Es darf wieder geklebt werden
Als gestern bei meinem Vortrag eine ältere Frau sagte, das müsse alles eigentlich noch viel widerständiger sein, da wusste ich: Wir ziehen die richtigen Leute an.
Ihr werdet es mitbekommen haben: Die Neue Generation hat losgelegt. Wir haben den Tesla-Showroom in Berlin in AfD-Blau eingefärbt, genau wie das Hauptquartier von Müller Milch.
Warum? Weil beide dicke sind mit der AfD, weil es Widerstand gegen die unheilige Allianz aus Rechten und Reichen braucht.
Für so einen Protest müsst ihr jedoch nicht gleich einen Eimer Farbe in die Hand nehmen, ihr könnt euch auch erstmal ein paar Sticker besorgen und in den Supermarkt um die Ecke gehen.
Aber fangen wir vorne an. Was machen wir hier?
1989 setzte sich in Porto Alegre eine direktere Art der Demokratie durch. Die Stadtverwaltung gab ihren Bürger:innen echte Entscheidungsgewalt. Statt in Hinterzimmern diskutiert zu werden, wurde das städtische Budget in offenen Versammlungen verhandelt, von den Menschen selbst. Bessere Müllabfuhr, neue Buslinien, mehr Geld für Schulen: All das wurde öffentlich besprochen und entschieden. Das Konzept: partizipatives Budgetieren – und es funktionierte.
Seitdem schauen Städte auf der ganzen Welt nach Porto Alegre. Die soziale Ungleichheit schrumpfte, die Infrastruktur verbesserte sich, und vor allem: Die Menschen fühlten sich als Teil der Stadt, nicht nur als ihre Bewohner:innen. Viele sagten: Sie zahlten jetzt sogar gerne Steuern. Porto Alegre zeigt, dass Demokratie mehr sein kann als ein Kreuz auf dem Wahlzettel. Ein Träumchen. Da wollen wir hinkommen. Nicht bloß ein bisschen weniger Faschismus und Klimazerstörung, sondern eine Welt, die wir alle gemeinsam selbst gestalten.
Was wir gerade haben: Trump und Musk, Alice Weidel und Theo Müller. Die Rechten und die Reichen teilen die Macht unter sich auf. Sie scheuen dabei vor nichts zurück: Musk will zum Mars fliegen und zerstört unseren Heimatplaneten Erde. Trump droht mit Krieg. Weidel will Menschen deportieren. All das macht Angst. Aber wir können uns wehren. Wir werden uns wehren.
Dafür braucht es eine große Veränderung, eine friedliche demokratische Revolution. Mehr Macht für mehr Menschen – und zwar schnell – ist unsere einzige Chance.
Let’s go.
Revolutionen passieren, wenn der gesellschaftliche Alltag zusammenbricht. Wenn das System im großen Maßstab darin versagt, den Menschen zu geben, was wir brauchen: Freiheit und Sicherheit. Es sind die Momente, in denen das System seine Legitimität verliert, denn das müssen wir uns immer klarmachen: Du, ich, wir sind es, die in diesem System die Macht haben, also die Menschen. In dem Augenblick, wo wir aufhören, das System zu stützen, bricht es zusammen.
Ägyptens Diktator Husni Mubarak war seit Jahrzehnten an der Macht, und alle glaubten: Da bleibt er bis zu seinem Tod. Ab 2008 begannen die Lebensmittelpreise zu steigen. Zum einen aufgrund der globalen Finanzkrise, zum anderen wegen der Klimakrise. Die Menschen konnten sich ihr Brot nicht mehr leisten. Die Wut wuchs.
Eine kleine Gruppe Organizer war darauf vorbereitet. Sie hatten die Strukturen gebaut, um die Wut zu kanalisieren, und irgendwann wurde die Wut größer als die Angst vor der Polizei. Hunderttausende Menschen gingen auf die Straße, besetzten den zentralen Tahrir-Platz in Kairo, der Diktator floh aus dem Land, die Menschen feierten ihren Sieg!
Niemand hatte das kommen sehen. Die wachsende Wut war das, was man in der Literatur einen Kairos-Moment nennt. Der Moment, in dem sich eine Gelegenheit ergibt – die Organizer waren in der Lage gewesen, sie beim Schopfe zu packen.
Doch sie hatten eine Sache nicht bedacht. Sie hatten erfolgreich Widerstand geleistet. Aber sie hatten keine Strukturen gebaut, um selbst die Macht zu übernehmen. Letztlich putschte sich das Militär an die Macht. Die Revolution war vorbei.
Die Menschen in der DDR haben etwas Ähnliches erlebt. Weniger gewaltsam, aber strukturell ähnlich. 1989 überwanden sie ihre Angst und vollbrachten das Wunder, die SED zu stürzen. Zehntausende Menschen, die friedlich durch die Straßen zogen. Runde Tisch fanden sich zusammen, um darüber zu sprechen, wie ein „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ aussehen könnte. Doch diese alternativen Strukturen waren nicht stark genug, letztlich war es die CDU aus Westdeutschland, die sich den Sieg schnappte. Die Treuhand verkaufte das Volkseigentum, viele Menschen stürzten ins Nichts. Richtig widerlich. Sowas darf uns nicht passieren.
