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Saison der Symbole

Die Lage/Das Buch Endzeit/ Jodie Foster in Nyad/Veganes Foie gras

Einer der schönen Termine kurz vor Jahresende ist für mich die Herbstsitzung der Académie de Berlin (Öffnet in neuem Fenster) in der französischen Botschaft. Der kluge Botschafter François Delattre sprach dieses Mal ungewöhnlich offen und wie man in neuem Französisch sagt, cash über den Zustand der Welt. Weil es keine öffentliche Veranstaltung ist, werde ich ihn nicht zitieren. Mein innerer Kommentar bestand jedenfalls aus drei Buchstaben: Puh. Aber er sah auch Lichtblicke. In den deutsch-französischen Regierungsbeziehungen sei neuer Schwung zu bemerken, es gehe nach einer langen Latenzperiode entschieden voran.

Meine Beobachtung ist, dass beide Länder, beide Systeme und ihre Parteien an dieselben Grenzen stoßen: Zu groß, um sich hinter anderen zu verstecken, aber zu klein, um wirklich etwas bewegen zu können im Spiel der globalen Mächte. In beiden Kulturen hat man sich eine ängstliche Fixierung auf den drohenden Untergang angewöhnt, taucht die Gegenwart in das orange Licht nahender Apokalypsen. Jede Entwicklung wird zum Symbol. Bildungsprobleme, Klimawandel, künstliche Intelligenz – auf all diesen Feldern gibt es auch Fortschritte, aber in der Optik nahender Endzeit erscheint alles aussichtslos. Vielleicht reicht es damit auch irgendwann mal.

Es liegt im Interesse der Feinde der offenen Gesellschaft, ihr Ende vorherzusagen. Aber nicht in unserem. Warum auch? Das Regime von Putin, jenes in Beijing oder in Teheran – sie hätten bei fairen Wahlen keine Chance. Die Bürgerinnen und Bürger dort würden aufatmen, wenn sie anders regiert würden. Niemand flieht dort hin, viele aber von dort. Menschen riskieren Ihr Leben, um gegen diese Systeme zu protestieren. Ihr Mut beschämt uns, die wir doch so oft zaudern und zögern, die Freiheit zu verteidigen. Putin turnt noch auf der Weltbühne herum, aber die Sanktionen beginnen zu wirken (Öffnet in neuem Fenster) und sein Spielraum wird enger. Das einzige Feld, auf dem seine Leute nahezu ungehindert herumfuchteln können, ist die digitale Propaganda. Und der größte Markt dafür ist die Europäische Union, hier verdienen die Plattformen ihr Geld. Zeit, das zu regulieren. Europa verzwergt sich selbst. Es gilt auch für die mediale Darstellung der politischen Lage. Die Parteien der extremen Rechten und andere Kreml freunde erfreuen sich großen Zuspruchs - stimmt. Aber mindestens 75% der Menschen lehnen diesen Wahnsinn ab. Warum immer noch und ohne Not ganze Fernsehsendungen um die Protagonisten eines russlandfreundlichen Kurses konzipiert werden, gehört zu den großen Rätseln der Gegenwart. Wenn man sich besieht, was Europa alles zu bieten hat, wie resilient, gebildet und engagiert die Zivilgesellschaft, also schlicht die Leute sind, darf man Vertrauen schöpfen.

Ich glaube nicht an eine düstere Zukunft für Europa. Es wird Veränderungen geben, mehr Kooperation, womöglich werden einige ärmer und die Steuern höher. Wir werden es überleben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde bekanntlich ein Lastenausgleichsgesetz beschlossen, um den Wiederaufbau zu finanzieren und zugleich wurden zwölf Millionen Vertriebene aufgenommen. Diese Belastungen führten aber nicht zu einem neuen Krieg, sondern zu einer Ära internationaler Kooperation.

Die multiplen Krisen werden neue Kräfte wecken, neue Personen auf den Plan rufen und heute noch unbekannte Entwicklungen fördern. Nur Nichtstun, das Verkriechen in der Illusion einer permanenten Gegenwart, ist gefährlich – die Passivität des Westens nach den Massakern des Regimes in Syrien am eigenen Volk haben die Gegner ermutigt und uns heute in diese brenzlige Lage manövriert.

