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NOMADS KAPITEL 7

Am Tag seiner Abreise lag das Land unter einer dichten Schneedecke. Der Abschied von seiner Familie fiel kurz und nüchtern aus. Sein Vater wünschte ihm alles Gute und legte ihm für einen Moment die Hand auf die Schulter.
Seine Mutter lächelte gequält. „Pass gut auf dich auf.“ Es war ihr anzusehen, wie sehr sie gegen die Tränen ankämpfen musste. Dominics Schwestern brachten kein Wort hervor und der kleine Billy rannte zurück ins Haus, als er sich von ihm verabschieden wollte.
Benjamin hatte den Quadroschrauber mit den zwei Sitzen vorbereitet, um seinen Bruder zurück zur Sammelstation nach Preston zu bringen. Die Fähren, die die Soldaten und Rekruten aus diesem Landesteil aufnehmen sollten, würden sie dann zu den großen Stützpunkten bringen. Der Flug von Preston nach Albuquerque, war für den späten Abend terminiert, aber die Registrierung der Passagiere fand am frühen Nachmittag statt. Dominic graute davor, die ganze Zeit in den sterilen Räumlichkeiten des Stützpunktes verbringen zu müssen.
Der Quadroschrauber mit seinen vier Rotoren landete auf dem Parkplatz des Flottenareals, auf dem viele andere Fahrzeuge herumstanden.
„Da wären wir also“, seufzte Benjamin. „Zeit, die Welt zu retten, kleiner Bruder.“
„Ich hätte es mir fast anders überlegt und wäre bei euch geblieben.“ Er sah zum Tor der Sation hinüber, wo die Wachen in ihren grauen Panzeranzügen standen. „Ich denke, du tust genau das Richtige.“
„Und ich denke, du tust noch immer das Falsche.“
„Jeder nach seiner Fasson.“ Dominic griff sich seinen Rucksack und öffnete die Plexiglastüre, die nach oben schwenkte. „Ich wünsche dir alles Gute.“
„Wünsche ich dir auch. Und sieh zu, dass du bald wieder Urlaub bekommst. Am besten im Sommer. Es wimmelt von Fischen in den Seen und Flüssen.“
„Mache ich.“
Sie schüttelten einander die Hände, dann verließ Dominic das Fahrzeug und ging auf die Pforte zu, während der Quadrokopter mit brausenden Rotoren abhob und davonflog.
Der Wachmann an der Pforte sah sich Dominics Soldatenpass an und schickte ihn in das dreistöckige Gebäude, das dem Flugfeld vorgelagert war und in dem er sich seine Befehle abholen konnte. Hinter dem Counter am Eingang der Station saß ein Mann, der ihn informierte, er würde der Zora zugeteilt. Einem kleinen Zerstörer, der unter dem Kommando von Captain Daniel Perk stand. Die Fähre, so erklärte er weiter, die die Rekruten und Offiziere zu den Raumhäfen im Süden des Landes brachte, würde am frühen Abend eintreffen. Es gab also noch genügend Zeit, Wände und Decken anzustarren oder die illustrierte, elektronische Ausgabe des »Patriot« mehrere Male durchzulesen.
Dominic betrat den großen Warteraum, mit seinen Stuhlreihen, vor dem breiten Panoramafenster, hinter dem sich das Flugfeld erstreckte. Ein junger Mann saß in der kleinen Halle und las eine Zeitschrift aus Media-Fol Papier, mit vielen animierten Illustrationen. Bunte, vom Militär genehmigte Werbeanzeigen, die unterschiedliche Waffensysteme zeigten, bedient von attraktiven, jungen Mädchen in spärlicher Bekleidung. Der Mann besaß ebenfalls den Rang eines Offiziersanwärters, der die Grundausbildung absolviert hatte. Die beeindruckende Anzahl von Fertigkeitsauszeichnungen, die auf seiner Brust prangten, konnte sich mit der von Dominic messen. Er war von schlanker Statur und besaß ein ovales Gesicht mit dunklen Augen. Das braune Haar war auf wenige Millimeter gestutzt, bis auf den angedeuteten, blaugefärbten Irokesen-Kamm.
