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Nippon Connection 28.5.24 - 31.5.24

Wie jedes Jahr war ich wieder gemeinsam mit Freunden auf der Nippon Connection in Frankfurt. Dieses Mal leider nur von Dienstag bis Freitag, aber trotzdem haben wir insgesamt 11 Filme schauen können. Hier eine kurze Einordnung der Filme, die wir uns angeschaut haben:

This Magic Moment (Kah Wai Lim)

In dieser Doku versucht uns Lim, seine Liebe für kleine Indie-Kinos (Mini-Theater) näher zu bringen. Dafür reist er vom südlichen Okinawa zum nördlichen Hokkaido und interviewt die Besitzer*Innen verschiedenster Mini-Theater. Die Interviews finden alle im Dialog in den jeweiligen Kinosälen statt, wodurch die Atmosphäre der Kinos recht gut rüberkommt. Was Lim leider vollkommen vergisst, ist der Hauptgrund, warum man in die Kinos geht: Die Filme. Viel zu wenig wird darauf eingegangen, welche Filme gezeigt werden. Nach 90 Minuten weiß ich immer noch nicht, ob das PaniPani Cinema italienische Horrorfilme aus den 70ern zeigt oder doch eher kontemporäres Independentkino aus Japan, oder ob das Beppu Bluebird Theatre gedubbte Perlen der letzten Filmfestspiele in Cannes zeigt oder ob das Publikum lieber Historien Epen aus der Edo-Zeit sehen will.

Stattdessen kriegen wir in leicht abgeänderter Version 22 mal dieselbe Geschichte: Die Zeiten fürs Kino sind hart, fürs Independentkino noch härter und Corona war besonders schlimm. Ich weiß jetzt, dass das Theater Donuts Okinawa sich hauptsächlich mit dem Verkauf von Donuts über Wasser hält und ein paar andere auf die Unterstützung durch Spenden oder die Umplanung des Kinos zur Non-Profit-Organisation angewiesen sind. Noch nicht einmal die Kinogänger kommen hier zu Wort.

Im Q&A nach dem Film erzählt Lim, dass er den Film eigentlich für die Nicht-Kinogänger gemacht hat, oder zumindest für diejenigen, die lieber ins Multiplex gehen, statt ins Mini-Theater. Er möchte denjenigen die Faszination von Filmen abseits des Mainstreams näherbringen. Leider wird sein Film auch nur in eben diesen Mini-Theaters gezeigt, was das Filmprojekt ad absurdum führt. Bei allen guten Intentionen muss man doch konstatieren, dass der Film für ein kinofremdes Publikum so gar nicht funktionieren kann. Dadurch, dass nichts von den Filmen, vom Kinoprogramm oder sonst irgendwas zu sehen ist, bleiben nur die Impressionen von den Kinosesseln. Diese dienen sicherlich leidenschaftlichen Kinogängern als Anknüpfungspunkt für positive Assoziationen, aber alle anderen wird man damit nicht von einem Kinogang überzeugen können.

We are Millennials. Got a Problem?: The Movie (Nobuo Mizuta)

Die Generation der Millennials gilt (nicht nur) in Japan als besonders antriebslos. Die goldenen Jahre der Bubble-Wirtschaft sind vorbei, die Boomer können ökonomisch nicht mehr eingeholt werden. Aber auch der technische Fortschritt - und damit das Internet Zeitalter - geht so schnell voran, dass die Millennials auch von der Generation Z längst abgehängt wurden. Ursprünglich als Serie veröffentlicht, folgt die Filmadaption drei nicht mehr ganz so jungen Männern, die versuchen ihren Alltag zu meistern. Die Sake-Brauerei eines der Männer steckt in einer Krise, seit sie von Koreanern aufgekauft wurde und die junge Generation immer weniger Alkohol konsumiert. Ein anderer kehrt gescheitert aus China zurück in die Heimat und versucht Social Media für seine Zwecke zu nutzen, während der Dritte im Bunde als Lehrer an einer Grundschule verzweifelt versucht, mit den Kindern zu connecten und endlich auch einmal eine Frau abzukriegen.

Fast paced und mit viel Situationskomik macht der Film verschiedene Baustellen auf. Die Welt wird immer internationaler, so wird plötzlich im Firmenmeeting Koreanisch gesprochen und die neuen Kinder der Grundschule kommen aus Thailand und Amerika. Social Media bieten neue Möglichkeiten, alles zu vermarkten, das Private wird das Öffentliche und damit selbstverständlich eine Möglichkeit Geld zu verdienen. China als potentieller Absatzmarkt wird immer interessanter. Bis zum Ende durchdekliniert wird hier selbstverständlich nichts, aber ein paar gesellschaftskritische Kommentare und Seitenhiebe haben es glücklicherweise in den Film geschafft.