Kurz nach dem ich das obige super symbolbeladene Foto (Christbaum/Menora/Quadriga) aufgenommen hatte, überquerten wir den Pariser Platz, um im Hotel Adlon ein Getränk einzunehmen. Wir saßen in einer lauschigen Ecke, die an die Festsäle des Hauses angrenzt. Plötzlich kamen viele schicke Uniformierte mit eleganten Damen herein. Sie gingen ganz nah an uns vorbei. Unter ihnen, mit silbernem Haar und romantisch leerem Blick, leicht existenzialistisch durch den fragwürdigen Prunk seiner Welt flanierend, der König von Belgien.

Wen es nicht beeindruckte, war Ulrich Wickert, der secrétaire perpétuel unserer wunderbaren Académie. Er trank cool sein Bier, kannte aus dem Stegreif diverse Anekdoten über den Mann und wusste sogar, was auf der Kreditkarte des belgischen Königs steht: Philippe de Belgique.

Ganz zufällig stieß ich in einer Buchhandlung auf eine Neuerscheinung, die meiner Stimmung entspricht. Es war in einem Bahnhof. Natürlich herrschte das übliche Zugchaos: Ausfälle, ausfallende Ersatzzüge und Widersprüche zwischen App und Anzeigetafeln. Man konnte es leicht als infrastrukturellen Totalschaden deuten und es war auch wirklich nicht schön. Aber am Abend war ich mit einer Verspätung unter einer Stunde zu Hause, sicher und komfortabel. Die Schwächen der Bahn sind auch nicht das Ende der Welt.

In diesem Buch jedenfalls werden die vielen positiven und Hoffnung stiftenden Entwicklungen der Gegenwart aufgezählt, die es in die Medien nicht immer in angemessener Ausführlichkeit schaffen. Ein Handbuch gegen Daueralarm und permanentes Klagen, sehr wichtig in dieser dunklen Zeit.

Im Werk von Jodie Foster geht es um die Suche nach immer neuen Herausforderungen und immer schrägeren Geschichten. Hier gibt Jodie die Freundin und Trainerin der Meisterschwimmerin und Nervensäge Diana Nyad. Sie versucht mehrfach, die Strecke zwischen Florida und Kuba zu schwimmen, scheitert aber an Haien und Quallen und überhaupt scheint es keine gute Idee zu sein. Der Film ist eine Studie über Frauen, die ohne Aussicht auf Erfolg, mit mangelnden Mitteln und am Rande der Lächerlichkeit eine große Sache durchziehen. Kein Thriller, keine Komödie, keine Liebesgeschichte – ein Film über Freundschaft, das Älter werden und die Begegnung mit Quallen. Subtil verwoben mit politischen Statements zu Homosexualität, sexualisierter Gewalt im Sport und Vermögensungleichheit.

https://www.netflix.com/watch/81447231?trackId=255824129&tctx=0%2C0%2C5a4a506f-c078-4229-8c8d-19d9180c172e-207441615%2C5a4a506f-c078-4229-8c8d-19d9180c172e-207441615%7C2%2Cunknown%2C%2C%2CtitlesResults%2C81447231%2CVideo%3A81447231%2CminiDpPlayButton (Öffnet in neuem Fenster)

Es gibt viele gute Gründe, kein foie gras zu essen. Leider ist meine Liebe zu diesem traditionellen Gericht viel, viel älter als meine Urteilskraft. Foie gras war die beste Speise der besten Mahlzeiten, an hohen Festtagen. Die Kraft des guten Arguments – die armen Gänse!– dringt in diesen emotionalen und symbolischen Bereich gar nicht erst vor. Wer das hingegen spielend schafft, ist meine Tochter und sie legte mir dezent nahe, es auch mal mit so etwas, einer veganen Alternative zu versuchen. Pourquoi pas?

https://www.eat-this.org/vegane-foie-gras/ (Öffnet in neuem Fenster)

Kopf hoch,

ihr

Nils Minkmar

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