„Sieht so aus, als hätten wir es eilig zum Einsatz zu kommen“, meinte der Offiziersanwärter und sah auf die Uhr an der Stirnseite des Raumes. „Offenbar will man unseren Eifer ausbremsen. Wir könnten schon im Einsatz sein, so früh wie wir hier aufgetaucht sind.“
Dominic stimmte ihm zu. „Keine Ahnung, wie ich die nächsten Stunden überstehen soll.“
„Dafür habe ich auch keinen Plan.“ Er streckte die Zeitschrift von sich und betrachtete eine der Illustrationen etwas genauer, woraufhin er den Kopf schüttelte und das Heft weglegte. „Ich nehme an, dann haben wir denselben Weg.“
„Ach ja?“
„Sieht so aus. Ich muss auch nach Albuquerque. Es geht nur eine Fähre heute und die fliegt dort hin. Bin der Zora zugeteilt.“
„Ist auch mein Schiff“, freute sich Dominic, mitteilen zu können. Er kam näher und sie schüttelten sich die Hände. „Dominic Porter.“
„Zyrus Korren. Man nennt mich auch Zy oder Zyko.“
„Ich war die letzten zwei Jahre auf der Sheldon“, erzählte Dominic. „Wir haben die Marsaußenposten und einige Habitate evakuiert.“
„Ich durfte Konvois begleiten. Auf der Scotia.“
„Schon mal was mit Plünderern oder Piraten zu tun gehabt?“
Korren schüttelte den Kopf. „Du?“
„Nein“, antwortete Dominic und wusste nicht, ob er darüber glücklich sein oder es bedauern sollte. Es gab leider nichts, was er anführen konnte, um damit anzugeben. Dominic dachte an seinen Bruder und was er sagen würde. Er hätte bestimmt sarkastisch angemerkt, was sie doch für großartige Krieger seien und dass er sich nicht einbilden solle, man würde ihm eines Tages ein Denkmal setzen.
„Unser bisheriger Lebenslauf sieht nicht nach Ruhm und Heldentaten aus“, sagte Dominic, als wären es die Worte seines Bruders.
„Bin auch gar nicht scharf darauf“, entgegnete Zyrus Korren. „Ehrlich nicht. Von mir aus könnte es ewig so weitergehen. Ruhiger Dienst. Menschen helfen. Genug zu essen und eine warme Unterkunft. Das alles ist weit mehr, als viele andere haben.“
Dominic kam zu dem Schluss, es mit einem Pragmatiker zu tun zu haben. „Ja, das ist immerhin etwas.“
„Aber ich denke, mit der Ruhe ist es jetzt vorbei, wenn wir auf die Zora kommen.“
„Wieso?“
„Perk gilt als Querkopf“, erklärte er Dominic, als wundere er sich darüber, dass ihm noch nichts davon zu Ohren gekommen war. „Hat immer Probleme mit seinen Vorgesetzten. Setzt sich gerne über Befehle hinweg oder legt sie aus, wie er es braucht. Ist ständig Gesprächsstoff in der Flotte.“
„Dann kann es tatsächlich spannend werden.“
Korrens Miene verriet sein Unbehagen bei dieser Aussicht. „Bist du ein Abenteurer?“
„Ich langweile mich nicht gerne.“
„Ich schon“, meinte er lapidar. „Bleibt Zeit für eigene Gedanken. Nichts ist nerviger, als sich mit den Problemen oder Idealen anderer herumschlagen zu müssen. Und dafür vielleicht noch die Haut zu riskieren. Ich hoffe, Perk hält sich in Zukunft zurück.“
Ein Freigeist, ergänzte Dominic zu seiner vorherigen Schlussfolgerung. Ein pragmatischer Philosoph, den es in die Reihen des Militärs verschlagen hatte. Ein denkbar ungünstiger Ort für diesen Menschenschlag.
Der Nachmittag zog sich dahin. Zeitweilig löste sich der Nebel auf und die Sonne schien. Dann trübte es sich wieder ein und es begann zu schneien. Die Dämmerung kam im Dunkel eines heftigen Schneegestöbers. Positionslampen auf dem Flugfeld leuchteten auf, wie winzige Sonnen in der heranziehenden Nacht. In ihren Lichtkegeln, die wie Lanzen in den schwarzen Himmel stachen, wirbelten die Schneeflocken. Ein paar Räumfahrzeuge fuhren über die Landeplätze. Sie schoben Massen von Schnee beiseite oder frästen sich durch das Weiß.
Korren stellte sich zu Dominic an das Fenster und reichte ihm einen heißen Kaffee in einem Papierbecher.
„Wenn es zum Mars geht“, sagte Korren, nachdem er vorsichtig an seinem Becher genippt hatte, „sehen wir wärmeren Tagen entgegen. In der Äquatorgegend hat es jetzt um die dreißig Grad. Überall in der bewohnbaren Zone gibt es angenehme Temperaturen.“
„Der Mars“, wiederholte Dominic. „Eine langweilige Welt, nach allem, was ich gehört habe. Keine nennenswerten Jahreszeiten. Ein endloser, rostiger Frühling mit warmen und wärmeren Tagen.“
„Ach was.“ Zyrus Korren schlürfte an seinem Kaffee. „Man muss nur genau hinsehen. Ich sehe gerne genau hin. Und dafür braucht man Zeit. Ideal für jemanden, der sich gerne langweilt. Ich kann stundenlang genau hinsehen.“
In diesem Moment kam eine Lautsprecheransage. Eine synthetisch erzeugte, weibliche Stimme war zu hören.

