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Auf dem Weg

Spannung in Frankreich/ Rätsel der Gegenwart/ Mel Brooks Booster/ Rezept Camille Goutal

Ich weiß gar nicht, wann genau mir bewusst wurde, dass diese französischen Präsidentschaftswahlen unangenehm knapp werden würden. Natürlich hat es mich seit vielen Wochen genervt, dass jede Fernsehsendung und jedes politische Magazin mit Themen und Tenören der extremen Rechten aufmachte. Dass es normal wurde, Menschen mit eigener oder verwandtschaftlicher Migrationsgeschichte als Last und Plage zu bezeichnen, ohne sich dafür schämen zu müssen. Weil niemand widerspricht. 

Aber natürlich ging ich davon aus, dass sich die beiden rechten Kandidaten Le Pen und Zémmour gegenseitig Stimmen wegnehmen – nicht, dass ihr Lager immer größer wird. 

Ein anderer kultureller Zug verschärft die Krise: Aus politischer und sozialer Ermattung träumen viele FranzösInnen vom Rückzug in die Provinz. Wer in Paris den Job kündigt, um im Dorf der Großeltern Käse zu machen oder einen Biohof zu bewirtschaften, ist ein Held der neuen Zeit. Das Engagement in politischen Parteien gilt als verwerflicher Opportunismus. Die vielen Skandale in Parlament und Regierung tragen dazu bei, ebenso wie die personelle Eintönigkeit. Politik und Medien bilden nicht die französische Gesellschaft ab.

Nun wacht das linke Lager kurz vor Zwölf auf und einigt sich in diesen Tagen panisch darauf, den linken Mélenchon zu wählen, auf dass er in den zweiten Wahlgang komme und Le Pen verhindern möge.  Über Monate hatten WählerInnen die linken, ökologischen und sozialistischen KandidatInnen angefleht, sich in Erwartung einer solchen Konstellation auf eine Person zu einigen – und wurden ignoriert. 

Allerdings ist Mélenchon auch nicht ohne. Am treffendsten beschrieb ihn ein Rentner , der im Radio nach seiner Meinung zu Méluche befragt wurde: Positiv an ihm seien die literarische Rhetorik, seine Bildung aus alter Schule und sein Humanismus. Und zu den Nachteilen sagte er: "Oh, mais il est complètement fou." Völlig verrückt. Wie dieser Wahlkampf. 

Die SPD-Vertreter in der Bundesregierung und der Bundespräsident agieren wie unter Wasser, wie Superman in Gegenwart von Kryptonit, dem grünen Mineral, das ihn seiner Kräfte beraubt. Sie scheinen unter Schock, verarbeiten den Verrat, den Putin begangen hat. Er nutzte die Partnerschaft, die ihm gerade aus Deutschland, gerade aus der Sozialdemokratie angetragen wurde, den daraus resultierenden Wohlstand und das Vertrauen – um ein Verbrechen von säkularem Ausmaß zu planen und schließlich zu begehen. Das ist mit unserem westlichen Menschenbild schwer zu erklären. Putin ist einer der reichsten Männer der Welt, genoss – schwer zu glauben, aber es ist so – Respekt und Zuspruch in vielen politischen Lagern und Ländern und verfügt zu Hause über nahezu unbegrenzte Macht. Was hat ihn dazu bewogen, all das hinter sich und die Maske fallen zu lassen, um seine Soldaten auf Frauen, Omas und Kinder zu hetzen? 

Die letzten Jahrzehnte waren von der Postmoderne geprägt und ihrem anything goes. Statt um Werte und Gedanken zu streiten, kümmerten wir uns um Interessenausgleich. Wirtschaftsbeziehungen hatten Vorrang vor der politischen Auseinandersetzung, vor dem Wettbewerb der Ideen und der Förderung einer lebendigen Zivilgesellschaft in Russland. Zumindest hätte man den Monologen des russischen Präsidenten mehr Aufmerksamkeit schenken und schon früher Konsequenzen ziehen müssen. 

Wir sollten heute schon an das freie Russland nach Putin denken. 

Inspiration tut Not. Derzeit erfreue ich mich an dem Buch eines Mannes, der nicht vorzeitig sondern in den besten Jahren mit 95 seine Memoiren vorlegt: Es ist Mel Brooks. Der amerikanische Comedian, Regisseur, Produzent und Autor ist ein Zeuge der Geschichte des 20. Jahrhunderts, aber das scheint ihm gar nichts auszumachen. Er war Soldat im Zweiten Weltkrieg - unter anderem kam er durch Saarbrücken – und hat sich seitdem entschlossen, das weitere Leben ganz großartig zu finden: Seine Freunde alle super, die Kollegen grandios, die Familie alles Top-Leute und das Essen sehr lecker. Er hat auch sehr gute berufliche Ratschläge parat. Immer, wenn ihm Produzenten, Studiobosse oder Kollegen in seine Vorhaben rein reden wollten, bejahte Brooks all ihre Vorschläge sofort und begeistert. Er lobte sie dafür, notierte und nickte wie ein wilder – um noch im Flur alles wegzuwerfen und alles so zu machen, wie er es ohnehin vor hatte. Nie hat sich jemand beschwert, seine Zustimmung wirkte wie ein Zaubertrick. 

Selbst wenn man die Historie der amerikanischen Unterhaltungsindustrie nicht besonders gut kennt und auch das Brook'sche Werk nur flüchtig: Jeder Absatz ist ein Booster in positiver Welt- und Menschenanschauung und dieser Tage besonders zu empfehlen!

https://sites.prh.com/mel-brooks (Öffnet in neuem Fenster)

Bei dieser Kombination bin ich zugegebenermaßen skeptisch, auch wenn der Ruf der Autorin – die geniale Duftschöpferin Camille Goutal –  über alle Zweifel erhaben ist. Aber Huhn mit Birne und Sellerie? Andererseits wird es hier empfohlen und nicht nur ist Le Monde eine der besten Zeitungen der Welt – ihre Rezeptabteilung ist eine der unangefochten herrschenden Institutionen  dieser Welt! Ich werde es also mal versuchen....

https://www.lemonde.fr/m-styles/article/2019/11/01/le-poulet-a-la-poire-et-au-celeri-la-recette-de-camille-goutal_6017723_4497319.html (Öffnet in neuem Fenster)

Kopf hoch,

ihr

Nils Minkmar

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