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Houstons Rakete

Dillon Brooks muss man einfach mögen. Okay, das stimmt nicht. Gerade im Lauf der vergangenen Saison wurde es phasenweise ziemlich anstrengend mit dem früheren Chef-Bärenanstupser der Grizzlies, der nicht zuletzt deshalb jetzt ja nicht mehr in Memphis spielt. Ich muss trotzdem gestehen, dass mir die #RevengeSZN von “Dillon the Villain” einen gewissen Spaß bereitet.

Nach Memphis’ Playoff-Aus ließ die Franchise medial durchsickern, dass der werdende Free Agent Brooks um keinen Preis gehalten werden solle. Da er sich zuvor (in teils peinlicher Manier) mit LeBron James angelegt hatte und dabei zur Lachnummer mutiert war, schlussfolgerten einige, dass seine nächste Station irgendwo in China sein könnte. Als gäbe es keinen Platz in der NBA für einen Wing, der vergangene Saison (!) ein All-Defensive Team erreichte und seit Jahren zwischen 14 und 18 Punkte auflegte, wenn auch längst nicht immer effizient. Es wirkte alles ein wenig überzogen - nicht unverschuldet von Brooks, aber doch ein bisschen drüber. Seither läuft es aber prächtig für den unflätigsten Kanadier seit Terrance & Phillip.

86 Millionen über vier Jahre gab es in Houston. Im Sommer gab es eine Bronzemedaille mit Kanada, bei der Brooks im Spiel um Platz drei gegen Team USA zu Stephen Curry mutierte. Und jetzt gibt es Siege mit den Rockets, vier am Stück derzeit, zuletzt gegen - logisch - LeBron. Houston steht jetzt bei einer 4-3-Bilanz, Memphis steht auf dem letzten Platz der Western Conference (1-7) und könnte Brooks ganz gut gebrauchen, der in Houston weniger wirft als in jeder Saison seit seinem Sophomore-Jahr (18/19), aber neuerdings einer der effizientesten Scorer der Liga ist (16,3 PPG bei 59/57/94-Splits?????????). Wie gesagt, es läuft prächtig.

Eigentlich sollte es hier heute aber um einen seiner Teammates gehen. Dessen Leap ist langfristig vermutlich sogar noch wichtiger als der Keyser Söze-Moment von Brooks …

Alperen Sengün ist vielleicht nicht das größte Talent in der imposanten Sammlung der Rockets. Über die vergangenen beiden Jahre war der Türke jedoch der interessanteste Spieler im Kader, derjenige, der ein teilweise unerträgliches Team wenigstens ein bisschen erträglich machte. Weil er Sachen ausprobierte, die manch einem Mitspieler fremd wirkten, etwa “Passen”. Weil er eine teilweise virtuose Fußarbeit zeigte, einen etwas kuriosen, aber effizienten Push Shot, weil er dem Team offensiv zumindest den Ansatz einer Struktur verleihen konnte, wenn er auf dem Court stand.

Sengün war daher einer der ersten Namen, die mir in den Sinn kamen, als Ime Udoka als Head Coach in Houston vorgestellt wurde. Ich sah die Gefahr, dass Udoka Sengün aufgrund seiner defensiven Defizite auf die Bank setzen würde, dazu passte auch das Gerücht, dass Houston eigentlich einen gestandenen Defensiv-Center - Brook Lopez - als Free Agent holen wollte, den man Sengün vermutlich vor die Nase gesetzt hätte. Ich sah aber auch die Chance, dass Udoka die Offense neu strukturieren und etwas mehr über Sengün aufziehen würde. Bisher geschieht tatsächlich Letzteres und es ist Sengün, nicht etwa sein Jahrgangskollege Jalen Green, der in Houston den größten Sprung nach vorne zu machen scheint.

Die Offense der Rockets läuft erstmals konsequent über Sengün. Er schließt logischerweise nicht jeden Angriff ab, wenngleich seine Usage-Rate laut Cleaning the Glass von 22 auf über 25 Prozent gestiegen ist. Sengün ist aber auch involviert, wenn er selbst nicht den Wurf nimmt oder den letzten Pass spielt - seine Touches sind allgemein gestiegen, via nba.com/sta (Öffnet in neuem Fenster)ts verzeichnen nur fünf Spieler mehr Frontcourt-Touches als er (43,6), allesamt mehrfache All-Stars (Jokic, Embiid, Sabonis, Durant, Randle). Houston nutzt Sengün als Hub der Offense. Er spielt nur zwei Minuten mehr als im Vorjahr, seine offensive Verantwortung ist aber ungleich größer.

Bisher zahlt Sengün es mit Leistungen auf All-Star-Level zurück (18,3 PPG, 8,3 RPG, 6,6 APG). Er scort deutlich effizienter, die effektive Wurfquote ist um fast genau 6 Prozent gestiegen (62 Prozent). Den Dreier nimmt er nur im Notfall, viel lieber geht Sengün in den Post und lässt Verteidiger wie hier Christian Wood mit seiner Fußarbeit alt aussehen (aktuell exzellente 1,30 Punkte pro Play - kleine Stichprobe, eh klar!).

Fast doppelt so häufig wie im Vorjahr nutzt Sengün Plays als Roll-Man und ist auch hier stärker geworden (1,21 Punkte pro Play). Relativ selten geht er dabei bis zum Korb durch, häufiger schließt Sengün aus der (oft kurzen) Mitteldistanz ab wie hier gegen Orlando. Sengün profitiert dabei enorm von der Ankunft von Fred VanVleet, dem ersten echten Point Guard, mit dem er in der NBA auf dem Court stehen durfte:

Den patentierten Push Shot hat er logischerweise auch nach wie vor im Gepäck.