„Zubringer Lantern nach Albuquerque im Landeanflug. Machen Sie sich bereit, an Bord gebracht zu werden. Folgen Sie den Anweisungen des Personals.“

Das Personal bestand aus einer SSU(*FN* Standard Service Unit*FN*), die wie Mülleimer auf vier Beinen aussahen und von denen jetzt einer aus einer Wandnische trat, als die Information zu hören war. So wie es aussah, waren Dominic Porter und Zyrus Korren tatsächlich die Einzigen, die an diesem Tag transportiert wurden.
Der Roboter postierte sich vor dem Zugang zu einer Rampe, der bislang durch eine Teleskopstange versperrt war. Die Sperre schob sich in die Wand zurück, während der Roboter weitere Anweisungen für die Fluggäste hatte.
„Bitte warten“, schnarrte er mit einer tonlosen elektronischen Stimme. „Fähre Lantern im Anflug. Bitte warten.“
Kaum hatte er seine Mitteilung ausgesprochen, röhrten die kraftvollen Maschinen der Fähre auf, die gerade über das Gebäude flog. Die grellen Scheinwerfer an ihrem Bug wanderten über den Teer und suchten die Landefläche. Der heiße Abluftstrahl aus den Düsen wirbelte den Schnee auf und schmolz ihn zu spiegelnden Wasserlachen, während die Fähre aufsetzte. Die Bugschleuse öffnete sich und ein Laufsteg glitt heraus. Zusätzliche Lichter auf dem Flugplatz strahlten auf, um den Fluggästen den Weg zu beleuchten.
„Passagiere der Lantern“, tönte der tonnenförmige Roboter und rollte die Rampe hinunter, die auf den Landeplatz führte. „Folgen sie mir.“
Die beiden jungen Offiziersanwärter nahmen ihr Gepäck auf, folgten der SSU nach unten. Als sich die Außenschleuse öffnete, traten sie ins Freie.
„Ich wünsche eine gute Reise“, tönte die Maschine, als Dominic und Zyrus in das Schneegestöber eindrangen und sich das Schott hinter ihnen schloss. Eiskristalle stachen Dominic ins Gesicht und die Kälte biss ihm in die Wangen. Der Sturm zerrte an seinen Haaren und trieb ihm die Tränen in die Augen. Verschwommen erkannte er jemanden, der im Eingang der Fähre stand und ihnen mit einer Stablampe zuwinkte.
„Ich glaube, du wirst auf deine Kosten kommen“, keuchte Zyrus, während sie sich vorwärts kämpften und durch Pfützen aus geschmolzenem Schnee hasteten. „Und ich werde leer ausgehen.“
„Wie meinst du das?“, wollte Dominic wissen.
„Ich hab unter deinen Auszeichnungen auch ein kleines goldenes Quadrat entdeckt.“ Seine Stimme war im Heulen des Windes und dem Dröhnen der laufenden Triebwerke kaum zu verstehen.
„Du hast auch eins?“
„Ja“, zischte Zyrus durch die Zähne. „Wir sind beide erstklassige Schützen. Auf den Konvoischiffen, die ich kenne, gab es bisher nur mittelmäßige und vielleicht einen halbwegs Guten. Und Perk hat gleich zwei mit Auszeichnung angefordert.“
„Er – oder das Oberkommando.“
„Egal.“ Zyrus klang, als ginge ihm bald die Luft aus. „Sieht aus, als ob sie gute Schützen gebrauchen können. Wir werden komplexere Aufgaben bekommen, als reine Evakuierungsoperationen.“
Sie erreichten endlich die Rampe, stolperten durch die Windböen hinauf und betraten endlich das Innere des Fahrzeugs. Die Schleuse wurde geschlossen und der Wind verstummte.

Der Flug nach New Mexico war kurz. Ein kleiner Hüpfer von gut dreißig Minuten. Der Stützpunkt war Dominic vertraut. Der Größte des Westlichen Bündnisses, der die Ausmaße einer ganzen Stadt besaß. Im Dunkeln konnte Dominic nur die Fenster und Positionslichter der Schiffe erkennen, die dort niedergegangen waren, starteten oder gerade zur Landung ansetzten. Es herrschte ein unbeschreiblicher Lärm. Die warme, trockene Luft, roch nach Abgasen und Treibstoffen, vermischt mit dem leichten Aroma des Wüstensandes. Ein lauer Wind trieb Staubwolken über das Areal. Die riesigen Raumschiffungetüme wirkten im Nebel unheimlich wie Monster aus der Vorzeit.
