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Schlechte Zeiten für Schriftsteller, wenn die Wirklichkeit die Fiktion übersteigt: In Palermo wurde ein Bürgermeister gewählt (Öffnet in neuem Fenster), der ganz offiziell von zwei wegen Unterstützung der Mafia verurteilten Politikern unterstützt wurde: von Marcello Dell'Utri (Öffnet in neuem Fenster), Gründer von Forza Italia und rechte Hand Berlusconis, der den Mafioso Vittorio Mangano, auch genannt der "Stallmeister Berlusconis", zum Helden erklärte, weil Mangano, der jahrelang mit seiner Familie in Berlusconis Villa lebte, niemals akzeptiert hat, mit der Justiz zusammenzuarbeiten. Und von Salvatore Cuffaro (Öffnet in neuem Fenster), dem ehemaligen Regionalpräsidenten Italiens,  den ich, als die Ermittlungen gegen ihn liefen, für ein Portrait bei seinem Wahlkampf begleitete - worauf er mir das sizilianische Ehrenzeichen, das von Schenkeln umkreiste Medusenhaupt überreichte. In einer roten Samtschatulle. Danach wurde er zu sieben Jahren Haft wegen Unterstützung der Mafia verurteilt - weshalb er genau wie Dell'Utri lebenslang kein öffentliches Amt mehr übernehmen darf. Aber wen soll es stören, wenn er und Marcello Dell'Utri ihren Kandidaten unterstützen?

Es sei kein Zufall, dass die Protagonisten der Ersten Republik (Öffnet in neuem Fenster) ins Rennen geschickt wurden, das mafiose Bürgertum samt seiner Spezialisten für den Stimmenkauf, sagte Palermos ehemaliger Generalstaatsanwalt Roberto Scarpinato: In Sizilien stehen die Milliarden des italienischen 'Aufbau- und Resilienzplans' vor der Tür, aus dem Fond für den europäischen Wiederaufbau nach der Pandemie erhält Italien 191,5 Milliarden Euro.
Mit der Wahl des neuen Bürgermeisters von Palermo wurden die Uhren in Italien wieder zurückgestellt: von einem äRegionalpräsidenten Mattarella (Öffnet in neuem Fenster) (Bruder des amtierenden Staatspräsidenten), der sich weigerte, Absprachen mit der Mafia einzugehen und deshalb ermordet wurde, bis hin zu Wahlabsprachen mit zwei wegen Unterstützung der Mafia verurteilten Politikern. Das Problem, so Scarpinato, liege allerdings nicht in Palermo oder Sizilien, denn "was wir hier vor uns haben, ist kein lokaler Streit, sondern ein nationales Lehrstück". 

Und wer wie ich sah, wie 1994 in Sizilien die Forza-Italia-Fähnchen im Wind wehten und Berlusconi daraufhin Italien zwanzig Jahre lang beherrschte, weiß, was das bedeutet. Hier noch ein paar Hintergründe (Öffnet in neuem Fenster)

Meanwhile in Deutschland: Der Messias ist erschienen. Seine Jünger und vor allem Jüngerinnen bejubelten die Ankunft des nicht in, sondern von der WELT gesandte Erlöser (Öffnet in neuem Fenster)s. Er ist jetzt gesalbter König des PEN-Berlin (Öffnet in neuem Fenster)  und befreit nach langem Warten alle Edelfedern (und die sich dafür halten) vom Joch der Fremdherrschaft des PEN-Zentrums Deutschland (Öffnet in neuem Fenster). Endlich Schluss mit der Piefigkeit! Schluss damit, dass sich große Geister wie Daniel Kehlmann oder Eva Menasse damit erniedrigen mussten, demselben Verein wie Ruhrpottdichter (Öffnet in neuem Fenster) anzugehören! Dann schon lieber Koryphäen des Geistes, denen wir kapitale Werke wie "Bunter Küstentrubel in Saint-Tropez, einsame Wanderungen durch die nur vom Zirpen der Zikaden unterbrochene Stille der Haute-Provence" (Öffnet in neuem Fenster)verdanken. Glaubt man denjenigen, die dabei waren, handelt es sich um nichts Geringeres als um ein Wunder, Madonnen vergossen blutige Tränen, als ER (Öffnet in neuem Fenster) mit Maria Magdalena (Öffnet in neuem Fenster), Zeugin seiner Kreuzigung und Auferstehung, nach dem Gothaer Endgericht endlich aus den Himmelswolken herabstieg. Und so herrscht ein Jubeln und Jauchzen von der taz (Öffnet in neuem Fenster) über die Süddeutsche Zeitung (Öffnet in neuem Fenster) bis hin zur ZEIT (Öffnet in neuem Fenster): Der Schöpfer und Erlöser der WELT (Öffnet in neuem Fenster) ist da:

In Venedig geht es weiter mit dem Ausverkauf der Stadt, ich hatte schon erwähnt, dass das Kloster, in dem Alberto lebte, jetzt nach dem Willen der Stadt Venedig in ein Hotel verwandelt werden soll. Dagegen wendet sich die Gruppe "Salviamo San Piero e Sant'Ana" von Giovanni Andrea Martini - Tutta la Città insieme (Öffnet in neuem Fenster) - die vor zwei Tagen dort ein Solidaritäts-Konzert veranstaltet hat: 

Mir standen Tränen in den Augen, als ich sah, dass Albertos Name immer noch auf dem Briefkasten steht:

 Bewegtest ich auch, als ich im Innenhof stand, in den sich oft Touristen verirrten, die von Alberto ermahnt wurden:

„Im Schatten des Campanile sitzen einige ältere Herren, aber Alberto ist nicht mehr dabei.“

Und weil das Buch jetzt auch auf Italienisch unter dem Titel "Venezia, atto finale (Öffnet in neuem Fenster)" erschienen ist, Albertos Telefon aber immer nur ins Leere klingelt, machte ich mich auf Facebook auf die Suche nach Alberto. 

Keine zwei Stunden später rief mich seine Tochter an. Ja, Alberto lebt noch. Aber er hat keine Erinnerung mehr. 

Jetzt tröste ich mich - und alle, die Alberto kannten - damit, dass ich versucht habe, Alberto mit meinem Buch zu verewigen. 

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich, Ihre Petra Reski - mit Dank an die stetig wachsende Gemeinschaft der Ehrenvenezianer, die meine Arbeit unterstützt!

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