Am Ende bleibt ein Film, der eigentlich keine Story hat, sondern wild durch die einzelnen Szenen springt und dabei mit ein paar Lachern aufwarten kann. Versöhnlich wird er am Ende, wenn unsere drei verbitterten Helden betrunken in einer Kneipe auf drei Zwanzigjährige treffen, die dieselben Probleme und Sorgen haben. So wird zwar nicht die gesellschaftliche Revolution gefordert, aber wir bekommen tröstende Worte mit, dass der Verfall vielleicht doch nicht so krass ist, sondern dass jede Generation ihre Wehwehchen hat. Von einer Serienadaption und Komödie muss man, denke ich, auch nicht mehr erwarten.

From the End of the World (Kazuaki Kiriya)

Der Endzeit-Film folgt Hana, einer 17-jährigen Waisen, die seit dem Tod ihrer Großmutter ganz alleine ist. Sie trifft auf zwei mysteriöse Agenten, die sie nach ihren Träumen fragen und ihr anbieten, sich um Hana zu kümmern. Bald lernen wir, dass Hana auserwählt ist, den Weltuntergang, der in 30 Tagen stattfinden soll, aufzuhalten. Der Film zeigt uns eine Welt mit Schicksalsbüchern, geheimen Murmeln, Wahrsagern, unsterblichen Assassinen und allmächtigen Fingerpistolen. Gleichzeitig begleiten wir Hana in ihrem trostlosen Alltag an der Schule zwischen Mobbing und Erpressung durch Mitschülerinnen, Einsamkeit und Geldnot.

Wie die alternative Welt funktioniert, muss man als Zuschauer wohl einfach so akzeptieren. Ähnlich wie in Tenet müssen wir die Welt “fühlen” und nicht “verstehen”. Hana wird in ein Untergrund-Tunnelsystem geführt, wo eine alte Frau mit mehreren Büchern und pompösen Kleid auf sie wartet. Die Bücher dokumentieren das Leben eines jeden Menschen. In unverständlichen Zeichen geschrieben (der Vergleich mit Braille scheint recht passend) kann die Wahrsagerin darin lesen und entsprechend die Zukunft voraussagen. Die Zeichen ändern sich, als Hana zu träumen beginnt und im Japan der Samurai-Ära die junge Yuki kennenlernt, die vor einer Horde blutrünstiger Samurai flieht. Hana lernt, dass sie in ihren Träumen von den Samurai den dritten Weltkrieg verhindern kann. Was der Nuklearschlag mit dem Mädchen im Japan vor 500 Jahren zu tun hat, bleibt ungeklärt.

Die fragwürdige Ästhetik und die wahllosen Zusammenhänge kann ich so noch irgendwo akzeptieren, was dem Film allerdings das Genick bricht, ist die Story um Hana. Die Erwachsenen, die Politik (repräsentiert von einem Minister, der nur seine politische Karriere im Sinn hat) als auch die Schule haben Hana nichts zu bieten. Dennoch wird von ihr gefordert, dass sie doch bitteschön die Welt retten soll. Die Welt, die Hana nur mit Füßen zu treten weiß. Als wir dann erfahren, dass das Video, mit dem sie immer von ihrer Mitschülerin erpresst wird, zeigt, wie sich Hana prostituieren musste, um Medikamente für ihre kranke Großmutter zu kaufen, scheint es klar zu sein: Wieso sollte sie sich überhaupt für diese Welt einsetzen? Soll doch der Nuklearschlag kommen. Soll doch die Welt untergehen, die nichts als Verachtung für Hana übrig hat. In letzter Sekunde wird Hana jetzt aber eine alte Kasette mit Walkman von ihrer Mutter zugespielt. Diese versichert ihrer Tochter, sich für sie geopfert zu haben und dass sie ihre Tochter doch liebe. Zu wissen, von ihrer Mutter damals geliebt worden zu sein, macht sich Hana nun doch auf, die Welt zu retten. Die Message ist klar: Man kann aufs Schlimmste ausgebeutet, gedemütigt und geschlagen werden, man kann von der Gesellschaft durchgekaut und ausgespuckt werden, die Lehrer interessieren sich nicht, die Mitschüler erpressen dich, wenn du aber eine sentimentale Kassette findest, wo dir gefühlig deine Mutter sagt, sie liebe dich, dann ist alles wieder in Ordnung. Der Mensch braucht nicht mehr als solche Bekundungen. Ein bisschen, wie für die Pflegekräfte zu klatschen, wenn diese während Corona in den maroden Krankenhäusern für uns sterben müssen. Scheißdreck.

