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Sichtbarkeit, Kapitalismus und Regenbogen

Hallo ihr lieben Mitlesenden,

Ich melde mich mal wieder mit einem monatlichen Update, vergleichsweise spät in diesem Monat. Es ist echt viel los. Viel passiert bei Queermed, aber auch bei mir privat, weswegen wir direkt mal einsteigen:

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Re:Respekt oder Queermed erstes Offline Event!

Am 24.08. August war es soweit und es hat die erste Veranstaltung on "Re:Respekt stattgefunden"

Fotoquelle: Fadi Elias, In-Haus e.V.

Für mich war es persönlich ein sehr aufregender Abend, denn ich hatte keine Einschätzung, wie viele Menschen tatsächlich vorbeikommen würden. Dennoch war ich überrascht, dass alle Sitzplätze belegt waren und sogar einzelne auf dem Boden Platz nehmen mussten, die etwas später gekommen sind. Bei meiner allerersten Moderation machte mich vor allem nervös, dass so erfahrene Gäst*innen wie Oyindamola Alashe und Mertcan Usluer dabei waren. Es freute mich dabei umso mehr, wie gut das Gespräch zwischen uns dreien lief und allen Anschein nach vom Publikum ebenfalls positiv aufgenommen wurde.

Die Gespräche, die sich nach dem Panel entwickelt haben, vor allem durch viele Menschen, die zum ersten Mal von Queermed gehört und zu dieser Veranstaltung gefunden haben, haben mich sehr gefreut. Der offene Workshop, in dem Menschen ihre Forderungen ans Gesundheitswesen äußern sollten, wurde ebenfalls rege genutzt:

Fotoquelle: Fadi Elias, In-Haus e.V.

Natürlich habe ich auch Erfahrungen gemacht, die beim nächsten Event besser laufen sollten:

Gerne würde ich mehr Kontrolle abgeben. Sich um den thematischen Verlauf eines Veranstaltungsabend zu kümmern ist eine Sache, sich aber davor noch um Verpflegung, Raumvorbereitung, Werbung offline / online, Raumanfrage, Panelist*innenanfragen und und und zu kümmern neben den bisherigen Tätigkeiten von Queermed zu kümmern war echt zu viel. Es hatten zum Glück Menschen mitgeholfen. Gleichzeitig sind einzelne abgesprungen, was mich dann in der Vorbereitung und am Abend zu viel Energie gekostet haben, was ich in den Tagen und Wochen danach noch gespürt habe. Es wäre schön, wenn sich Leute melden würden, die tatsächlich gerne regelmäßiger bei Queermed dabei wären und unterstützen möchten. Bisher waren es immer nur einzelne, kurzweilige Unterstützungen. Diese möchte ich nicht klein reden, denn es war alles wertvolle Hilfe. Dennoch liegen sehr viele Aufgaben bei mir um die sich längerfristig gekümmert werden muss und wenn Queermed weiter und besser wachsen soll, braucht es Leute, mit denen ich regelmäßig sprechen und Aufgaben koordinieren kann, die ich hoffentlich irgendwann nicht mehr eigenständig erledigen muss.

Der Zuspruch und der Wunsch nach einer zweiten Veranstaltung war groß, deshalb fangen jetzt schon langsam die Pläne an, eine zweite offline-Veranstaltung nächstes Jahr zu organisieren. Wir werden sehen!

Der aktuelle Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz

Wie ihr vielleicht mitbekommen habt, haben wir einen ziemlich "bescheidenen" Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz erhalten, der sehr viele problematische Punkte beinhaltet. Deshalb haben sich viele Aktivist*innen, Organisationen, Journalist*innen und andere Menschen zusammen getan um eine Petition zu starten. Wir wollen, dass der Entwurf nochmal angepasst wird, denn wir fordern ein respektvolles Selbstbestimmungsgesetz.

Sobald wir 30.000 Unterschriften haben, muss sich der Bundestag mit der Petition befassen. Aktuell sind wir bei etwa 15.000. Deshalb wäre es sehr toll, wenn ihr diese Petition in euren Bubbles auch teilen könntet:

https://innn.it/jazuselbstbestimmung (Öffnet in neuem Fenster)

Preise, Nominierungen und Tokenism

Vielen Dank an alle, die bei den letzten Abstimmungen teilgenommen haben.

