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Hartholz-Auen

Hartholz-Auen – der am meisten gefährdete Lebensraum in Europa

Eine Hartholzaue ist der etwas höher gelegene Bereich eines Auwaldes, also des unmittelbaren Überschwemmungsbereichs eines Baches oder Flusses. Die Hartholzaue steht ca. 30-50 Tage im Jahr unter Hochwasser und ist fast ganzjährig, bis auf die heißen Sommermonate, feucht und sumpfig. Bevor Bäche und Flüsse ausgebaggert wurden, reichte dieser Lebensraum weit ins Land hinein und konnte sich mehrere hundert Meter oder auch ein paar Kilometer links und rechts vom eigentlichen Gewässerverlauf ausbreiten.

Stieleichen lieben Hartholz-Auen

Für diese Art von Lebensraum ist die Stieleiche, die häufigste Eiche in der nordwestdeutschen Region, optimal vorbereitet. In älteren naturkundlichen Werken wird die Stieleiche deswegen oft als Baum der sogenannten Hartholzaue beschrieben. Heute, da fast alle Auwälder in unserer Region faktisch trockengelegt wurden, ist diese Beschreibung allerdings nur noch wenig verständlich.

Aber mit diesem Bild vor Augen, also der Eiche als Auwald-Baum, versteht man besser, warum die Stieleiche hier so lange so erfolgreich war. Denn unsere Region war vielerorts vor allem lange großflächig nass und sumpfig. So konnte die Stieleiche hier sich vor über 6.000 Jahren schnell ausbreiten und wunderbar heimisch werden.

Die Eiche als Indikator für einen verschwindenden Lebensraum

Mit der intensivierten Trockenlegung unserer Landschaft ab Mitte des 19. Jahrhunderts bekam die Eiche nun allerdings ein gravierendes Problem. Ihre Unempfindlichkeit gegenüber Überschwemmungssituationen brachte ihr keinen Vorteil mehr, da der Mensch diese nun effektiv verhinderte. Willkommen im Anthropozän – dem Zeitalter des Menschen!

Eichen gegen Buchen - ein epischer Kampf

Und nun sprossen verwundert überall Keimlinge der Rotbuche auf dem trockenen Boden empor – zunächst unbeachtet von den majestätischen Eichen. Aber heute, ca. 170 Jahr später, beobachten wir einen dramatischen Überlebenskampf zwischen Stieleiche und Rotbuche, die sich gegenseitig den Lebensraum streitig machen. Die Äste der Rotbuchen sind den Eichen inzwischen in die Baumkronen gewachsen und dort richten sie erheblichen Schaden an. Denn die Äste der Eiche beginnen auf der Suche nach optimalen Lichtverhältnissen sich zu winden – natürlich in Wachstumsprozessen, die in Jahren oder Jahrzehnten gemessen werden müssen. Nichtsdestotrotz schnürt die Rotbuche der Eiche langsam aber sicher das Licht ab. Und so stirbt die Eiche. Ein Vorgang, der überall im Raum Weser-Ems beobachtet werden kann. In unserer trockengelegten Landschaft hat die Eiche im Wald keine große Zukunft mehr.

Die Buche: Natürlich oder Kulturfolger?

Die häufig kolportierte Feststellung, dass die Rotbuche die hier eigentlich heimische Baumart wäre, ist damit falsch. Nur in der von Menschen künstlich entwässerten Landschaft hat die Rotbuche eine überlegene Durchsetzungskraft gegenüber den eigentlich heimischen Baumarten, wie eben der Stieleiche.

Es bleibt nicht folgenlos

Die Bedeutung dieser großflächigen Veränderung der Baumartenzusammensetzung kann gar nicht überschätzt werden. Zwar sind sich Rotbuche und Stieleiche als Laubbäume nicht unähnlich, aber es gibt doch erhebliche Folgen für das Ökosystem.

Da wäre zum einen zu nennen, dass die Rotbuchen, die sich jetzt durchsetzen, im Durchschnitt erheblich jünger als die totgeweihten Eichen sind. Das ist aus ökologischer Sicht besonders bedauerlich, da ein Laubbaum, wie die Eiche oder Rotbuche, seine ökologische Bedeutung im Grunde erst mit einem höheren Alter entfalten kann. Erst ab einem Alter von ca. 200 Jahren, wenn der Baum Schwachstellen entwickelt, wenn Äste absterben, Hohlräume entstehen usw., erst dann wird ein solcher Baum für viele andere Arten interessant.

Zum anderen stehen die jetzt sterbenden Eichen als letzte Relikte eines praktisch komplett zerstörten Lebensraumes. Die Hartholzaue ist eines der am stärksten gefährdeten Biotope in ganz Europa. Die Anzahl an Arten, die an diesen Lebensraum gebunden ist, ist kaum ermesslich. Der gigantische ökologische Schaden lässt sich in Zahlen kaum ausdrücken.

In Anbetracht der ursprünglichen großen Ausdehnung dieses Lebensraumes hierzulande hat die norddeutsche Flachland-Region für die Hartholzauen eigentlich eine besondere Verantwortung.

Der entscheidende Kampf ist nicht Eiche gegen Rotbuche. Der eigentliche Kampf ist Verantwortung gegen Ignoranz.

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