Das Wemby-Fieber ist real

Natürlich wurde er in der heutigen Nacht nicht eingesetzt. Er spielt schließlich für die Spurs, die Erfinder von Load Management, auch wenn es dieser üblen Angewohnheit dank der neuen Regeln nun ja endgültig an den Kragen gehen wird. Vielleicht wollte Gregg Popovich mich für diese Aufgabe aber auch einfach nur nicht überfordern.

Es ist ja nicht so, dass Victor Wembanyama noch nicht genug gezeigt hätte. Aus den zwei Preseason-Spielen, die er absolviert hat, ließe sich schon ein Mixtape schnitzen, das unterhaltsamer ist als viele Karriere-Retrospektiven. Man liest das vermutlich heraus, aber ich bin mittlerweile bereit, jeden Hype zu glauben und mitzutragen. Wembanyama stellt auf dem Court fast alles auf den Kopf, was man über die Jahre gelernt zu haben glaubt.

Wenn er auf dem Court steht, will man keine Sekunde verpassen. Aufs Handy schaut man nur in Auszeiten, wenn man sehen will, ob andere DAS gerade auch gesehen haben und was sie damit anfangen.

Eine Auswahl (wie gesagt, aus zwei Spielen!) folgt hier - und ein Hinweis dazu: Leider werden die Twitter-Clips im Mail-Postfach nicht automatisch geladen. Stand jetzt lässt sich das Ganze daher im Browser angenehmer lesen. Ich versuche herauszufinden, wie es sich in der Mail direkt anders darstellen lässt. Auf geht's.

DER STEAL

Wie klein wirkt der Court, wenn man gegen eine koordinierte, spielintelligente und flinke Giraffe spielen muss? Das ist wirklich ausschließlich nett und staunend gemeint: Wembanyama hat bei dieser Aktion einen Fuß fast direkt an der Dreierlinie und eine Hand innerhalb der Freiwurflinie. Das sind 2,44m Armspannweite in Aktion – es gibt fast nichts, was für den Franzosen auf dem Court nicht in Reichweite wäre, zumal er mit einem weiteren Schritt direkt am Korb wäre. Wie sehr er den Court damit schrumpft, zeigt sich auch beim nächsten Beispiel.

DER BLOCK

Sam Vecenie hat eigentlich schon alles gesagt. Außer vielleicht: Für ca. 99,5 Prozent der Spieler in der NBA ist dieser Block nicht möglich, und das ist konservativ geschätzt. Das macht die Aussicht, Wemby als Vierer neben einem Center spielen zu lassen und ihn des Öfteren auf Wings zu setzen, noch um einiges reizvoller. Er ist offensichtlich auch dann nicht geschlagen, wenn er geschlagen wurde.

DER BLOCK, PT.2

Spoiler Alert: Wir werden Thomas Bryant noch einmal sehen … was mich hier jedoch mehr beeindruckt als der Block, ist die Tatsache, dass die Heat ihre Überzahl eigentlich ja sinnvoll ausspielen. Wembanyama liest die Situation aber genau richtig, springt beim Pass nicht und ist schnell genug bei der Drehung und seinem Contest. Und auch sonst wäre er nicht zwingend geschlagen gewesen – in Frankreich war regelmäßig zu sehen, wie schnell er nach dem ersten Sprung wieder in der Luft sein kann, um nicht nur den ersten, sondern im Zweifel auch den zweiten, dritten und vierten Versuch der Offense zu erschweren oder einzukassieren.

Ich bin mir relativ sicher, dass Wemby von Tag 1 an einen großen defensiven Impact haben wird und eher früher als später in der DPOY-Konversation landen wird. Nüchtern betrachtet wirkt er an diesem Ende wie eine Kombination aus Hakeem Olajuwon, Shawn Bradley und dem Marsupilami. Ich bin angetan.

Zur Offense:

Gut möglich, dass viele Teams Wembanyama mit Wings verteidigen werden, zumal er bei vielen Plays offensiv am Perimeter startet. Das ergibt durchaus Sinn, zumal es Stand jetzt wohl die beste Defense gegen ist, auf den Steal zu gehen oder ihn zum Jumpshooter zu machen. Wembanyama hat ein relativ tiefes Dribbling, ist aber eben so groß, dass der Ball trotzdem lange unterwegs ist, und dadurch anfällig für Steals (ein junger Kevin Durant hatte mal ähnliche Probleme). 8 Turnover leistete er sich in der Preseason bisher und es ist davon auszugehen, dass er über die Saison in dieser Hinsicht weit vorne sein wird, weil die Spurs ihn machen lassen werden. Er kann und soll ja durchaus alles ausprobieren, was sein immenses Skillset hergibt. Und das führt schon jetzt auch zu solchen Szenen:

