Zum Hauptinhalt springen

Mittwochs-Kolumne: Bier und Gurken

Vorwort: So sieht also nun mein Leben aus. Ende 30, pleite, alleine in einer leeren Wohnung und gerade im Moment rechne ich aus, wieviel mich eine Haarwäsche mit Roggenmehl kostet. Okay, kann man wohl machen. Ich habe zig angefangene Romane auf der Festplatte, noch mehr handgeschriebene Gedichte und weiteres kreatives Chaos, das mich keinen Cent weiter bringt. Der vorletzte Ex-Freund trieb mich emotional in den Ruin, der davor hat das finanziell geschafft. Ich bin gut, so gut. Zumindest im Überleben. Meine neuen besten Freunde nennen sich Cashflow-Tabelle 2018 bis 2026 und eine Excel-Datei, in der steht, dass mich eine Scheibe Pumpernickel 11 Cent kostet. Darauf trinke ich doch glatt ein Pale Ale – natürlich vom letzten Jahr, denn dieses Jahr könnte ich mir keines mehr leisten.  Willkommen in meinem Leben, das bin ich: Hauptberuflich Pleitegeier, nebenberuflich, Sozialhilfe für Straßenhunde und Männer.

Tag fünf – Erwachsen geworden?

In diesem ganzen Zirkus, der sich um die tägliche Nahrungsaufnahme bzw. erstmal um die Beschaffung dieser dreht, zwischen Gedanken an BigBen, zwischen ihn hassen und vermissen gleichzeitig. Das übliche sich fragen, ob man selber doch zu viele Fehler gemacht hat, dann aber wiederum merken, dass es vermutlich so oder so keinen Sinn mit uns beiden gemacht hätte. Kurzer Realitätscheck sagt: Er so der Typ „ich kann stundenlang über Fische referieren und diese anstarren, ein Hund kommt mir aber nicht aufs Sofa“, während ich eher so der Typ crazy dog lady und Fische sind zum Essen da“ bin.
Er so der Typ "ich bin extrem patriarchisch erzogen worden, gib mir deine EC-Karte, ich zahl dir dein Geld aus", während ich mehr so der Typ "Alter, hast du n Sockenschuss, ich kann für mich selber sorgen" bin.
Hm. Meine Hippiebude versus sein steriler Neubau. Ich nenne diese Art Wohnungen auch gern „charakterlose Subjekte mit dem Charme eines Krankenhauses“. Zugegeben, mit dem Mäuseproblem (Update: war auch n Siebenschläfer dabei) bin ich da mit meinem Hof wohl natürlich schlechter dran. Während nun also meine Gedanken tagtäglich darum kreisen, wie lange ich diesen Job noch aushalten kann, ob ich mir nachmittags noch etwas zu essen machen kann und wie ich dieses Wanderding im Mai überstehen soll schleichen sich auch andere Gedanken ein. Werde ich langsam erwachsen, ohne es zu merken? Hätte ich nicht schon längst erwachsen werden sollen? Aber wie?
Ich weiß, dass ich im Leben noch so einige Baustellen habe, aber auch, dass aus mir nie ein straightes Business-Weibchen wird, das knallharte Ansagen macht. Dafür möchte ich viel zu sehr gemocht werden. Aber ich frage mich auch, ob ich irgendwann in den letzten Jahren, als ich rausfand, was ich im Leben möchte – nämlich Natur, reisen, naturnah wohnen in einer kleinen Hütte mit meinen Hunden – da den Absprung verpasst habe. Nicht realisiert habe, dass ich diese Träume auch gezielt anpacken muss? Mit harter Arbeit. Nicht mit einem harten Mann. Pun intended. Mit BigBen hätte ich rein theoretisch das alles haben können. Theoretisch. Ich wollte das auch, sogar praktisch. DACHTE ich.

Übrigens merke ich nach dieser kurzen Zeit finanziellen Bankrotts bereits, wie sich meine nun eben sehr reelle miserable finanzielle Situation auf mein ganzes Verhalten auswirkt. Heute im Aldi erst wieder nur das Nötigste gekauft, mir BEWUSST eine Tüte Chips gegönnt und an der Kasse entdeckt, dass die Lady vor mir Sportsocken gekauft hat. Normalerweise wäre ich sofort umgedreht, hätte die Socken gesucht und gleich aufs Band geworfen (so kam ich damals auch zu meinem tollen Nierenwärmer, den eine 80jährige Oma bei Aldi vor mir aufs Band gelegt hat. Habe den Kauf übrigens noch nie bereut). Also bin ich zum Auto, meine Sachen abgestellt, habe kurz überlegt, ob ich die zwei Euro für die Socken noch übrige habe und bin rein um die Socken zu holen. Zu Hause passe ich besser auf meine Sachen auf, früher war ich oft zu faul, und habe das Essen nicht in den Kühlschrank gepackt, sondern alles stehen lassen, in der Hoffnung, man kann es am nächsten Tag noch essen. Jetzt will ich auf Nummer sicher gehen und packe alles fein säuberlich in Tupperdosen und räume es in den Kühlschrank. Ich glaube, ich fange an, erwachsen zu werden. Verantwortung zu übernehmen und meine Grenzen zu erkunden. Spannend.