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Wenn ich Italien länger als eine Woche verlasse, bekomme ich Heimweh. Die reine Abhängigkeit. Ich habe mit dem Rauchen aufgehört, von einem Tag auf den anderen, ein einzigartiger Triumph der Willenskraft, aber gegen Italien bin ich machtlos. Als ich einmal mit dem Zug nach Venedig zurückfuhr und am Grenzübergang das Schild Italia sah, fragte ich mich, was ich tun würde, wenn man mich nicht mehr hineinließe. So etwas gibt es ja. Falls die Italiener auf die Idee kämen, mich abzuschieben, wüsste ich nicht, wohin ich gehen sollte. Wenn ich damals geahnt hätte, wohin das führt. Da läuft dir ein Italiener zu, und bevor man sich versieht, ist man ihm und seinem Land verfallen. Auch deshalb  ist die Staatsbürgerschaft gut: Jetzt können sie mich nicht mehr abschieben.

Um mein Heimweh zu bekämpfen, bin ich in Schwabing zum Florentinermann gegangen, danach ging es mir etwas besser: 

Möglicherweise lag das mit dem Heimweh auch an der Bratwurstbude (formerly known as PEN (Öffnet in neuem Fenster)), dessen jährliche Tagung in Gotha (Thüringen!) stattfand,

und an der ich per Zoom teilnahm. Der Auftritt des Bratwurstkönigs (Öffnet in neuem Fenster), nachzulesen in taz (Öffnet in neuem Fenster), FAZ (Öffnet in neuem Fenster), SPIEGEL (Öffnet in neuem Fenster), Süddeutsche (Öffnet in neuem Fenster), nachzuhören hier (Öffnet in neuem Fenster), war so folkloristisch wie erwartet. Schade fand ich, dass die bestürzenden Erklärungen der Mitarbeiter der Geschäftstelle des PEN über den gnadenlosen Umgang mit ihnen in den Medien nur wenig Echo fanden und bei den Verteidigern Yücels auch nur eine laue Betroffenheit auslösten, nach dem Motto: "Tja, schlimm, schlimm. Aber wir waren ja nicht dabei, und es gibt doch immer zwei Seiten."

Die Tagung per Zoom zu beobachten, fühlte sich so an, als würde man einen Auffahrunfall am Bildschirm verfolgen. Und damit meine ich auch die Kommentare (die live in Gotha übertragen wurden) bekannter und erfolgreicher Schriftstellern im Zoom-Chat während der Reden weniger prominenter PEN-Mitglieder: Kommentare, die so voller Zynismus und Klassizismus steckten, dass es mich geschaudert hat. 

Yücel ist ein echtes Phänomen: Er wirkt so toxisch, dass seine alleinige Anwesenheit selbst die frömmsten Seelen in Giftspritzen verwandelt. Auf Facebook hat er nach seinem Rücktritt noch mal nachgetreten, nachzulesen hier (Öffnet in neuem Fenster) und hier (Öffnet in neuem Fenster).  Yücels Verächtlichmachung des PEN, die Beschimpfung der Alten, sein Abgang: Er hat all das geliefert, was man von ihm erwartete.

Aufgefallen ist mir, dass ich so eine Altersdiskriminierung, die nicht nur von Yücel (auch schon fast 50), sondern auch von vielen seiner Anhänger praktiziert wurde, in Italien noch nie erlebt habe. 

Jetzt soll Josef Haslinger (Öffnet in neuem Fenster)als Interimspräsident die Trümmer wegräumen, wobei ich ihm und den anderen Mitgliederns des Interimsvorstand viel Kraft und Erfolg wünsche. 

Auf jeden Fall bin ich glücklich, am Montag wieder nach Italien zurückzukehren, wo ich am Abend in Verona mein Venedig-Buch in einer Preview vorstelle und am Donnerstag, dem 19. Mai, dem Erscheinungstag, in Venedig - im Sitz von Italia Nostra. Und am 20. Mai in Bielefeld. Alle meine Termine hier (Öffnet in neuem Fenster) nachzulesen. 

Und vor allem freue ich mich auf mein Boot!

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich, Ihre Petra Reski - die sich über die stetig wachsende Gemeinschaft der Ehrenvenezianer freut, die ihre Arbeit unterstützen!

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