Ein Transportgleiter stoppte vor der Fähre, um Dominic und Zyrus zur Zora zu bringen. Eine der SSU steuerte ihn und forderte sie auf, aufzusteigen. Es gab lediglich Haltebügel auf einer offenen Ladefläche. Man musste stehen oder sich auf den kalten Metallboden setzen.
Die Fahrt auf dem Fahrzeug dauerte eine ganze Weile. In der Zeit hätten sie nach Fargo zurückfliegen können, scherzte Zyrus und zog den Kragen seiner Uniform fester zusammen. Der Fahrtwind fühlte sich mit der Zeit kühl an. Dominic fröstelte und hauchte abwechselnd auf die Finger der einen und dann der anderen Hand. Der Haltebügel war kalt wie Eis und es schmerzte, sich daran festzuhalten. Er fragte sich, ob sie irgendetwas ausgefressen hatten und man sie auf diese Art und Weise umbringen wollte, als der Gleiter seine Fahrt endlich verlangsamte. Er hielt auf eines der kleineren Schiffe zu, die in einer schier endlosen Reihe am Rand des Geländes aufgestaffelt waren. Das stromlinienförmige Schiff erinnerte Dominic an einen Delphin, abgesehen von den vielen Geschützen und Antennen, die aus dem Rumpf und dem Heck, mit seinen drei mächtigen Triebwerken, ragten. Ideal, um Fersengeld zu geben, hörte er seinen Bruder sagen.
„Ja, das Ding sieht mehr nach Problemen aus, als die Scotia“, bemerkte Zyrus. „Die war nichts anderes als ein bewaffneter Frachter.“
Die Sheldon, auf der Dominic gedient hatte, konnte sich immerhin ein Kriegsschiff schimpfen, aber sie war ein altes Modell, aus der Zeit der Kolonialkriege, die vor einhundert Jahren zu Ende gegangen waren. Auch sie konnte sich nicht mit den neueren Schiffen messen, die er bisher nur von Weitem gesehen hatte.
Der Gleiter stoppte vor der breiten Rampe der Zora, auf der gerade ein paar gepanzerte Fahrzeuge ins Innere rumpelten. Ein junger Offizier, der mit der Beladung des Schiffes betraut worden war und sie offenbar schon erwartete, sah von seiner erhöhten Position am oberen Ende der Rampe auf die Neuankömmlinge hinunter. Er drückte einem der Soldaten sein Datenpad in die Hand, gab ihm einen Befehl und kam auf die beiden zu.
„Porter und Korren?“, fragte er mit mürrischem Unterton.
Die Zwei nahmen Haltung an und salutierten.
„Ich bin Porter, Sir“, stieß Dominic eilig hervor.
„Zyrus Korren, Sir.“ Zyrus legte einen gelasseneren Tonfall hin. „Offiziersanwärter, Sir.“
Der Mann lachte. „Ja klar. Wenn ihr bis zu eurer Ernennung durchhaltet, könnt ihr stolz sein.“ Er rang sich ein Grinsen ab und deutete auf Dominic. „Ich bin Frank Rosslin, der erste Offizier der Zora. Und ihr werdet es nie erleben, dass ich vor euch salutieren muss. Egal, was man euch alles an die Brust geheftet hat, bei mir müsst ihr von vorne anfangen. Du bist die erste Null“, er maß Zyrus von Kopf bis Fuß mit abschätzigem Blick, „und du die zweite Null.“ Rosslin ließ die Worte wirken. Dann winkte er ab. „Spaß beiseite. Ich will Ihnen nur klarmachen, wo ihre Positionen sind, damit Sie sich keine Frechheiten erlauben. Das kann ich gar nicht vertragen und jetzt: Mitkommen!“
Er machte kehrt und brachte Dominic und Zyrus zu ihrem Quartier auf dem Mitteldeck. Von hier war es nicht weit bis zur Brücke, die am anderen Ende des breiten Korridors lag.
„Sie beide machen sich jetzt frisch“, befahl er, „wechseln ihre Uniformen und melden sich auf der Brücke zum Dienst. Ich warte dort, um Sie dem Captain vorzustellen. Sie haben fünfzehn Minuten.“
Die fünfzehn Minuten waren mehr als knapp bemessen. Zum Bügeln ihrer zerknitterten Wechselkombinationen, aus ihren Rucksäcken, blieb keine Zeit mehr, wie Zyrus bemerkte, der als Erster in der Duschnische verschwand, nachdem er sich seiner Kleider entledigt hatte.