Ichiko (Akihiro Toda)

Diese Filmadaption eines Theaterstücks zeigt eindrucksvoll die Suche von Yoshinori nach seiner Freundin Ichiko, die einen Tag nach seinem Heiratsantrag spurlos verschwindet. Laut dem Regisseur Toda, der zuerst das Theaterstück geschrieben hat, versucht er, Ichiko nicht als autonom handelnden Menschen sondern vielmehr als Marionette darzustellen, indem wir als Zuschauer immer nur in Retrospektive Augenzeugenberichten von Dritten erhalten, die über Ichiko berichten, anstatt dass wir tatsächlich ihre Sicht der Dinge unmittelbar gezeigt bekommen. Ähnlich wie bei Rashomon können wir uns nie sicher sein, ob das Bild, das von den verschiedenen Zeugen gezeichnet wird, tatsächlich so richtig ist, oder ob Ichiko doch ganz anders ist / war. Das funktioniert auf der Erzählebene ganz fantastisch. Ichiko wurde bei ihrer Geburt nie bei den Behörden registriert und musste eine falsche Identität annehmen. Um überhaupt überleben zu können, muss sie zu immer drastischeren Maßnahmen greifen. Ähnlich, wie die Struktur des Films, war sie nie frei, sondern musste sich immer den Umständen unterwerfen.

Die Zeugen an sich sind auch sehr gut geschrieben und ihre Sicht auf ihr Leben und ihre Zeit mit Ichiko zeigen vielschichtig ihren Stand in der Gesellschaft und ihre Träume und Erwartungen vom Leben. Das geht bis hin zu Tanaka, einem Schulfreund, der teilweise als Stalker bezeichnet wurde, sich selbst aber als treuen Partner sieht, der für Ichiko bis in den Tod gehen würde. Einzig mit der letzten Szene hat sich Toda keinen Gefallen getan. Hier sehen wir tatsächlich mal Ichiko selbst, wie sie aus dem Off ihre Zeit mit Yoshinori kommentiert und was die Beziehung mit ihm für sie bedeutete. Hier untergräbt Toda seine eigene Prämisse, Ichiko als Spielball ihrer Weggefährten zu inszenieren. Schade eigentlich, das schwächt den sehr starken Film leider etwas ab.

Kubi (Takeshi Kitano)

In Kitanos Historienfilm geht es um Nobunagas Vereinigung Japans um 1580. Vielmehr Satire als Epos dekonstruiert Kitano hier alles, was mit Heldenverehrung, Geschichtsverblendung und Überstilisierung zu tun hat. Kubi bedeutet Nacken / Hals und der Name ist hier auch Programm. Seppuku, der rituelle Selbstmord, um die Ehre wieder herzustellen, wird hier als Schlachtruf jedem entgegengeschrieen, der nicht hundertprozent auf Linie ist. Schnell wird klar, das hat nichts mit Ehre zu tun, das ist nur die Machtspielerei von Nobunaga und den anderen Generälen. Nobunaga und auch die Generäle Mitsuhide und Hideyoshi werden als narzisstisch, machthungrig und komplett irrational dargestellt. Mitsuhide verrät Nobunaga nur, weil er den Staatsverräter Murashige als Boytoy in seinem Schloss versteckt hält. Nobunaga will, dass Mitsuhide nur ihn liebt, aber im Endeffekt geht’s auch hier nur ums Bumsen. Das hat weder was mit Liebe oder gar mit strategischer Planung für das Wohl Japans zu tun.

Der einzige Seppuku der (halb) freiwillig ausgeführt wird, geht schief. Das Boot, auf dem sich der Selbstmörder befindet, fängt zu wackeln an und der Kopf fällt ins Wasser. Der Sekundant muss hinterherspringen um den Kopf und damit die Ehre zu retten. Grazil ist das alles nicht. Und wenn Hideyoshi zum Himeji Schloss soll, um es einzunehmen, hat er einfach überhaupt keinen Bock. Als er dann auf allen Vieren auf einer Trage über den Fluss geschleppt wird und er seekrank vor sich hinkotzt ist das mit das Erbärmlichste, was ich seit The Mule (2014) gesehen hab. Fantastischer Film.

