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Der Tag der Tasche

Es gibt sie noch, die guten Menschen/ Die dritte Republik/Serie: Wohnwagenbrigade/Etchebest und ein Huhn

Vorgestern war ich mit einem Freund zu einem Spaziergang verabredet. Wir hatten uns lange nicht gesehen, viele Themen zu besprechen. Bücher, Politik, Familie – das ganze Leben eben. Als wir den Rückweg antraten, suchte ich nach meinem Schlüssel, den ich wie immer im letzten Fach  meiner Ledertasche geparkt hatte. Ledertasche? Ich sah an mir herab und sah, dass ich nichts sah. Wir gingen den Weg ab, die Bänke, auf denen wir pausiert,  und zu dem Café, in dem wir uns getroffen hatten. Keine Spur einer Tasche.  Ich wusste überhaupt nicht mehr, ob ich nicht ganz ohne Umhängetasche aus dem Haus gegangen war. Mein Freund zweifelte ebenfalls. 

Die Tasche ist schon alt, war nicht besonders teuer, aber  sie begleitet mich überall hin. Es waren auch keine Reichtümer drin, aber das Notizbuch, in dem ich unter anderem diesen Newsletter vorbereite. Seltsam, wie die Vorstellungskraft dann arbeitet. Wurde ich bestohlen, ohne es zu merken? 

Dann, noch bevor ich den Verlust gemeldet hatte, rief die Stadtpolizei an. "Was könnte wohl der Grund unseres Anrufs sein?" fragte der Beamte. Offenbar habe ich die Tasche neben einer Bank stehen lassen, wie als Grundschüler meinen Ranzen.

Jemand hat  sie dann entdeckt und sofort zum Revier getragen. Nichts fehlt. Nicht einmal Finderlohn wollte diese Person, so dass ich keine Möglichkeit habe mich zu bedanken, außer ihr oder ihm auf diesem Wege einen kosmischen Karmagruß zu schicken. Oft genug zweifelt man mit guten Gründen an der Menschheit – ich heute nicht.

Noch weiß ich nicht, was der Bundeskanzler uns in seiner Ansprache heute Abend mitteilen möchte. Aber dessen ungeachtet ist die historische Dimension dieser Tage gewiss: Es ist der Beginn der dritten Bundesrepublik. 

 In den ersten vierzig Jahren war die Bundesrepublik ein wirtschaftlich ambitionierter, außenpolitisch diskreter Flugzeugträger der USA mit einigen europäischen Flirts. Das Glück der gewaltlosen Wiedervereinigung begründete die zweite Republik, in der die permanente Gegenwart unter der guten Bundeskanzlerin Merkel ausgekostet wurde. Deutschland spielte Faust, der, um den irdischen Augenblick endlich genießen zu können, einen Pakt mit dem Teufel schließt. Nun kommt etwas Neues: Ein solidarisches, engagiertes und weniges arrogantes Deutschland, das sich mehr für die kleinen Nachbarn im Norden und Osten interessiert. Zuhört, statt zu belehren. Und der unumkehrbare Aufstieg der Erneuerbaren, denn fossile Energie begünstigt Despotien.  Die schrägen Debatten der letzten Wochen sind Nebenwirkungen dieser Erneuerung.

Das Genre der Krimiserie hat ja Mühe, noch zu überraschen und vielleicht ist das auch gar nicht Sinn der Sache. Aber die neue Webserie auf Arte, die kommende Woche startet, verspricht einen ganz neuen Stil und Ton: Zwei Gendarmes sind im Wohnmobil auf Tour und erkunden Höhen und Tiefen der französischen Provinz, wo ja die irrsten Verbrechen begangen werden.

https://www.arte.tv/de/videos/100739-001-A/die-wohnmobil-brigade-1-7/ (Öffnet in neuem Fenster)

Philippe Etchebest ist nicht nur ein genialer Koch, er hat sich auch zu einem Sprecher der  französischen Gastronomie entwickelt. Er sieht nebenbei genau so aus,  wie ich mir die Männer am Hofe von Henri Quatre vorstelle, an dem mein Roman "Montaignes Katze"  (ET 7.9.22 bei S.Fischer) teilweise spielt.  Hier ein Clip, den ich mir wieder und wieder ansehen kann: 

https://www.youtube.com/watch?v=99PsNIT6xU0 (Öffnet in neuem Fenster)

Kopf hoch

ihr

Nils Minkmar

PS: Es kommen immer wieder nette Anregungen, diesen Newsletter mit Anzeigen profitabel zu machen oder ihn unter die Fittiche einer Medienmarke schlüpfen zu lassen – aber das passt nicht so recht zur Anarchie, zur Freiheit des Sonntags. Umso mehr weiß ich es zu schätzen, wenn Menschen durch eine Mitgliedschaft die Arbeit daran, auch den Kauf der Notizbücher, finanziell unterstützen und das geht hier:

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