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Wort zum Sonntag: Feminismus, sächsischer Frauengesprächsabend und Holunderlimo

Es ist Mittwoch, oder? Halt, Stopp. Wenn du möchtest, lies das hier erst am Sonntag. Ich hab mir vorgenommen, diesem Account hier endlich eine Rubrik zu geben.

Vielleicht bist du genau so selten wie ich im Gottesdienst, warum auch immer. Vielleicht hast du 5 Minuten bei deiner zweiten Tasse Kaffee oder auch abends, wenn der Montag vorbereitet ist und du dich in dein Bett kuschelst.

Dieser Ort hier, das ist ein besonderer, denn ich teile hier immer ein Stück aus meinem Leben, das ich sonst mit niemandem teile. Noch sind wir nicht so viele hier, irgendwie auch ganz schön. Wir sind auch nur Frauen. Ein eigener Frauengesprächskreis quasi. Auch witzig. Ein Stuhlkreis, wie man ihn in christlichen Kreisen so kennt. Nur, dass wir über Bildschirme verbunden sind.

Heute ist Dienstag Abend. Mein Handy möchte nicht mehr laden und ich habe für unsagbar viel Geld gerade ein neues kaufen müssen. Das war ungeplant heute, ich schreibe mir nun also etwas Frust von der Seele. Bist du soweit?

Das Wort zum Sonntag hat diese Woche mit einem Erlebnis zu tun, das ich vergangene Woche hatte. Für eine sächsische Zeitung reise ich ganz viel durch Sachsen. Das ist anstrengend und auch ein bisschen aufregend. Ich bin ständig an neuen Orten, lerne neue Menschen kennen und lerne ganz viel Neues, weil mir die Leute natürlich von ihren Projekten erzählen. Manchmal wird es mir auch zu viel, seit einigen Tagen habe ich Kopfweh vom Auto fahren. Vielleicht müsste ich mal meine Brille checken lassen.

Letzte Woche war ich auf einem sächsischen Dorf und dort bei einem Frauengesprächsabend. In einer kleinen Kirche. Ich hatte keinerlei Erwartungen. Ich hoffte auf Kekse und das es nicht so lang dauern möge. Die Pfarrerin betrat den Raum mit ihrer Gitarre und ich wunderte mich, denn sie sah aus wie eine coole Hippiebraut. Wie eine coole, super authentische, schöne Frau mit Festivalbändern, Zehenringen und einem lauten Lachen. Es kamen noch ungefähr 8 weitere Frauen im Alter von, ich sag mal, hauptsächlich 50 oder 60 plus. Bis auf eine. Wir tranken Prosecco und frische Holunderlimo vom Biohof und es gab zum Glück auch Erdnussflips. Wir sangen. Wir diskutierten über Gottesbilder. Erst etwas gemächlich, dann hitziger. Nämlich dann, als die Pfarrerin einwarf, dass unser Gottesbild doch eher aufgrund unserer Sprache männlich geprägt ist. Alle stimmten zu, es wurde eine feministische Diskussion. Und ich hörte mich sagen: “Es ist doch so, wir Frauen sind zu viel fähig, aber in der Zeit der Romantik wurde das Verwalten des Haushalts zu einem Privatvergnügen, die Frau zur Hausfrau und ihre Schwangerschaft und das Aufziehen der Kinder wurde politisch. Frauen hatten schlichtweg keine Zeit mehr, um großartige Dinge und Kunstwerke zu schaffen. Daher sind sie unsichtbar.” Eine ältere Dame schnaubte: “Nein, dem muss ich widersprechen. Frauen konnten schon immer viel, sie haben trotz dessen große Dinge geschaffen! Weil wir fähiger sind und einfach schon immer Beides machen mussten!” Andere stimmten ihr zu.

Ich verstummte. Fühlte mich missverstanden.

Und dachte an Clara Schumann, die als Frau tatsächlich großartige Kunst schaffte, weil sie eine so fortschrittliche Ehe führte, in der ihr Mann den Haushalt wuppte. Andere Frauen schafften vielleicht Großes, aber es wurde unter einem männlichen Namen veröffentlicht.

