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Mit dem Kind kochen

Er kann das schon gut. Mit dem echten Messer macht er es, dem echt scharfen. Die Finger winkelt er an, um sich nicht wehzutun, und immer hat man trotzdem Angst, schielt zu ihm rüber, das Vertrauen ist da, die Sorge aber auch.

Gefragt, was er werden will, wenn er erwachsen ist, sagt: Schriftsteller und Koch. Tagsüber schreibt er die Geschichten, abends kocht er die Gerichte.

Mein Sohn wirft etwas Butter in die Pfanne, mein Sohn lässt Funken springen im Gas.

Er sagt, es falle ihm gerade so Manches nicht einfach. Mathematik. Aufpassen im Unterricht. Etwas beginnen. Aber im Englisch, da machen sie so eine coole Sache mit einer eigens erfundenen Stadt! Die von seiner Gruppe heiße “Crazytown”! Er spricht enthusiastisch darüber, er passt auf, beginnt und beendet, freut sich über das Ergebnis.

Ich schneide die Pilze, das ist meinem Sohn zu eklig, er isst sie auch nicht, den Geschmack der Soße mag er aber.

Er sagt die Nachbarländer von Deutschland auf, fehlerlos. Ich frage, wie das für ihn sei, das so gut so schnell draufzuhaben, das kleine Einmaleins aber trotz Üben noch nicht so gut, er sagt, naja, das macht Spaß, Länder, und dass er sich die alle angeschaut hat auf seiner Kartenapp.

Schule ist immer noch ein unnötiger Krampf für Kinder, die starke Partikularinteressen haben und ebenso starkes Partikulardesinteresse, eine Druckstelle, ein Aufwand, der sich nicht lohnt und der selten belohnt. Die Lehrkräfte agieren oft hilflos und sind überfordert, trotz der guten theoretischen Absicht, sich um individuelle Bedürfnisse einzelner Schüler zu kümmern. Sie sind den Schulplänen und ehrgeizigen Eltern ausgeliefert, die von Kindern generalisierte Gehorchende erwarten, und ein Wissen, das aber nur auf archaische Weise, und von der Wissenschaft längst als überholt geltend, durch Tests überprüft wird.

Mein Sohn rührt die Zwiebeln um, der gute Geruch, der gute Geruch, ich umarme ihn, küsse seinen Kopf. Nun kommen die Pilze dazu.

Mein Sohn liebt schwarze Löcher. Er liebt die Tatsache, dass man in der Nähe eines schwarzen Lochs so in die Länge gezogen würde, dass der Begriff dazu “Spaghettifizierung” lautet.

Mein Sohn liebt es, ganze Länder zu erschaffen. Mit eigener Topografie, Demografie und sogar Wahlen mit eigenen Parteien.

Mein Sohn liebt Gartenarbeit, liebt Nirvana, liebt Marc-Uwe-Kling.

Wenn er Arbeitsblätter nach Hause bringt, sind die immer noch einfach ein Block an Zahlen, Buchstaben, mies kopiert, lieblos und ohne jeden Bezug zur Wirklichkeit oder Kreativität.

Mein Sohn fügt die Sahne dazu und brökelt etwas Schafskäse in die Pfanne, etwas Gemüsebrühe, etwas Pfeffer. Ich setze derweil Wasser auf, der Topf ist noch zu schwer für meinen Sohn.