Am 21.11. erfahre ich für den Beyond Gender Award, ob ich eventuell für meine Kategorie gewonnen habe. Also noch etwas länger Daumen dafür drücken.

Bis zum 6. Oktober kann noch beim Brand New Bundestag abgestimmt werden, wo ich im Namen für Queermed nominiert worden bin in der Kategorie "Community Heroes" für den Progressive Held*innen Award:

https://brandnewbundestag.de/progressiver-heldinnen-award/ (Öffnet in neuem Fenster)

Eine Nominierung, die im Nachhinein sehr viel gebracht hat, war beim Kultur- und Kreativpilot*innenprojekt. Dies wird von der Bundesregierung initiiert und von allen diesjährigen Bewerbungen, knapp 500, wurden circa 100 ausgewählt um an den Jurygesprächen teilzunehmen. Diese haben in mehreren großen Städten in Deutschland und online stattgefunden.

Meine Jurygespräche haben letzte Woche Dienstag stattgefunden und ich war sehr aufgeregt. Jedoch war ich sehr positiv überrascht, was für ein Konzept dahinter lag, was uns am Tag selbst noch einmal kurz vorgestellt wurde.

Gewinnen können pro Jahr 32 Projekte und selbst mit Bestbewertungen innerhalb der Juryrunden kann es immer noch sein, dass aufgrund demografischer Kriterien ein Projekt nicht gewinnt. Das ist dem geschuldet, dass sie schauen wollen, dass bspw. alle Bundesländer vertreten sind und alle unterschiedlichen Bereiche innerhalb der Kultur- und Kreativbranchen. Was ich sehr fair finde. Was ich auch sehr gut fand, war die Tatsache, dass wir am Tag selbst eine Awareness-Person hatten, an die wir uns jederzeit wenden konnten, falls etwas innerhalb der Gespräche stattgefunden hat, mit dem wir uns nicht wohl fühlen. Das Thema Awareness sehe ich bei heteronormativen Veranstaltungen noch viel zu selten. Klar ist natürlich auch, dass sich die Frage stellt: "Was passiert denn bspw. im Fall X? Würde tatsächlich eingegriffen werden? Wie viel Entscheidungsmacht hat die Awareness - Person oder das Team?" Aber die Tatsache, dass es diese Person gab, hat mir sehr viel Angst genommen, mich in einem sehr heteronormativen Raum bewegen zu müssen.

Die Gespräche selbst haben mich aber auch sehr überrascht. Ich dachte, sie würden wie Elevator-Pitches, wie wir sie aus der Start-up Szene kennen, verlaufen. Falsch gedacht. Es waren wirklich interessierte, wohlwollende Gespräche auf Augenhöhe. Alle sind mir entgegen gekommen mit einem immensen Interesse und einer Freude, dass sie mit mir reden konnten. Es waren rein interessierte Fragen, gute Fragen. Sie wollten natürlich feststellen, wie viel Gedanken ich mir zu Queermed aus unternehmerischer Seite gemacht habe. Denn Queermed soll ja auch wachsen, mehr Menschen erreichen. Und was ist mit der Entlohnung der eigenen Arbeit, damit es nicht auf Ewig ehrenamtlich bleibt? Alleine mit so vielen verschiedenen Menschen sprechen zu können hat sich sehr gelohnt. Deshalb kann ich es nur jeder Person empfehlen, sich dort wenigstens nächstes Jahr zu bewerben:

https://kultur-kreativpiloten.de/ (Öffnet in neuem Fenster)

Jetzt heißt es bis etwa Mitte Oktober auf den Anruf zu warten.

Jetzt haben diese drei "Nominierungen" zum Teil schon stattgefunden und ich war bei jedem Mal überrascht, für welches Publikum es tatsächlich ist. Was mich auch überrascht hatte war die Tatsache, dass 2 von 3 erwarten, auf eigene Kosten zu Preisverleihung und Co anzufahren und zu übernachten. Was bei den aktuellen Ticketpreisen und Übernachtungskosten in Hamburg und Berlin nicht gerade wenig ist.

