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Liebe Pfefferhasis und Newsletter-Lesende,

ich hatte euch letzten Sonntag schon darauf vorbereitet, dass der Wochenrückblick heute möglicherweise ausfallen wird. Ich kenne mich selbst inzwischen ganz gut und wusste schon, dass nach vier Tagen Buchhandlung-im-Weihnachtsgeschäft mein Energielevel ziemlich low sein würde. Außerdem erhielt ich noch eine kurzfristige Einladung zu veganem Weihnachtsbraten nach Hohenschönhausen und was soll ich sagen: I chose happiness! Der Braten war köstlich, der Tag entspannt und schön. Dennoch sollt ihr nicht ganz ohne Wochenrückblick auskommen müssen: Es ist ja schließlich Weihnachten! Er fällt nur etwas kürzer aus als gewohnt.

Am Montag meldeten verschiedene Zeitungen, dass António Guterres, UN-Generalsekretär, den Rechtsextremismus als größte Gefahr für die Demokratien des globalen Nordens („Westen“) bezeichnete. Er sagte: „Es hat sich gezeigt, dass heutzutage die größte terroristische Gefahr in westlichen Nationen von extremen Rechten ausgeht, von Neonazis und jenen, die an die Überlegenheit von Weißen glauben“. Für CDU und FDP bleiben jedoch Klima-Aktivist*innen der wahre Feind.

Am Donnerstag hat das Parlament in Schottland einen großen Schritt für die Rechte von trans* Personen gemacht. Mit einer Mehrheit von 86 Stimmen wurde die „Gender Recognition Reform Bill“ angenommen (Öffnet in neuem Fenster), 39 Abgeordnete stimmten dagegen. Schottische trans* Personen, die 16 Jahre alt oder älter sind, können nun ihren Geschlechtseintrag ohne Vorlage eines medizinischen Gutachtens ändern lassen. Einzige gesetzliche Voraussetzung ist, dass die Person drei Monate in ihrer „neuen Geschlechterrolle gelebt haben muss“ (whatever that means). Natürlich gab es auch in Schottland massiven Gegenwind gegen die Gesetzesänderung. Wann immer irgendwo trans* Personen auch nur ein kleines bisschen dessen zugestanden wird, was für cis Menschen selbstverständliches Recht ist, laufen Rechte, TERFs und so genannte „Gender Criticals“ dagegen Sturm. Die Nichtregierungsorganisation „Lemkin-Institut für Genozidprävention“ (The Lemkin Institute for Genocide Prevention) veröffentlichte kürzlich eine Stellungnahme (Öffnet in neuem Fenster), die seine Besorgnis um die Rechte und das Wohlergehen von trans* Menschen ausdrückt: „Das Lemkin-Institut ist der Ansicht, dass die so genannte ‚geschlechterkritische Bewegung‘ (…) eine faschistische Bewegung ist, die eine spezifisch völkermörderische Ideologie vertritt, die die vollständige Auslöschung der Trans-Identität in der Welt anstrebt.“ Weiter heißt es: „Die geschlechtskritische Bewegung leugnet gleichzeitig, dass die transgender Identität real ist, und versucht, sie vollständig aus der Gesellschaft zu tilgen.“Wie das in der Praxis aussieht, zeigt ein Fall aus Hessen, der diese Woche bekannt wurde: In Kassel wurde ein Kind aus dem Kindergarten geworfen hat, weil es eine trans* Mutter hat. (Öffnet in neuem Fenster)Das Kind befand sich noch in der Eingewöhnung (zu der es seine Mutter begleitete), als beide nach etwas mehr als zwei Wochen mitten am Tag des Kindergartens verwiesen wurden. „Da ist die Tür“, soll die Mitarbeiterin gesagt und der Mutter die fristlose Kündigung überreicht haben. Als Begründung wurden darin „nicht behebbare Auffassungsunterschiede“ genannt. Für die betroffene Mutter war schnell klar, dass ihre trans* Identität der Grund war. Der Elternvorstand habe die Entscheidung einstimmig getroffen. Im Interview mit der HNA (Öffnet in neuem Fenster) berichtet die Mutter, dass der Kindergarten zuvor schon Kinderbücher mit der Darstellung diverser Familienmodelle abgelehnt habe, weil „solche Inhalte nicht ohne pädagogische Anleitung für Kinder zugänglich gemacht werden sollten“.

Am Freitag nahm sich der trans* Aktivist Henry Berg Brousseau in Virginia (USA) das Leben. Er wurde 24 Jahre alt. Der stellvertretende Pressesprecher der NGO Human Rights Campaign (HRC) war der Sohn der Senatorin Karen Berg, die erklärte, Henry habe „lange mit psychischen Erkrankungen“ gekämpft, „nicht, weil er trans ist, sondern weil er Schwierigkeiten hatte, akzeptiert zu werden“. In der Pressemitteilung heißt es weiter: „Die Hetze gegen trans Menschen findet nicht in einem Vakuum statt (…) Es ist nicht nur eine Möglichkeit, politische Punkte zu machen, indem man den Kulturkampf verschärft. Es hat Auswirkungen auf die reale Welt.“

In Paris griff am Freitag ein 69-jähriger Rechtsextremist ein kurdisches Kulturzentrum an, tötete drei Menschen, Emine Kara, M. Şirin Aydın und Abdurrahman Kızıl, und verletzte weitere zum Teil schwer. Während in den Medien noch spekuliert wird, ob es sich um eine politische Tat handeln könnte, wurde bekannt, dass der mutmaßliche Täter (Sportschütze mit Zugang zu etlichen Waffen) erst vor Kurzem aus der Haft entlassen wurde, nachdem er im vergangenen Sommer ein Zeltlager von migrantisierten Menschen attackiert und Medienberichten zufolge, mehrere Personen mit einem Säbel verletzt hatte. Unter Berufung auf „Polizeikreise“ berichtet der Sender France Info, „der Mann sei wegen zwei versuchter Tötungen bekannt“. Der rassistische Anschlag weckt schmerzvolle Erinnerungen bei Kurd*innen weltweit: Fast genau zehn Jahre zuvor, am 9. Januar 2013, wurden in der gleichen Straße ebenfalls drei kurdische Aktivistinnen, Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez, ermordet; „im Auftrag des türkischen Geheimdienstes“, wie das Nachrichtenportal ANF (Öffnet in neuem Fenster) schreibt.

Das war es für heute mit dem verkürzten Wochenrückblick. Ich konnte nicht alles aufgreifen, was es wert gewesen wäre, zu berichten. Ich hoffe, ihr seht es mir nach. Vielleicht ist euch heute ja auch ebenfalls nicht nach noch mehr schlechten Nachrichten – mir geht es jedenfalls so. Deshalb will ich den heutigen Newsletter auch mal mit etwas Positivem enden lassen:

Der kanadische Eislaufverband „Skate Canada“ erlaubt künftig bei nationalen Wettbewerben auch gleichgeschlechtliche Paare im Paarlauf und im Eistanz. (Öffnet in neuem Fenster) Mit der Initiative „Skaten für alle“ wurde die Definition von Team in „ein Team besteht aus zwei Läufern“ geändert, es wird nicht länger von „Mann und Frau“ gesprochen, sondern von „Skater A und Skater B“. Der kanadische Sport macht damit einen wichtigen Schritt gegen Diskriminierung und für die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt.

Macht es gut, passt auf euch und aufeinander auf,
bis nächste Woche

Ulla

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