, dass so viele vor uns diesen Weg gegangen sind. Es liegt daran, dass sie bewiesen haben, dass Wandel nicht nur möglich ist, sondern irgendwann sogar unausweichlich wird.

Falls mich in den kommenden zwei Weihnachtswochen nichts so bewegt, dass ich es gleich aufschreiben möchte, mache ich in der Zeit eine kleine Pause.

Ich wünsche dir ein paar schöne Tage und freue mich aufs nächste Jahr.

Raphael

P.S. Theresa Leisgang und ich haben vor anderthalb Jahren ein Buch übers Klima veröffentlicht. Während der Recherche haben wir eine feministische Frauengruppe in Mosambik kennengelernt, die dort vor Ort unglaubliche Arbeit leistet. Um sie zu unterstützen, hat Theresa ein Crowdfunding aufgesetzt, dort findest du auch die ganze inspirierende Geschichte der Frauen: Wachsende Hoffnung in der Klimakrise (Öffnet in neuem Fenster)

P.P.S. Die letzten paar Newsletter waren alle so dunkel, da passte es nicht so recht rein, dabei wollte ich es schon länger feiern, und tatsächlich bist du jetzt unter den Ersten, die es erfahren: Ich habe dieses Jahr meinen ersten Roman geschrieben, und kürzlich hat ein Verlag zugesagt, ihn im August zu veröffentlichen. Er handelt von Wut und Liebe, und davon, dass es die Welt verändert, wenn wir das Maul aufmachen.

© Mara Klein (Öffnet in neuem Fenster)

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