Sengün wird bisweilen gerne mit Jokic verglichen, das ist meiner Meinung nach übertrieben, zumal sich seine Range nur bedingt bis nach draußen erstreckt und er auch in Korbnähe nicht diesen übernatürlichen Touch hat. Sabonis ist ein passenderer Vergleich, wenngleich der Litauer deutlich physischer spielt als Sengün. Der Türke hat auch etwas von Kyle Anderson - er bewegt sich langsam aber denkt schnell, immer wieder erwischt er Verteidigungen auf dem falschen Fuß.

Sein bestes offensives Tool sind dabei nicht die eigenen Abschlüsse. Sengün machte sich über die vergangenen Jahre einen Namen als kreativer, teilweise wilder Passer. Kreativ ist er immer noch, eine der größten Neuerungen im Vergleich zum Vorjahr ist aber die weitaus größere Kontrolle in seinem Passspiel. Sengün bereitet aktuell ein Drittel der Field Goals seiner Teamkollegen vor, wenn er auf dem Court steht - das toppen unter Bigs nur Jokic und Draymond. Er leistet sich dabei viel weniger Ballverluste als im Vorjahr, die Turnover-Rate ist auf 9,9 Prozent gefallen (zuvor 16,8) - das ist bei der größeren Verantwortung bemerkenswert. Es ist vielleicht auch eine Folge der besseren Struktur in Houstons Offense.

Aus neutraler Sicht ist natürlich zu hoffen, dass er sich weiterhin traut, auch solche Dinger auszuprobieren …

… dennoch wird sich sein Coach über diesen Fortschritt, diesen etwas seriöseren, effizienteren Ansatz von Sengün sicherlich freuen. Was umso mehr für die Defensive gilt. Denn auch hier ist Sengün besser geworden und erfüllt nun zumindest die Mindestanforderungen, um unter Udoka auf dem Court stehen zu dürfen.

Die Rockets stehen aktuell auf Platz sieben defensiv, was ich allerdings nicht zu hoch hängen würde, denn: Gegnerische Teams treffen bisher 23 Prozent ihrer Eckendreier und 33 Prozent ihr Gesamt-Dreier, was in der Form in ein paar Wochen garantiert nicht mehr der Fall sein wird. Gerade in der Frühphase der Saison ist Shooting Luck ein Faktor, den man nicht außer Acht lassen sollte, bevor man die Rockets (Top 10 in Offense UND Defense!!!) zum Contender erklärt.

Wichtiger ist für den Moment, dass auch hier eine Struktur erkennbar ist. Houston lässt nicht viele Abschlüsse am Ring zu, übt mit seinen Wings Druck am Ball aus (Dillon!!!) und hilft Sengün, der nie der klassische Ringbeschützer sein wird, dadurch enorm. Sengün selbst erledigt aber auch seinen Job, in der Regel als Drop-Verteidiger, der Driving Lines geschickt zustellt und es den Wings ermöglicht, den ballführenden Spieler wieder “einzuholen”. Teilweise vertrauen ihm die Rockets mittlerweile sogar mit Switches. Nicht immer erfolgreich, aber Sengün tritt defensiv deutlich besser und engagierter auf als in den vorigen Jahren.

Er kann und wird nie ein DPOY-Kandidat werden - das ist aber in Ordnung. Er muss es vorerst nur schaffen, defensiv als neutral durchzugehen und aus der “Zielscheibe”-Zone herauszukommen. Er muss nicht der Grund für eine gute Defense sein, aber eine Rolle darin spielen können.

Aktuell ist Houstons Defensiv-Rating um 13,2 Punkte besser, wenn Sengün spielt - das ist allerdings auch mit Vorsicht zu genießen und hat wieder relativ viel mit Shooting Luck zu tun. In einigen Wochen werden wir hier etwas klüger sein. Ich glaube allerdings schon jetzt, da es einen Trend aus den Vorjahren bestätigt, an seinen offensiven Impact - Houstons Offense ist mit Sengün auf dem Court um 10,7 Punkte pro 100 Ballbesitze besser (letztes Jahr: 6,8 Punkte). Hier kann er wirklich ein Spieler werden beziehungsweise sein, der langfristig einen Unterschied macht.

Und die Rockets? Die nächsten Spiele sind vs. NOP, vs. DEN, @ LAC, @ LAL und @ GSW (back-to-back). Ich glaube nicht, dass die positive Bilanz oder die Top-Ratings danach noch in der Form stehen … aber das ist in Ordnung. Es gibt endlich wieder so etwas wie einen Plan in Houston und Gründe, um gelegentlich genauer hinzusehen. Vor allem einen.

THE PLUG

Im aktuellen Korbjäger Podcast haben wir über das Clippers-Debüt von James Harden, das Potenzial der auf einmal defensivstarken Timberwolves und vieles mehr gesprochen:

https://www.youtube.com/watch?v=DV9WyeX8qiQ (Öffnet in neuem Fenster)

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Für ran.de (Öffnet in neuem Fenster) habe ich mir den heißen Saisonstart der Mavericks angesehen (Öffnet in neuem Fenster). Logischerweise gab’s am Tag danach direkt eine Niederlage. Der Fluch ist nach wie vor real.

Dazu nochmal eine Podcast-Empfehlung - bei Sidelines hat der Kollege Len Werle unsere Hall of Game-Folge zu Kevin Garnett hochgeladen. Wer Hall of Game noch nicht kennt, bekommt hier einen ziemlich guten Einblick:

https://open.spotify.com/episode/1xm4RP5EQKGChjq88uV6w2?si=NjgY6qHwSU-pLqm2OPocIw (Öffnet in neuem Fenster)

SOUNDTRACK

https://www.youtube.com/watch?v=f4zlTO8Vq8Q (Öffnet in neuem Fenster)