PHOENIX: Reminiscence Of Flower (Shojiro Nishimi)

Phoenix ist eine moderne Neu-Interpretation des alten Testaments. Romi und George müssen auf einem verlassenen Planeten ihren persönlichen Garten Eden aufbauen. Es geht um zivilisatorische Fragen und menschliche Bedürfnisse. Als die beiden ihren Sohn Cain bekommen, stirbt George und Romi muss sich alleine um das Kind und den Garten kümmern. Eine nicht näher erklärte Krankheit zwingt sie, sich in die Kryostase zu begeben, die aber durch einen Fehler nicht 13 Jahre dauert, sondern 1300. Cain, aus dem mittlerweile ein junger Mann geworden ist, wird verrückt vor Einsamkeit. Immer wieder starrt er den nackten Körper seiner eingefrorenen Mutter an. Da trifft es sich gut, dass ein Gestaltwandler-Alien landet und für Cain die Form seiner Mutter annimmt. Gemeinsam zeugen die beiden eine Familie und legen damit den Grundstein für die Zivilisation, die auf Romi 1300 Jahre in der Zukunft wartet.

Der Film springt in einem viel zu schnellen Tempo durch die Geschichte. Es gibt noch einen ominösen Waffenhändler, die Korruption der eigentlich friedlichen Zivilisation durch das Äußere, eine quasi zerstörte Erde, einen Schiffbrüchigen, der nur zurück will, einen Roboter, der den Geist eines Schulmädchens hat und eine ruchlose Weltregierung. Was kontemplativ beginnt, wird schnell zu einem wirren Weltraumgeballer. Gepaart mit dem Ödipus-Dilemma und einer erzkonservativen Naturverliebtheit wird daraus ein fürchterlicher Murks, den man am liebsten direkt wieder vergessen will.

Inch Forward (Yuchun Su)

Inch Forward zeigt uns die Schwierigkeiten der jungen Regisseurin Kiriko, die ihre filmische Vision trotz aller Widrigkeiten umsetzen will und keine Kompromisse dafür eingeht. Es ist einer der Filme, die eine Liebeserklärung an den (Indie-)Film sind. Knappes Budget, fehlende Hauptdarstellerin, ein Hauptdarsteller, der seine Figur nicht versteht und eine Druck-machende Produzentin sind alles Stolpersteine, die wir auch schon in Filmen wie Red Post on Esher Street und One Cut of the Dead gesehen haben. Hinzu kommen private Sorgen, wie die entlaufene Katze, die Schwangerschaft ihrer Mitbewohnerin und Schwester oder das Verhältnis zum Vater.

Der Film schafft es leider nicht, die Liebe für den Film dem Zuschauer verständlich zu machen. Generell erfahren wir hier nichts über Kirikos Vision und ihre Passion fürs Filmemachen. Wir erfahren nur, dass sie unbedingt eine Szene am Strand will. Warum, verrät sie uns allerdings nicht. Im Gegenteil - Kiriko sagt auch, dass ihr Film keine Botschaft enthalte. Ja, was denn dann? Ist das überhaupt möglich? Stattdessen bekommen wir eine bedeutungsschwangere Szene aus dem potentiellen Film im Waschsalon zu sehen: “Was sind zwei Dinge, die dir kein Dieb stehlen kann?" - "Gesehene Filme und gegessenes Essen.”

Am Ende bleibt es ein sympathisches kleines Filmchen über Kirikos Leben, aber das Filmemachen kommt zu kryptisch daher, sodass man als Zuschauer dann doch eher ratlos den Saal verlässt.

Blue Giant (Yuzuru Tachikawa)

“Ich war Zeuge davon, wie eine Jazzband auf der Bühne heißer brannte als das Feuer. Die Show brannte heißer als Rot - sie brannte Blau”. Das sinngemäße Zitat vom Ende dieses Animes erklärt den Titel und auch den Film als solches. Wir folgen drei jungen Männern - Dai (Tenor-Saxophon), Tamada (Schlagzeug) und Sawabe (Piano) - wie sie ein Jazz-Trio bilden, um die weltbesten Jazzmusiker zu werden. Die Story ist herrlich flach. Noch nicht einmal wird hier das Üben und Lernen des Instruments mit dem Erwachsenwerden gleichgesetzt. Es geht einzig und allein um die Musik.

Die Musik wurde geschrieben von Hiromi Uehara, der weltberühmten Jazzpianistin. Und das merkt man auch. Die zahlreichen Auftritte und Übungssessions sind fantastisch. Die Sorge liegt dementsprechend nahe, dass der Film ein rein audiovisuelles Fest für die Ohren, aber nicht für die Augen ist. Glücklicherweise wurden auch hier keine Kosten und Mühen gescheut, die Auftritte entsprechend zu animieren. Es gibt wilde Kamerafahrten, Close-Ups von den Schweißperlen, Blitze, die durch die Brillengläser der Zuschauenden zucken, Farb-Invertierungen und sonstiges Effektgeballer, dass man meint, Son Goku würde gerade zum Super Sayajin auf der Bühne werden. Allein die Computer generierten Musiker, wie sie vor sich hinjammen, fallen dann doch leider unpassend auf. Nichts desto Trotz ein atemberaubender Ritt. So müssen Musik-Filme aussehen.