Eine friedliche demokratische Revolution braucht deshalb zwei Flügel: den Widerstand und ein eigenes, legitimes Parlament. Und beides bauen wir jetzt auf.
Das ist unser Plan:
Zuerst geht es darum, überall in Deutschland lokale Gruppen zu starten. Deshalb touren einige Menschen und ich gerade durch Deutschland und halten überall Vorträge, bringen Menschen zusammen, sehen zu, dass es losgeht mit dem Protest – das können wir schließlich richtig gut. Und dann geht es in jedem Ort los mit Protesten gegen die Rechten und die Reichen. Das kann eine Demo vor einem Konzernbüro sein, ein Die-in in der Innenstadt, um auf die Zerstörung durch die Klimakrise aufmerksam zu machen. Und wenn ihr seid wie die ältere Frau gestern in dem Vortrag, natürlich auch widerständiger. Und: es darf auch wieder geklebt werden – wenn’s denn passt.
Das Wichtigste dabei: Unsere Proteste sorgen für Aufmerksamkeit und dafür, dass mehr Menschen sich anschließen können, weil sie verstehen, dass es um alles geht, um eine Revolution, dass wir groß und langfristig denken.
Ende Mai startet dann der zweite Flügel. Wir stellen ein riesiges Kuppelzelt auf die Wiese vor dem Bundestag. Darin tagt unser eigener Bürgerrat, das „Parlament der Menschen“, und diskutiert die Frage: Wie drängen wir den Einfluss von Geld auf die Politik zurück?
Unsere Regierungen haben solche Bürgerräte in der Vergangenheit ignoriert. Das ist kein Zufall, denn wenn Menschen als Gleiche zusammenkommen, beschließen sie radikale Dinge. Dinge, die nicht mit einer Profitwirtschaft vereinbar sind. Und die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte zeigt ja: Wenn Regierungen wählen müssen zwischen dem Wohl der Mehrheit und dem Profit der Unternehmen, gewinnen immer die Unternehmen.
Dafür, dass die Beschlüsse des Parlaments der Menschen nicht ignoriert werden, dafür werden wir selbst sorgen.
Ab dem 2. Juni treffen wir uns alle in Berlin für eine Widerstandswelle. Wir blockieren die Büros der Lobbys, kleben uns auf alle Zugangsstraßen des Regierungsviertels, schauen mal vorbei in einem dieser Restaurants, in denen Politik und Wirtschaft so gerne zusammensitzen.
Entschieden. Laut. Immer friedlich. Und immer mit dem Blick nach vorne, denn wir wissen: Das hier ist kein Sprint, das ist ein Marathon.
Surfend auf den Ergebnissen des Parlaments, der Medienaufmerksamkeit und der Widerstandswelle gehen wir dann zurück in die Städte und gründen viele lokale Parlamente, bis ein demokratisches Netz unsere Gesellschaft durchzieht, und dabei wird klar:
Diese neue Demokratie, von der wir träumen, das ist nicht nur eine Sache von Verfassung, von Abstimmungen und Redelisten. Demokratie, das ist eine Art und Weise, wie wir zusammenleben, wie wir uns begegnen. Es ist eine Art, Konflikte gewaltfrei zu lösen, sich gegenseitig zu respektieren, die Magie guter Beziehungen zu spüren – zu uns selbst, zu anderen und zur Natur.
Die Revolution ist, dass wir uns befreien aus einem System, in dem es darum geht, immer noch stärker, hübscher, erfolgreicher zu sein – koste es, was es wolle. Die Revolution ist, dass wir uns einmischen und etwas Neues aufbauen. Die Revolution ist, dass wir uns gegenseitig vertrauen und füreinander sorgen.
Wie oft habe ich das im vergangenen Jahr erlebt: Fünf, sechs, sieben Fremde sitzen zum ersten Mal zusammen, alle sind schüchtern und wissen nicht so recht, nur vereint in dem Wunsch, etwas zu verändern. Sie unterhalten sich, blicken einander in die Augen, eine Idee kommt auf, sie nicken sich zu, entscheiden, das gemeinsam anzugehen, und nach einer Stunde oder zwei sind es nicht mehr einfach nur ein paar Menschen, sondern jetzt sind sie eine Gruppe, und plötzlich wächst da dieses Band, das sich so schwer beschreiben lässt, das aber alle fühlen, und das so viel mehr trägt, als fünf, sechs, sieben Menschen alleine es könnten. Dieses Band, das so vieles trägt, auch uns selbst und in Wirklichkeit: alles.
Du bist neugierig? Dann lern uns doch kennen:
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