Ich würde sagen, dass ein System Männer bestärkt hat. Der Franzose Jean-Jacques Rousseau bezeichnete Kinder plötzlich als etwas Kostbares. Ein Mensch, der nicht mehr als Sünder auf die Welt kam, sondern von Natur aus gut war. Er sagte auch, dass der Mann dazu geschaffen sei, die Welt zu erkunden, während die Frau zu ihrer mütterlichen Natur zurückkehren solle und ausschließlich für die Kinder da sein sollte, damit diese gute Staatsbürger werden würden. Nun war das Argument nicht mehr die Bibel, sondern die Natur. Rousseau schrieb auch einen Erziehungsratgeber und darin, dass nur eine Mutter mit Charaktereigenschaften wie „Geduld und Sanftmut“ als Kümmerin infrage käme. Frauen sollten neben der Fürsorge für die Kinder auch die Männer trösten und ihnen ads Leben angenehm machen und versüßen. Rousseaus Schriften verbreiteten sich in ganz Europa und hatten einen großen Einfluss auf das Mutterbild. Gute Mütter würden auch gute Staatsbürger gebären, so die Theorie in der Aufklärung. Damit wurde der Körper der Frau politisch und Geburt und Kindererziehung lagen im Interesse des Staats. Die Aufklärer wollten, dass Frauen ihren Ehemännern zu Gehorsam verpflichtet warne. Sie sollten nicht wählen und auch ihre Berufswahl wurde reglementiert. Begründet wurde das mit einem kleineren Gehirn und damit, dass sie hormonell bedingt nicht so gut Politik machen könnten. Dies mal als geschichtlich kurzer Abriss, der aus dem Buch “Mythos Mutterinstinkt. Wie moderne Hirnforschung uns von alten Rollenbildern befreit und Elternschaft neu denken lässt”, entnommen ist.

Und dann muss ich an die Physikerin Lise Meitner denken und an Rosalind Franklin, die keinen Nobelpreis bekommen haben. Und ich denke, dass diese Frauen tatsächlich viel geleistet haben und nicht gesehen wurden. Vielleicht liegt es doch nicht so sehr an der eigenen Erschöpfung oder der Zeiteinteilung, sondern vielmehr am Patriarchat?

Ja, mag sein, denke ich. Im Großen und Ganzen mag das stimmen, aber für mich persönlich weiß ich, dass ich nur arbeiten und veröffentlichen kann, weil mein Mann mir seit einigen Jahren den Rücken freihält und ich ihn aber auch viel mehr lasse und mich nicht mehr so sehr an Aufgaben klammere. Und er greift selbstverständlich zu. Er versucht seine Termine so zu legen, dass er die Kinder fahren kann und ich mache das inzwischen nicht mehr jedes Mal.

“Wir Frauen sind besser”, sagen einige der älteren Damen quasi. Und ich schüttele den Kopf. Das klingt etwas verbittert? Ich finde, wir Frauen mussten gesellschaftlich in eine Lücke springen, die uns vorgefertigt wurde und weil die Philosophen dachten, es würde einen Mutterinstinkt geben (den es nach neuen Forschungen nicht gibt). Wir Frauen sind nach der Geburt rein hormonell und auch neurologisch darauf eingestellt, ein Kind zu versorgen und trotzdem lernen wir es, Mutter zu sein. Und wir können, das ist das Wunderbare, lernen, die Mutter zu sein, die wir gern sein wollen und müssen uns nicht dafür komplett aufgeben.

Ich trinke köstliche Holunderlimo an dem Abend, lausche den Grillen im Pfarrgarten und denke darüber nach, wie fürchterlich laut Feminismus schreien kann und wie viel schöner es doch wäre, wir würden selbstverständlich unseren Platz einnehmen als Frauen und dafür einstehen, dass wir gesehen und gehört werden.

“Jesus hat eine Feministin aus mir gemacht”, schreibt Sarah Bessey. Denn das Patriarchat ist nicht Gottes Traum für die Menschheit und wir sind dazu aufgefordert, nein, eingeladen, alle gemeinsam Teil an Gottes Reich zu haben. Dafür muss ich mich nicht mit Männern vergleichen, geschweige denn diese abwerten, sondern ich kann ganz sicher meinen Platz in diesem Leben einnehmen.

Gerade komme ich von einer Reportage wieder aus Pirna, 1,5 Stunde Hin und Rückfahrt. Ich bin müde. Heute brauche ich Gottes Gnade für all den Aufgabenberg, der noch vor mir liegt in den kommenden Wochen und meine Aufmerksamkeit braucht. Und ich denke: Am Ende bleibt doch genau das, oder? Gottes Gnade.

Die Gewissheit, dass ich an dem Platz bin, an dem er mich haben möchte.

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