Kyrie (Shunji Iwai)

Kyrie startet als Roadmovie und auch ein bisschen als Musikfilm. Wir folgen Kyrie, einer jungen, obdachlosen Kleinkünstlerin, die versucht, sich auf den Straßen Tokios mit ihrem Gesang einen Namen zu machen. Außerhalb des Gesangs kann Kyrie nicht sprechen, da ihr - so erfahren wir später - ansonsten unkontrolliert die Tränen kommen würden. Außerdem lernen wir Ikko - eine Heiratsschwindlerin - und Natsuhiko - einen aufstrebenden Elitestudenten - kennen. Über mehrere Zeitstränge wird einfühlsam erzählt, was das Trio eint. Im Mittelpunkt all dessen steht das Erdbeben und die Flutkatastrophe aus 2011.

Die Gesangskarriere von Kyrie wird überraschend unaufgeregt erzählt. Sie ist von Anfang an sehr beliebt und alle möglichen Musiker und Produzenten springen fröhlich durchs Bild und wollen alle mit ihr zusammen arbeiten. Dramatischer wird es auf jeden Fall bei den Rückblenden zur Flut. Hier lässt der Film sich auch sehr viel Zeit, damit die Wucht der Welle umso größer wird. Generell gibt sich der Film alle Mühe, den Figuren und der Geschichte so viel Raum wie möglich zu lassen. Dadurch wird es zuweilen leider etwas zäh und unfokussiert. Wenn wir, nachdem wir Zeuge der verzweifelten Rettungsaktion vor der Flutwelle wurden, wir direkt in die nächste Jamsession 10 Jahre später springen, ist das dann doch nicht so stimmig. Dennoch unterm Strich ein starker Film, der mit der Performance Kyries auf einer unerlaubten Bühne - dank der Stimme von AiNA the End - ein fulminantes Finale findet.

Best Wishes to All (Yuta Shimotsu)

Ein Horrorfilm, der auf einem Kurzfilm vom gleichen Regisseur basiert. Die zentrale Frage ist: Wie würden wir unseren Mitmenschen begegnen, wenn Glück ein Null-Summen-Spiel wäre? Damit einer glücklich sein kann, muss ein anderer leiden. Starke Idee, visuell herrlich absurd und eine beklemmende Atmosphäre machen aus dem knapp 90 Minütigen Film eine runde Sache.

Im Q&A wies der Regisseur die Frage nach dem Kapitalismus zwar zurück, doch wenn die verrückte Tante die Zusammenhänge erklärt und explizit die Kinder in Afrika erwähnt, dass diese vielleicht bald nicht mehr für die Industrienationen leiden müssen, sind die Parallelen nicht zu übersehen.

Penalty Loop (Shinji Araki)

Stichwort Erwartungshaltung: Die Nippon Connection Webseite beschreibt Penalty Loop als “spannenden, harten und psychologisch ausgefeilten Thriller”. Auch der Regisseur in seinen Eröffnungsworten verspricht uns, dass wir uns an unseren Armlehnen festkrallen werden. Entsprechend habe ich einen Thriller im Stile von I Saw the Devil erwartet, wo man am Ende nicht mehr weiß, wer jetzt eigentlich Täter und wer Opfer ist. Als die ersten Gags und Blödeleien auf der Leinwand zu sehen waren, war ich dann doch sehr irritiert. Schnell musste ich meine Erwartungen umschwenken. Dann konnte ich mich doch noch auf den Film einlassen.

Die Idee, einer virtuellen Rachegeschichte, die zwingend in einem anderen Land, welches mit dem Strafvollzug und dem Justizsystem des eigentlichen Landes nichts zu tun hat, ist genial. Wir stecken alle in einem Wertesystem und einer Gesellschaft fest und müssen nach deren Regeln agieren. Das Versprechen, nach einer Genugtuung außerhalb dieser Regeln muss daher zwangsläufig aus einem anderen, fremden System kommen. Starker Film, dem eine klarere Stimmungs-Ausrichtung gut getan hätte.

Fazit

Nach einem verhaltenen Start haben wir doch ein paar sehr schöne Filme sehen können. Abgerundet wurde das volle Programm dann kulinarisch mit verschiedenen Essensständen und dem obligatorischen Sake-Tasting. Ich freu mich schon auf nächstes Jahr!


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