Awareness-Konzepte sind auch weiterhin sehr neu, sollten aber auch vor allem in heteronormativen Kreisen mehr Aufmerksamkeit bekommen. Denn es können bewusst Leute solchen Veranstaltungen oder Preisen verbleiben, die sich nicht sicher fühlen. Wie ich mich fühlen werde, wenn ich Ende November in Hamburg bei der Preisverleihung zum Beyond Gender Award sein werde, weiß ich noch nicht. Ich werde aber versuchen, meine Zeit in Hamburg so gut es geht um dieses Event herum zu nutzen.

Nicht-Deutsche Namen werden immer noch gerne mal falsch geschrieben. Und selbst in queeren Kreisen passiert Misgendering immer noch sehr häufig.

Was diese Preise am Ende wirklich bringen und ob ich und andere Menschen mit Diskriminierungserfahrung nicht einfach zu Tokens gemacht werden, kann ich noch nicht sagen. Was wir als nominierte Personen und Organisationen machen können, uns eben nicht zu Tokens machen zu lassen sondern die Reichweite und Bühne(n) dafür zu nutzen, um auf unsere Arbeit und die Notwendigkeit dieser hinzuweisen. Dazu kommt hoffentlich mehr in den nächsten Newsletter, was ich mit euch teilen kann.

Offene Briefe, deren Zielsetzung und Wirksamkeit

Ich wurde im vergangenen Monat angefragt ob ich mich an einem offenen Brief beteiligen möchte. An sich hatte ich kein Problem mit der Anfrage, jedoch war ich dann schrittweise etwas überrascht wie es weiter verlaufen ist, weshalb ich hier meine Erfahrungen teilen wollte. Was ich aber vermeiden möchte ist der Person oder der Organisation unnötige Aufmerksamkeit zu generieren. Denn es gibt weitaus mehr Organisationen, die diese Aufmerksamkeit brauchen.

Hier nur eine grobe Zusammenfassung der meiner Meinung nach problematischen Punkte

  • der Brief war in reiner Ich-Form, meiner Erfahrung nach untypisch für einen kollektiv unterzeichneten offenen Brief

  • die im offenen Brief angesprochenen Punkte drehten sich hauptsächlich darum, dass Vereine auch Geld erhalten sollten, wenn Unternehmen an Prides teilnehmen. Im Grunde ein Ablasshandel?

  • es wurde nicht geklärt was mit Unternehmen ist, die auf Prides unterwegs sind, aber gleichzeitig Spenden an queerfeindliche Parteien abgeben. Ist das am Ende sowieso nur eine Image-Sache?

  • es fehlte der Bezug auf die steigende Gewalt (und was überhaupt Polizei und Sicherheitsleute auf den Prides tun, wenn die Sicherheit der Teilnehmenden nicht garantiert werden kann)

  • der Bezug warum viele Gruppen immer noch auf Prides ausgeschlossen werden bzw. nicht sicher sind. Weswegen sich auch immer mehr alternative Prides gründen (trans Pride, Dyke Marches, Black Pride, Disability Pride, Radical Pride usw.)

  • Viele Prides sind immer noch nicht mal ansatzweise barrierefrei

Dieses Feedback hatte ich geteilt, jedoch fand es nicht wirklich auf Resonanz, da die eigenen, individuellen Erfahrungswerten im Vordergrund zu stehen scheint. Fair enough, aber da musste ich absagen.

Der Brief wurde veröffentlicht und erhielt gerade in der Linkedin-Bubble große Resonanz. Soweit, so Linkedin.

Woran ich mich aber störte war die Tatsache, dass das Thema dieses offenen Briefs auch auf Instagram geteilt wurde und dort in einem Kommentar vom Ersteller des Briefs erwähnt wurde, dass die Leute sich ja nicht trauen würden und es so dringend wäre, solche Themen offen anzusprechen.

Was ich absolut frech fand. Nicht nur, dass Leute, die es tatsächlich betrifft, dass ihre Prides nicht mehr für sie da sind sondern für die kapitalistischen Firmen, ihr Mut abgesprochen wird. Die Person selbst hat sich in dieser Formulierung und der Positionierung als "Retter in der Not" gesehen.

