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Über Milchkaffee, Leichenwagen, Wunderwuzzis und andere Merkwürdigkeiten

Giuseppe Conte wird sogar im Milchkaffee serviert.

Im Netz und in den italienischen Medien geht es immer noch hoch her, rund um die Fünfsterne, deren “Präsident” Giuseppe Conte man kaum mehr entkommen kann (auf Italienisch sagt man in diesem Fall: Er wird schon im Milchkaffee serviert): In diesen Tagen wurde er interviewt von La Stampa, der Hauptnachrichtensendung Tg1 (RAI), der Morgennachrichtensendung Mattino 5 (Mediaset), von XXI Secolo (RAI Hauptprogramm), von Porta a porta (RAI), in der Talkshow Di Martedì (LA7), der Talkshow Cinque Minuti (RAI), vom Corriere della Sera, der Tageszeitung Quotidiano Nazionale, der Interviewsendung Dritto e Rovescio (Mediaset), von der Repubblica, der Nachrichtensendung Rainews24, der Talkshow l'Aria che tira (LA7), der Nachrichtensendung Sky 24, und nicht zuletzt von der Gesprächssendung Accordi&Disaccordi. Angesichts einer solchen Omnipräsenz verblasst selbst Putin voller Neid.

Warum das Ganze? Weil die Online-Abstimmung auf Geheiß von Beppe Grillo wiederholt werden muss - dem “Garanten” für die Werte der Fünfsterne-Bewegung, der ja dank der Online-Abstimmung als “abgeschafft” gilt, aber immer noch über das Recht verfügt, eine Abstimmung wiederholen zu lassen - eine Abstimmung, für die zuvor 70 000 Fünfsterne-Mitglieder gestrichen wurden, um das Quorum herabzusetzen und damit die beiden wesentlichen Ziele der von Giuseppe Conte geführten Fünfsterne zu erreichen: den “Garanten” loszuwerden und die Regelung abzuschaffen, nicht länger als zwei Legislaturperioden im Parlament zu sitzen. Kurz: Die Fünfsterne in eine normale Partei zu verwandeln, in der man auf “erfahrene” Politiker setzt und auf das, was man einst “parallele Konvergenzen” nannte, wie es einer der wenigen Grillo-Verteidiger in einer Talkshow (Öffnet in neuem Fenster) sagte.

Ich habe lange darüber gegrübelt, was mit “parallelen Konvergenzen” gemeint sein könnte: In Geometrie war ich immer eine Niete, aber so viel ich weiß, zeichnen sich Parallelen vor allem dadurch aus, dass sie nebeneinander her verlaufen und sich eben nicht näher kommen, also konvergieren. Folglich sind parallele Konvergenzen ein Widerspruch in sich. Aber wen juckt die Geometrie, wenn es um das Erreichen politischer Ziele geht: Wie ich dann entdeckte, ist der Ausdruck “parallele Konvergenzen” im italienischen Politiksprech ein Verweis auf den christdemokratischen Sprachgebrauch, genauer gesagt, den politischen Gegner zu neutralisieren, in dem man ihn umarmt. So wie die einstige Linke von den Christdemokraten vereinnahmt wurde. Und jetzt eben die Fünfsterne vom Partito Democratico.

Am Dienstag hatte Grillo den Tod der Fünfsterne aus einem Leichenwagen verkündigt und sich gleichzeitig als optimistisch bezeichnet, weil mit der erneuten Abstimmung endlich die Fronten geklärt und die Wege sich trennen würden: "Stimme ab, wenn du abstimmen willst, ansonsten geh in die Pilze und versuche, eine gute Entscheidung zu treffen. (…) Aber versuche zu bedenken, dass diese Bewegung einen anderen und wunderbaren Verlauf nehmen wird, ob du nun dabei bist oder nicht”.

https://www.youtube.com/watch?v=wY8Js5YBx1w&t=148s (Öffnet in neuem Fenster)

Grillo will erreichen, dass sich Conte selbständig macht, mit einer eigenen Partei, die nicht mehr den Namen Fünfsterne trägt, was Conte, der die Fünfsterne seit 2021 führt, natürlich unbedingt vermeiden will.

Der Hashtag “Geht in die Pilze” wurde von den verbliebenen Grillo-Unterstützern lanciert, um das Quorum zu senken. Ob das erreicht wird, ist unwahrscheinlich, angesichts der Tatsache, dass die von den italienischen Medien bezeichnete “Luftabwehr” der Conte-Unterstützer sofort einsetzte: Ein Medieneinsatz ohnegleichen.

Der Witz dabei ist, dass Conte dabei immer noch Mantra strapaziert, sich als Opfer des Medienmainstreams darzustellen: Wenn der Hass des Medienmainstreams so aussieht, dass Conte morgens, mittags und abends serviert wird, möchte man sich gar nicht ausmalen, wie es wäre, wenn er vom Medienmainstream geliebt würde.

Anyway, heute Abend wissen wir, wie die Fünfsterne-Mitglieder abgestimmt haben werden, ziemlich sicher für Conte. Aber ob er das Parteilogo und den Namen weiterführen kann, ist noch lange nicht gesagt. Und nur wo “Fünfsterne” drauf steht, sind auch Fünfsterne drin. Wir können also weiter gespannt sein.