Frank Rosslin erwartete sie bereits, als sie die Brücke betraten, wiederum Haltung annahmen und salutierten. Er wandte sich an den großen, breitschultrigen Mann, der gerade auf die Frontkonsole vor dem Brückenfenster sah und ihnen der Rücken zudrehte.
„Captain!“, rief Roslin dem Mann zu. „Die neuen Schützen sind da.“
Der große Mann drehte sich um, musterte sein neues Personal und kam schließlich auf Dominic und Zyrus zu. Er entsprach genau dem Bild, das Dominic von einem verwegenen Soldaten hatte, der nicht davor zurückscheute, sich mit seinen Feinden und Vorgesetzten anzulegen. Das Gesicht kantig mit einem dunklen Dreitagebart, der ein markantes Kinn bedeckte. Graublaue Augen. Durchdringender Blick. Schwarze Haare, grau an den Schläfen.
„Willkommen an Bord der Zora“, begrüßte er die zwei Rekruten mit sonorer Stimme, die ein Ausrufezeichen hinter das Charakterbild setzte, das sich Dominic von Perk gemacht hatte. „Stehen Sie bequem.“
Dominic und Zyrus gehorchten.
„Ich habe ihre Dossiers gelesen“, fuhr Captain Perk fort, „und mich dabei auf Ihre messbaren Qualitäten beschränkt. Alle anderen Dinge sind subjektiv – Interpretationssache. Und ich kenne die Gepflogenheiten in der Flotte gut genug, um zu wissen, dass man sich nicht auf das Urteil Fremder verlassen kann. Ihre Fähigkeiten als Schützen und Feuerleitgehilfen sind unbestritten. Ganz außerordentlich sogar. Was ihre anderen Kompetenzen betrifft, werden Sie sich neu bewähren müssen.“ Er sah Zyrus mit leichtem Missfallen an. „In Ihrem Fall mag das ein Vorteil sein.“
Dominic fragte sich, was es mit dieser Bemerkung auf sich haben mochte.
„Sie Beide werden hier bei Null anfangen“, erklärte Perk weiter, „und sich dem Urteil meiner Offiziere stellen müssen.“
Unwillkürlich wanderte Dominics Blick zu Frank Rosslin hinüber, der zu lächeln schien.
„Ihnen werden die Kanoniere der Licht- und Plasma-Batterien unterstellt. Zu achtzig Prozent Kadetten. Die Umstände zwingen uns, Kompromisse zu machen. Die anderen sind fähige Schützen und haben sich bereits bewährt. Nicht ganz so gut wie sie, aber durchaus fähig.“ Er machte eine Pause, in der er einen Schritt näher kam und die Offiziersanwärter zu ihm aufschauen mussten. „Was das Thema Kompromisse angeht.“ Wieder hielt er inne und sah Dominic und Zyrus tief in die Augen. „Ich mache keine Kompromisse. Sie werden bald feststellen, dass ich ein paar Dinge ganz besonders verabscheue. Dazu gehören Unzulänglichkeiten und halbe Sachen.“
Dominic bemerkte, wie Zyrus schluckte. Für ihn musste dieser kurze Vortrag wie ein Schlag ins Gesicht wirken. Mit den ruhigen Zeiten war es offensichtlich vorbei. Für Langeweile und philosophische Gedanken würde es hier kaum Zeit geben.
„Und nun wegtreten“, befahl Perk. „Wir starten um null fünfhundert. Finden Sie sich bitte pünktlich auf ihrer Station ein. Rosslin wird Ihnen ihren Arbeitsplatz zeigen.“
Als sie nach dem kurzen Ausflug auf die Geschützlinie wieder in ihrer Unterkunft waren, bemerkte Zyrus, dass er sich in seinen Vorurteilen bestätigt fühlte. Perk war für ihn nichts weiter als ein fehlgeleiteter Idealist, der durch übertriebenen Eifer versuchte, sich ein gutes Gewissen zu verschaffen. Während sich Dominic in seine Decke wickelte, hörte er den Ausführungen seines Kameraden zu, der immer wieder neue Blickwinkel seiner Weltsicht zum Besten gab. Irgendwann war Dominic eingeschlafen und er erwachte erst, als ihn der Wecker aus seinen Träumen riss.

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NOMADS CHAPTER 7 (English)

On the day of his departure, the country lay under a thick blanket of snow. The farewell to his family was short and sober. His father wished him well and put his hand on his shoulder for a moment.
His mother smiled in anguish. „Take good care of yourself.“ It was obvious how much she had to fight the tears. Dominic’s sisters couldn’t get a word out, and little Billy ran back into the house, saying goodbye.
Benjamin had prepared the quadro helicopter with the two seats to take his brother back to the staging area at Preston. The ferries that would pick up soldiers and recruits from that part of the country would then take them to the major bases. The flight from Preston to Albuquerque, was scheduled for late evening, but passenger registration was in the early afternoon. Dominic dreaded having to spend all that time in the sterile confines of the base.
