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Mit Jesus im Widerstand - 02.11.2023

Gestern waren wir in der Ewigkeitszeit unterwegs. Wir hatten Protestmarsch, zusammen mit mehreren Pfarrer:innen und Buddhist:innen. Wie immer ging es gegen die Zerstörung der Lebensgrundlagen, aber mit mehr Tiefe als sonst.

Das mit der Ewigkeitszeit meinte Ruben Zimmermann, Theologieprofessor aus Mainz, als eine Antwort auf die Polizei, die drängelte, weil sie uns nach 90 Minuten von der Straße haben wollte. Wir protestierten singend, betend, meditierend auf dem Ku‘damm, und der Normalwahnsinn unserer Gesellschaft trat noch mehr hervor – diese endlose Geschwindigkeit, die Vereinzelung, der blinkende Konsum. Ein Satz, der aus unseren Reihen fiel, den ich besonders mochte, war: Auch Jesus hat damals zivilen Widerstand geleistet.

Später saßen wir noch in einem Café zusammen, und Ruben sagte: Das frühe Christentum sei auch deshalb so erfolgreich gewesen, weil es eine neue, positive Geschichte angeboten und gelebt habe. In den kleinen Gemeinschaften fielen die Schranken zwischen Sklav:innen und Herren, zwischen Männern und Frauen, es galt ein neues Verständnis der Welt. „Evangelium“ heiße schlicht „gute Nachricht“.

Ich habe das Gefühl, ich verfalle hier beim Schreiben gleich selbst in so einen Kirchensingsang, aber was ist unsere gute Nachricht?

Wir definieren uns ex-negativo: Mit uns gibt’s keine Klimakrise. Aber was gibt’s mit uns? Solarpanele und vegane Wurst von der Rügenwalder Mühle?

Klimagerechtigkeit tragen wir – aufgepasst, Witz! – wie eine Monstranz vor uns her, aber was bedeutet das eigentlich?

Für manche hat’s den Bezug zum Globalen Süden. Andere wollen Strafen für die Ölkonzerne. Das Bundesverfassungsgericht sieht es intertemporal: Es ist ungerecht, wenn die Anpassungslasten auf die nächste Generation geschoben werden.

Mir fallen noch mindestens vier, fünf weitere Formen der Gerechtigkeit ein, die auf die Klimakrise zutreffend sind, und vielleicht sind sie alle richtig. Aber wenn man nicht wählt, wird es auch beliebig, und wir sind ja weit davon entfernt, zu wählen: Wir sprechen ja noch nicht mal systematisch darüber. Zumindest wüsste ich nicht, wo diese Gespräche gerade stattfinden.

Aber Gerechtigkeit ist eine Schlachtlinie. Es gibt Opfer und Täter:innen. Es gibt Rächer:innen. Es gibt Klarheit.

Gerechtigkeit ist ein Element, das der ökologischen Klasse hilft, die Welt zu sortieren. Sie ist ein Kompass auf der gesellschaftlichen Landkarte. Gerechtigkeit stellt uns in die Tradition eines jahrtausendealten Kampfes. In die Ewigkeit. Auch wir müssen wieder für Gerechtigkeit kämpfen. Oder besser noch: wir dürfen.

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