Dabei brauchen wir mehr als nur weiße cis-männliche Sichtbarkeit. Wir brauchen Sichtbarkeit für unsere queeren, trans*, inter*, Schwarzen, behinderten, geflüchteten, in der Sexarbeit tätigenden Geschwister. Diese Menschen sollten sich auf den Prides willkommen fühlen, Teil von ihnen sein, mit bestimmen können, was dort passiert. Nur leider ist es in der queeren Community noch häufig, dass sie unsichtbar gemacht werden und dass einem Teil der Community nicht klar ist, welch immense Privilegien sie aufgrund von Race, Class oder Gender haben. Aber diese für die mehrfachdiskriminierten der Community zu benutzen, also Menschen ohne diese Privilegien, scheint häufig nicht mehr relevant zu sein.

Und es zeigt das Unverständnis, dass Kapitalismus, Patriachat, Rassismus und Queerfeindlichkeit alles miteinander zusammen hängt. Wer eine sichere Welt für queere Menschen haben möchte, der kann nicht an den Kapitalismus oder an das Patriachat glauben. Und dazu gibt es Menschen, Bücher und Diskurse seit Jahrzehnten, die genau das sagen. Genug Studien, die das belegen, eben auch.

Dementsprechend habe ich mit Kommentar geantwortet, als Privatperson, in dem ich meine Schockiertheit über die getroffenen Aussagen und die fehlenden Aspekte, dass sich nicht alle auch in ihrer Meinungsäußerung und Sichtbarkeit sicher fühlen können, erklärt habe. Denn nicht umsonst schaffen sich die Menschen, die auf den kommerziellen Prides nicht willkommen und sicher sind, ihre eigenen Räume, ihre eigenen Prides. Und das schon seit Jahren.

Ich habe gesehen, dass mein Kommentar auf Instagram immer mehr likes erhalte hatte, aber keine Reaktion gekommen ist. Weder privat, noch öffentlich. Stattdessen wurde der Post aus dem Kanal der Organisation entfernt. Was eine eher sehr ernüchternde Reaktion ist.

Für mich ist das Thema dahingehend abgeschlossen.

Ich möchte der Person keine Bühne hier öffentlich geben, da es viel mehr Menschen gibt, die tolle und wertvolle Arbeit leisten, über die gesprochen werden sollte. Was mich zum letzten Thema des Newsletters bringt.

Queermed friends

episode 8 hug GIF

Auf Instagram und Linkedin werden aktuell in mehreren Posts die Menschen und Organisationen vorgestellt, die Queermed unterstützen als auch vice versa. Es sind auch die tollen Künstler*innen dabei, die die Steady-Dankeschöns mit tollen Stickern und Kunst versorgen.

Darunter gehören aber auch mehrere Beratungsstellen, die mit Queermed jetzt zusammenarbeiten und ihre eigenen Empfehlungen in das Verzeichnis einspeisen. Diese Empfehlungen werden aber auch entsprechend transparent gekennzeichnet.

Ihr findet alle Queermed friends hier:

https://queermed-deutschland.de/friends/ (Öffnet in neuem Fenster)

Hier könnt ihr euch den ersten Post auf Instagram anschauen:

https://www.instagram.com/p/CxK7_piMR1f/?utm_source=ig_web_copy_link&igshid=MzRlODBiNWFlZA== (Öffnet in neuem Fenster)

Die nächsten Teile werden bald auch auf Social Media geteilt.

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Wir haben nun das Ende diesen langen Septembermonats erreicht.

Falls ihr nach dem ganzen Text lieber etwas hören möchtet, hier die letzte Podcastfolge mit mir bei Ganz schön laut mit Ninia LaGrande.

https://open.spotify.com/episode/7qvx1gIpfCJT797s0hw268?si=727fe731c6504a49 (Öffnet in neuem Fenster)

Passt aufeinander auf und wir hören uns hoffentlich bald wieder.

Falls ihr Feedback, Anregungen und mehr habt, meldet euch gerne jederzeit! Und bitte seit immer 100% direkt und ehrlich (aber immer noch nett :D ), denn ich möchte es auch gerne mit euch sein.

TV gif. The Golden Girls all bring it in for a group hug. Team on three! ...Or four.

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