The quadro helicopter with its four rotors landed in the parking lot of the fleet area, where many other vehicles were standing around.
„So here we are,“ Benjamin sighed. „Time to save the world, little brother.“
„I almost changed my mind and stayed with you guys.“ He looked over to the gate of the sation, where the guards stood in their gray armored suits. „I think you’re doing exactly the right thing.“
„And I think you’re still doing the wrong thing.“
„Each to his own.“ Dominic grabbed his backpack and opened the Plexiglas door, which swung upward. „I wish you well.“
„I wish you the same. And make sure you get another vacation soon. Preferably in the summer. The lakes and rivers are teeming with fish.“
„I will.“
They shook hands, then Dominic exited the vehicle and walked toward the gate as the quadrocopter took off with its rotors roaring and flew away.
The guard at the gate looked at Dominic’s soldier’s pass and sent him into the three-story building that fronted the airfield where he could pick up his orders. Behind the counter at the entrance to the station sat a man who informed him he would be assigned to the Zora. A small destroyer that was under the command of Captain Daniel Perk. The shuttle, he went on to explain, which would take the recruits and officers to the spaceports in the south of the country, would arrive in the early evening. So there was still plenty of time to stare at walls and ceilings or to read through the illustrated, electronic edition of the „Patriot“ several times.
Dominic entered the large waiting room, with its rows of chairs, in front of the wide picture window, behind which stretched the airfield. A young man sat in the small hall, reading a magazine made of Media-Fol paper, with many animated illustrations. Colorful, military-approved advertisements showed different weapons systems, served by attractive young girls in scanty clothing. The man also held the rank of officer candidate who had completed basic training. The impressive number of skill awards emblazoned on his chest could rival Dominic’s. He was of slender build and possessed an oval face with dark eyes. His brown hair was trimmed to a few millimeters, except for the implied blue-tinted mohawk comb.
„Looks like we’re in a hurry to get to the field,“ the officer candidate said, looking at the clock at the front of the room. „Obviously they want to slow down our eagerness. We could already be in the field as early as we showed up here.“
Dominic agreed with him. „I don’t know how I’m going to get through the next few hours.“
„I don’t have a plan for that either.“ He stretched the magazine from him and looked at one of the illustrations a little more closely, whereupon he shook his head and put the booklet away. „I suppose we’re on the same path, then.“
„Oh yeah?“
„Looks like it. I have to go to Albuquerque, too. There’s only one ferry going today and it’s flying there. I’m assigned to the Zora.“
„It’s my ship too,“ Dominic was happy to share. He came closer and they shook hands. „Dominic Porter.“
„Zyrus Korren. They also call me Zy or Zyko.“
„I’ve been on the Sheldon for the last two years,“ Dominic told me. „We evacuated the Martian outposts and some habitats.“
„I got to escort convoys. On the Scotia.“
„Ever been involved with scavengers or pirates?“
Korren shook his head. „You?“
„No,“ Dominic replied, not knowing whether to be happy or sorry about it. Unfortunately, there was nothing he could cite to brag about. Dominic thought about his brother and what he would say. He would have sarcastically remarked what great warriors they were and that he shouldn’t imagine that one day he would be memorialized.
„Our resume so far doesn’t look like glory and heroics,“ Dominic said, as if they were his brother’s words.
„Not keen on it at all, either,“ Zyrus Korren countered. „Honestly, no. It could go on forever for all I care. Quiet service. Helping people. Enough to eat and a warm place to stay. All of that is far more than many others have.“
Dominic concluded that he was dealing with a pragmatist. „Yes, that’s something at least.“
„But I think the quiet is over now when we get to the Zora.“
„Why?“
„Perk is considered a contrarian,“ he explained to Dominic, as if surprised that he hadn’t heard about it before. „Always has problems with his superiors. Likes to disobey orders or interpret them as he needs to. Is constantly a topic of conversation in the fleet.“
„Then it can actually get exciting.“
Korren’s expression betrayed his discomfort at the prospect. „Are you an adventurer?“
„I don’t like to be bored.“
„I do,“ he said succinctly. „There’s time for your own thoughts. Nothing is more annoying than having to deal with the problems or ideals of others. And maybe risking your skin to do it. I hope Perk will keep a low profile in the future.“
A free spirit, Dominic added to his previous conclusion. A pragmatic philosopher who had joined the ranks of the military. An unfavorable place for this type of person.
