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Staatstrauer für einen Gewohnheitsverbrecher

Ok, dass ich meiner selbst auferlegten Zwei-Wochen-Regelung untreu werden muss, hat natürlich mit IHM zu tun: Das Personalpronomen in Großbuchstaben für Berlusconi, so wie es ein Freund in einer SMS an dem Morgen des 12. Juni schrieb, als ich noch unwissend meine Bahnen (40!) im Schwimmbad zog: "Jetzt hat ER es geschafft!!".

Wer hat hier was geschafft, fragte ich mich angesichts dieser kryptischen Mitteilung - und erst als ich meine WhatsApp-Nachrichten kontrollierte, verstand ich, dass Berlusconi tatsächlich gestorben war. An sich schon unvorstellbar genug - zumindest für ihn, der von seinem Arzt für "technisch unsterblich" erklärt worden war und damit rechnete, mindestens 150 Jahre alt (Öffnet in neuem Fenster)zu werden: Berlusconi glaubte an die vom Priester-Manager Don Verzè im Mailänder Krankenhaus San Raffaele praktizierte "Medizin Gottes", dank derer es möglich sei, das durchschnittliche Leben auf 120 Jahre, Berlusconis Leben also mindestens auf 150 Jahre zu verlängern.

Don Verzès "Medizin Gottes" bestand vor allem in gemeinsamen Interessen mit Silvio Berlusconi, der neben dem Gelände auf dem der Priester sein Krankenhaus bauen wollte, den Wohnkomplex "Milano 2" baute. Weil das Gebiet von den vom Flughafen Mailand Linate abfliegenden Flugzeugen überquert werden sollte, was sowohl die Ruhe der Kranken als auch der Anwohner gestört und die Immobilienpreise gesenkt hätte, verfassten Berlusconi und Don Verzè 1971 eine Petition an den Verkehrsminister. Es folgte stante pede eine Änderung der Flugstrecken - die nun über die Nachbargemeinden verlief und Berlusconi und Don Verzè glücklich machte. Dass Don Verzè später noch wegen Korruptionsvorwürfen und Verstoß gegen das Baurecht verurteilt wurde, wird ihn Berlusconi noch sympathischer gemacht haben.

So unwahrscheinlich es auch klingt: Er ist tot. Was natürlich nichts besagt, denn auch wenn sich seine Asche jetzt in seinem mit 36 Belegplätzen im Garten der seiner Villa Arcore eingerichteten Mausoleum befindet, ist sein Geist natürlich noch weiterhin unter uns, wie wir bei der in den vergangenen Tagen der funeral party feststellen konnten.

Ich hätte Berlusconi schon deshalb ein langes Leben gewünscht, damit er endlich vor Gericht für seine Taten hätte einstehen müssen. Um so schwerer fiel es mir jetzt, die Heuchelei in den Nachrufen ertragen zu müssen. Der Corriere betrachtete „Italien ohne Berlusconi“ gleich als verwaist:

Und der Gazzettino krönte ihn gleich zum König: "Silvio I. von Italien":

Ja, man musste einen starken Magen haben, um die Heuchelei und die Trauerbekundungen für einen Steuerbetrüger, Gewohnheitsverbrecher und Mafia-Freund ertragen zu können.

Der Corriere und der Gazzettino gehören dem Verleger Urbano Cairo, dem ehemaligen Assistenten von Berlusconi - aber auch die vermeintlich linke Presse gab ihr Bestes:

Die einzig aufrichtige Trauerbekundung klebte an den Mauern der Piazza San Francesco di Paola in Palermo:

"Die im Schmerz vereinten Mafiafamilien Palermos trauern um ihren im frühen Alter von 86 Jahren verstorbenen Freund".

Ist natürlich ein - bitterer - Witz. Urheber ist das "Collettivo offline", das schon öfter mit provozierenden Plakaten (Öffnet in neuem Fenster) zur Heuchelei rund um die Mafia aufgefallen ist.

Meinen kompletten Nachruf auf Berlusconi können Sie im gestern erschienenen Focus nachlesen!

Herzlichst grüßt, Ihre Petra Reski

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