Spannend war es auch, als bekannt wurde, dass die italienische Staatsanwaltschaft Trient einen Europäischen Haftbefehl gegen den Pleitier Benko erlassen hat: Der Verdacht lautet unter anderem auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, Korruption, Manipulation von Ausschreibungen, unrechtmäßige Parteienfinanzierung, unzulässige Einflussnahme, Betrug. Und wo von Betrug und krimineller Vereinigung die Rede ist, kann Venedig nicht weit sein: Benko, auch “der Wunderwuzzi” genannt, hatte in Venedig das Hotel Bauer Grünwald gekauft - das nach der Insolvenz von Benkos Immobiliengruppe Signa an die Mohari Hospitality Group, Eigentümerin der Luxushotelkette Four Seasons, verkauft wurde.

Kurios finde ich, dass es wieder mal italienische Staatsanwälte waren, die den Finger in die Wunde legten - nicht österreichische oder deutsche. Wo Benko ja mindestens ebenso viele, wenn nicht mehr Interessen hat.

Apropos Interessen, die hat auch der Unternehmer Frank Gotthardt in Venedig. Gotthardt ging durch die deutschen Medien, weil zu den Sponsoren des vom ehemaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt (Öffnet in neuem Fenster) geführten rechten Medienkanals Nius (Öffnet in neuem Fenster) gehört, das nicht nur Desinformation zur Klimakrise (Öffnet in neuem Fenster)sendet und eine harte Klimakrisenleugnerin als Kolumnistin engagiert hat, sondern auch Kuschelgespräche für, nennen wir es konservative Politiker bietet. Jan Böhmermann sieht, wie er in seiner letzten Sendung darstellte (Öffnet in neuem Fenster), in Nius allerdings mehr als den Kampf gegen die vermeintliche Übermacht gegen linke Medien - oder gar “staatsbürgerliche Verantwortung”, die der Unternehmer Frank Gotthardt als Rechtfertigung für seine Investition in Nius anführt.

Nun hat man ja in Italien, was “rechts” betrifft, einen starken Magen. So besorgt nicht die bizarre politische Ausrichtung des Unternehmers Frank Gotthardt (Öffnet in neuem Fenster) die Venezianer, sondern die Frage, wie liquide er wirklich ist: Gotthardt hat in Venedig für einen Freundschaftspreis von 24,5 Millionen Euro das Gelände um das seit 2003 leer stehende Ospedale al Mare gekauft, um dort unter dem Namen “Mare” nicht, wie erst befürchtet, ein neues Ferien-Resort entstehen zu lassen, sondern ein Technologiezentrum, das viele neue Arbeitsplätze versprach und von den Venezianern mit großem Wohlwollen betrachtet wurde. So war in Venezia Today zu lesen (Öffnet in neuem Fenster): “Mare stellt nicht nur einen bedeutenden Fortschritt in der digitalen Gesundheitsversorgung dar, sondern auch eine große wirtschaftliche Chance für den Lido von Venedig, die neue Arbeitsplätze schafft und die lokale Wirtschaft stärkt, so das Unternehmen. Der erste Teil des Gebäudekomplexes soll bis 2027 fertiggestellt werden. Zu den Einrichtungen gehören Restaurants, ein Fitnesscenter, eine Kinderkrippe sowie die Restaurierung des Theaters Marinoni und der Kirche Ospedale al Mare, um diese historischen Räume der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.”

Besorgt sind die Venezianer jetzt durch die Tatsache, dass das Vermögen des Gründers des Software-Unternehmens CompuGroup Medical SE & Co KGaA (Öffnet in neuem Fenster) geschrumpft ist (Öffnet in neuem Fenster): “Weil der Aktienkurs der CompuGroup binnen eines Jahres teilweise um mehr als drei Viertel seines Wertes eingebrochen war, findet sich Gotthardt, einst auf 1,4 Milliarden Euro taxiert, in der Reichenliste des „Manager Magazins“ mit nunmehr nur noch 500 Millionen Euro auf Rang 423 wieder. Den Schätzungen zufolge dürfte er rund 900 Millionen Euro leichter sein als ein Jahr zuvor.”

Wunderwuzzis werden in Venedig ja gerne vom Wunderwuzzi-Bürgermeister an die Brust gedrückt. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein Projekt in Luft auflöst. Zumal noch nichts passiert ist, rund um das Projekt von Gotthardt am Lido - außer vollmundigen Ankündigungen.

Zusammen mit meinem Übersetzer Stefano Porreca arbeite ich heftig an der italienischen Übersetzung meines Buches “All’italiana”, deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass Cosmo, der italienischsprachige Sender des WDR, ein Interview mit mir geführt hat, nachzuhören hier. (Öffnet in neuem Fenster)

Und zum Schluss noch etwas Reklame (sagt heute auch keiner mehr, komisch nicht?) für mein Buch:

https://www.youtube.com/shorts/4kzqNIdZiNU (Öffnet in neuem Fenster)

Und, nicht vergessen: Das Ehrenvenezianertum in Reskis Republik kann auch zu Weihnachten verschenkt werden (Öffnet in neuem Fenster). Bisher unterstützen 181 Mitglieder Reskis Republik, ich meine: Da ist noch Luft drin!

In diesem Sinne grüßt Sie aus Venedig, Ihre Petra Reski

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