The afternoon dragged on. Temporarily, the fog lifted and the sun shone. Then it clouded over again and it began to snow. Dusk came in the dark of a heavy snow flurry. Position lights on the airfield lit up like tiny suns in the approaching night. Snowflakes swirled in their cones of light, stabbing like lances into the black sky. A few snowplows drove over the landing fields. They pushed aside masses of snow or milled their way through the white.
Korren joined Dominic at the window and handed him a hot coffee in a paper cup.
„If it’s going to Mars,“ Korren said after carefully sipping his cup, „we’re looking at warmer days. In the equatorial region it is now around thirty degrees. There are comfortable temperatures everywhere in the habitable zone.“
„Mars,“ Dominic repeated. „A boring world, from what I’ve heard. No seasons to speak of. An endless, rusty spring with warm and warmer days.“
„Oh, come on.“ Zyrus Korren sipped his coffee. „You just have to look closely. I like to look closely. And it takes time to do that. Ideal for someone who likes to be bored. I can look closely for hours.“
At that moment, a loudspeaker announcement came on. A synthetically generated female voice was heard.

„Feeder Lantern to Albuquerque on approach. Prepare to be boarded. Follow the instructions of the staff.“

The staff consisted of an SSU , who looked like trash cans on four legs and one of whom was now stepping out of a wall alcove as the information was heard. From the looks of it, Dominic Porter and Zyrus Korren were actually the only ones being transported that day.
The robot positioned itself in front of the access to a ramp, which was previously blocked by a telescopic bar. The barrier slid back into the wall while the robot had further instructions for the passengers.
„Please hold,“ he buzzed in a toneless electronic voice. „Ferry Lantern inbound. Please hold.“
No sooner had he uttered his message than the powerful engines of the ferry roared up and flew straight over the building. The glare of the headlights on its bow traveled across the tar, searching for the landing area. The hot jet of exhaust from the nozzles swirled the snow and melted it into mirror-like pools of water as the ferry touched down. The bow door opened and a catwalk slid out. Additional lights on the airfield shone to illuminate the way for passengers.
„Passengers of the Lantern,“ the barrel-shaped robot chimed, rolling down the ramp that led to the landing pad. „Follow me.“
The two young officer candidates picked up their luggage, followed the SSU downstairs. When the outer lock opened, they stepped out into the open.
„Have a safe trip,“ the engine chimed as Dominic and Zyrus entered the snow flurry and the bulkhead closed behind them. Ice crystals stung Dominic’s face and the cold bit into his cheeks. The storm tugged at his hair and brought tears to his eyes. Blurrily, he recognized someone standing in the entrance of the ferry, waving a staff lamp at them.
„I think you’ll get your money’s worth,“ Zyrus gasped as they struggled forward, scurrying through puddles of melted snow. „And I’ll come up empty.“
„What do you mean?“ wanted Dominic to know.
„I also spotted a little gold square under your awards.“ His voice was barely audible in the howl of the wind and the roar of the running engines.
„You have one too?“
„Yes,“ Zyrus hissed through his teeth. „We’re both first-rate marksmen. On the convoy ships I’ve known, there’s only been mediocre ones and maybe one halfway good. And Perk has requested two with distinction at once.“
„He – or the high command.“
„Never mind.“ Zyrus sounded like he was about to run out of steam. „Looks like they could use some good shooters. We’re going to be given more complex tasks than just evacuation operations.“
They finally reached the ramp, stumbled up through the gusts of wind, and finally entered the interior of the vehicle. The airlock was closed and the wind died away.

The flight to New Mexico was short. A short hop of a good thirty minutes. The base was familiar to Dominic. The largest in the Western Alliance, it was the size of an entire city. In the dark, Dominic could only make out the windows and position lights of the ships that had landed there, were taking off, or were about to land. There was an indescribable noise. The warm, dry air, smelled of exhaust fumes and fuels, mixed with the light aroma of the desert sand. A mild wind drove clouds of dust over the area. The huge spaceship monstrosities looked eerily like monsters from prehistoric times in the fog.
A transport glider stopped in front of the ferry to take Dominic and Zyrus to the Zora. One of the SSU piloted it and told them to get on. There were only grab bars on an open loading area. One had to stand or sit on the cold metal floor.
The ride on the vehicle took quite a while. They could have flown back to Fargo in that time, Zyrus joked, pulling the collar of his uniform tighter. The breeze from the ride felt chilly as time passed. Dominic shivered and breathed alternately on the fingers of one hand and then the other. The grab rail was cold as ice and it hurt to hold onto it. He wondered if they had done something wrong and this was the way they were going to be killed when the glider finally slowed its speed. He stopped toward one of the smaller ships that were stacked in a seemingly endless row along the edge of the compound. The streamlined ship reminded Dominic of a dolphin, except for the many guns and antennae protruding from its hull and stern, with its three powerful engines. Ideal for taking heel, he heard his brother say.