DER LAYUP

Wemby ist kein physischer Driver und kommt nach Kontakt mit dem Gegenspieler manchmal ein wenig ins Torkeln, was zu wilden Finishes führt. Besser sieht es aus, wenn er seinen gigantischen Spin-Move einsetzt und sich am Kontakt quasi vorbeischlängelt. Der Touch und die Awareness für den zweiten Gegenspieler, einen ebenfalls recht großen Spieler namens Chet Holmgren, die von Wemby hier gezeigt werden, demonstrieren eindrucksvoll, dass er am Korb nicht dunken muss, um erfolgreich zu sein.

DER STEPBACK

Vielleicht müssen wir zu der oben genannten Kombination mit dem Marsupilami generell noch Durant hinzufügen. Ich denke nicht, dass Wembanyama solche Würfe als Rookie hochprozentig treffen wird, aber das spielt erstmal keine Hauptrolle. Dass er solche Bewegungen überhaupt im Repertoire hat, ist wichtiger. Die Koordination, aus dem Drive nahtlos in den Stepback-Jumper überzugehen, ist bemerkenswert und vollkommen beispiellos für einen Spieler seiner Größe. Er hat noch Zeit, um an Wurfauswahl und Konstanz beim Jumper, auch von draußen, zu arbeiten. Die wichtigsten körperlichen Werkzeuge hat er schon und dabei einen Release, der so hoch ist, dass ihn nicht allzu viele Leute blocken können. Die restlichen NBA-Teams hoffen ziemlich sicher darauf, dass Wurfauswahl und Konstanz noch lange auf sich warten lassen.

DER DUNK

Schon jetzt gibt es nichts, das Wembanyama daran hindert, eine absolute Waffe in Transition zu sein. Man kann ihm den Ball nicht klauen, wenn er nicht dribbelt, und das muss er nicht, wenn er den Ball in der Bewegung auf der Höhe der Dreierlinie bekommt. Good Job, Jeremy Sochan! Giannis Antetokounmpo könnte das in der Form vermutlich auch. Sonst noch jemand? Irgendjemand?

DER ALLEY-OOP

DRIBBELN MÜSSEN ANDERE!

DER DUNK, PT.2

Ich weiß, Thomas Bryant, ich weiß … ach, ich weiß es doch auch nicht.

Das muss fürs erste reichen. Dazu sei gesagt, dass die mickrigen zwei Spiele noch mindestens sechs weitere Szenen beinhaltet haben, die ich hier hätte aufführen können. Ich gehe stark davon aus, dass Wembanyama in jedem NBA-Spiel mindestens drei Szenen haben wird, die jeden Zuschauer einfach nur staunend zurücklassen. Wahrscheinlich mehr. Ich bin gespannt.

Natürlich ist das hier alles nur die Preseason und in der Regel sollte man nicht überbewerten, was man in diesen Spielen zu sehen bekommt. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass Jonathan Kuminga von jetzt an der beste Scorer der Liga ist. Bei Wemby wiederum bin ich absolut bereit dafür, alle Vorsicht und Disclaimer aus dem Fenster zu schmeißen, die ich normalerweise einsetzen würde.

Lehnen wir uns also aus dem Fenster: Wemby wird, wenn er genug Spiele macht, der erste Rookie seit Blake Griffin, der zum All-Star Game eingeladen wird. Auch, aber nicht ausschließlich wegen dem Fan-Vote. So! Hier habt ihr es zuerst gehört.

THE PLUG

In der vergangenen Woche sind wir im Korbjäger Podcast die Players to Watch bei allen Teams durchgegangen. Eventuell wurde Wembanyama dabei auch genannt. Die Teams der Western Conference:

Teil 2 mit der Eastern Conference erschien am Freitag exklusiv für Abonnenten bei Patreon (Öffnet in neuem Fenster).

Für ran.de (Öffnet in neuem Fenster) habe ich in meiner Kolumne ausführlich über die 2021er Draft-Klasse (Öffnet in neuem Fenster) geschrieben, die mich nach wie vor fasziniert.

Soundtrack der Woche

Das neue Album von Westside Gunn würde ich insgesamt als durchwachsen bezeichnen, aber es hat seine Momente. Die meisten davon involvieren, wie schon auf den letzten WSG-Alben, Stove God Cooks. Und besser als hier waren die beiden vermutlich noch nie.

Bis zum nächsten Mal!