„Yeah, that thing looks more like trouble than the Scotia,“ Zyrus noted. „That one was nothing more than an armed freighter.“
The Sheldon, on which Dominic had served, could call itself a warship, but it was an old model, from the time of the colonial wars that had ended a hundred years ago. Even she could not compete with the newer ships that he had only seen from a distance.
The glider stopped in front of the Zora’s wide ramp, where a couple of armored vehicles were just rumbling inside. A young officer, who had been entrusted with loading the ship and was apparently already expecting them, looked down at the new arrivals from his elevated position at the top of the ramp. He pressed his datapad into the hand of one of the soldiers, gave him an order, and approached the two.
„Porter and Korren?“ he asked with a grumpy undertone.
The two took posture and saluted.
„I’m Porter, sir,“ Dominic hurriedly groaned.
„Zyrus Korren, sir.“ Zyrus put on a more composed tone. „Officer candidate, sir.“
The man laughed. „Yeah right. If you hold out until your appointment, you can be proud.“ He wrestled a grin from himself and pointed at Dominic. „I’m Frank Rosslin, first officer of the Zora. And you will never see me saluting you. No matter what you’ve had pinned to your chests, you’ll have to start over with me. You are the first zero,“ he measured Zyrus from head to toe with a disparaging look, „and you are the second zero.“ Rosslin let the words sink in. Then he waved them off. „All kidding aside. I just want to make it clear to you where your positions are, so you don’t get any sass. I can’t take that at all, and now: Come along!“
He turned around and took Dominic and Zyrus to their quarters on the middle deck. From here it was not far to the bridge, which was at the other end of the wide corridor.
„You two freshen up now,“ he ordered, „change into your uniforms and report to the bridge for duty. I’ll be waiting there to introduce you to the captain. You have fifteen minutes.“
The fifteen minutes were more than short. There was no time left to iron their crumpled change combinations, from their backpacks, as Zyrus noticed, who was the first to disappear into the shower niche after getting rid of his clothes.
Frank Rosslin was already waiting for them as they entered the bridge, again taking their stances and saluting. He turned to the tall, broad-shouldered man who was looking at the front console in front of the bridge window and had his back to them.
„Captain!“ shouted Roslin to the man. „The new shooters are here.“
The big man turned around, eyed his new personnel, and finally approached Dominic and Zyrus. He fit the image Dominic had of a swashbuckling soldier who wasn’t afraid to take on his enemies and superiors. The face angular with a dark three-day beard covering a prominent chin. Gray-blue eyes. Piercing gaze. Black hair, gray at the temples.
„Welcome aboard the Zora,“ he greeted the two recruits in a sonorous voice that put an exclamation point behind the character image Dominic had made of Perk. „Stand at ease.“
Dominic and Zyrus obeyed.
„I have read their dossiers,“ Captain Perk continued, „limiting myself to your measurable qualities. All other things are subjective – matters of interpretation. And I know the customs of the fleet well enough to know that you can’t rely on the judgment of strangers. Your skills as gunners and fire control assistants are unquestioned. Quite extraordinary, in fact. As for your other skills, you will have to prove yourself anew.“ He looked at Zyrus with slight displeasure. „In your case, that may be an advantage.“
Dominic wondered what this remark was all about.
„You both will be starting from scratch here,“ Perk continued, „and will have to face the judgment of my officers.“
Involuntarily, Dominic’s gaze wandered over to Frank Rosslin, who seemed to be smiling.
„You will be in charge of the gunners of the light and plasma batteries. Eighty percent cadets. Circumstances force us to compromise. The others are capable gunners and have already proven themselves. Not quite as good as them, but quite capable.“ He paused, taking a step closer and making the officer candidates look up at him. „On the subject of compromise.“ Again he paused and looked deeply into the eyes of Dominic and Zyrus. „I do not compromise. You will soon find that there are a few things in particular that I detest. Among them are inadequacies and half-measures.“
Dominic noticed how Zyrus swallowed. For him, this short lecture must have seemed like a slap in the face. The quiet times were obviously over. There would hardly be time for boredom and philosophical thoughts here.
„And now dismissed,“ Perk ordered. „We will be departing at zero five hundred. Please find yourselves at your station on time. Rosslin will show you to your workstation.“
When they returned to their quarters after the short excursion to the gun line, Zyrus realized that he felt confirmed in his prejudices. To him, Perk was nothing more than a misguided idealist who was trying to gain a good conscience through excessive zeal. While Dominic wrapped himself in his blanket, he listened to his comrade’s explanations, who kept giving new perspectives on his worldview. At some point, Dominic had fallen asleep, and he awoke only when the alarm clock jolted him out of his reverie.

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