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Alfred Toepfer

Der Name Alfred Toepfer steht heute für die Möglichkeit, wie man sich mit Geld und Reichtum Anerkennung und Ruhm auch im Naturschutz kaufen kann, obwohl man es nicht verdient hat.

Alfred Toepfer wurde 1894 nicht reich geboren. Nichts deutete darauf hin, dass er ein schier unglaubliches Vermögen erwerben würde. Als Schüler war er begabt, vor allem in Sprachen, aber aufgrund seiner Herkunft war ihm der Besuch eines Gymnasiums versagt. Er machte eine kaufmännische Ausbildung. Nichtsdestotrotz zog es ihn zu der eher akademisch geprägten Wandervogelbewegung – in der ein vermeintlich reines deutsches Volkstum gepredigt und gelebt wurde. Dafür entwickelte dann auch Toepfer eine leidenschaftliche Hingabe.

Im Ersten Weltkrieg wurde er Soldat und kämpfte in einer Maschinengewehr-Einheit in fast allen größeren Schlachten mit, wurde mehrfach verwundet und ausgezeichnet. Maschinengewehre waren im Ersten Weltkrieg fürchterliche Waffen. Anstürmende gegnerische Soldaten konnte man in Minuten zu hunderten niedermetzeln. Das macht etwas mit einem. Manche lässt es zweifeln, aber bei Toepfer bewirkte es wohl nur, dass diese Verehrung des Deutschtums unauslöschlich eingehämmert wurde. Das verband sich dann mit einer obskuren Vorstellung davon, dass es eine deutsche Elite gab, die zum Führen geboren war. Er selbst ging davon aus, dass er zu dieser Elite gehören würde. Es existiert ein Foto von ihm, wie er zum Ende des Krieges auf einem edlen Schimmel in alberner aufgeplusterter Pose als Leutnant seiner Kompanie voranreitet, die etwas verlottert hinterdrein marschiert und wobei die vorderen Soldaten offenbar Querflöte spielen. Ein Foto das irritiert, als Satire zum Lachen eigentlich, aber es zeigt ganz authentisch das merkwürdige Selbstbild Toepfers völlig ironiefrei.

Man fragt sich, was nach dem Krieg aus so einer etwas verkorksten Persönlichkeit wird - unklar - aber Toepfer hat DIE Idee - quasi die geniale Bill Gates-Idee des beginnenden 20. Jahrhunderts. Der Ausbau des Schienennetzes und der Ausbau der Kommunikationswege hatte inzwischen ein Ausmaß angenommen, dass es möglich wurde, auf dem europäischen Kontinent auch auf dem Landweg internationalen Handel zu betreiben – und zwar auch mit verderblichen Lebensmitteln. Viele erkannten das noch nicht, aber Alfred Toepfer schon. Hier sah Toepfer eine einzigartige Möglichkeit als junger Mann aus dem Nichts eine eigene Handelsfirma aufbauen zu können. So lieh er sich Geld und machte sich auf den Weg. Wo es sich ergab, kaufte er in ganz Europa größere Mengen landwirtschaftlicher Produkte auf und verkaufte sie europaweit, meist über Hamburg aber auch sonstwo. Schnell brauchte er Angestellte, um den Handel zu verwalten und sein Büro in Hamburg wuchs rasant.

Man reibt sich die Augen vor Verwunderung – aber innerhalb weniger Jahre machte er so große Gewinne, dass er schon fast nicht mehr wusste, wie er das Geld ausgeben soll. Er begann damit, Personen und Einrichtungen finanziell zu unterstützen, bei denen er den Eindruck hatte, dass diese in sein deutschtümelndes Weltbild passten. Er knüpfte Kontakte zu extrem deutsch-nationalistisch eingestellten Personen, die ein Blatt herausbrachten unter dem Titel „Widerstand“.

Aber er hatte auch ein konkretes Problem: Zwar gab er gerne Geld für seine Deutschtum-Idee aus, aber Steuern an den deutschen Staat zahlte er nicht gerne – so saß er auf einem großen Berg ausländischer unversteuerter Devisen, die er in Deutschland nicht ausgeben konnte, ohne sich verdächtig zu machen. So gründete er im Jahr 1931 in Liechtenstein die F.V.S.-Stiftung, an die er einen großen Teil der Devisen und einen Anteil der Firmenanteile übertrug. Die Buchstaben F.V.S. stehen dabei für Freiherr vom Stein, einer bekannten Persönlichkeit zu der Zeit der napoleonischen Kriege. Stein hatte sich zu seiner Zeit für einen deutschen Gesamtstaat unter Einbeziehung aller deutschen Völker eingesetzt, was ihm die Ehre einbrachte, nun Namensgeber für die F.V.S.-Stiftung von Alfred Toepfer zu werden. Ziel der Stiftung war die Förderung des Deutschtums in Europa, mit Toepfers Vorstellung dahinter, dass am Ende des Prozesses ein vereinigtes Großdeutschland stand, das mit einer deutschen Elite Europa dominieren würde.

Parallel zu der F.V.S.-Stiftung gründete er weitere Stiftungen, wie die Johann Wolfgang Goethe-Stiftung und schuf Preise, die auch immer nach deutschsprachigen Denkern und Dichtern nationaler Bedeutung benannt wurden.

Eigentlich war zu erwarten, dass Toepfer mit solch einem Weltbild dann im Nationalsozialismus nach 1933 unter Hitler eigentlich erst richtig durchstarten und ganz groß rauskommen müsste. Aber Toepfer fremdelte ein wenig. Als freier Hamburger Kaufmann war ihm die staatlich kontrollierte Wirtschaft der Nazis obskur und die Judenfeindlichkeit irritierte ihn. Für ihn war ein Deutscher, der das deutsche Volkstum lebte, also deutsch sprach, deutsche Lieder sang, im Weltkrieg für Deutschland gekämpft hatte – irgendwo passte da für Toepfer auch die deutsche jüdische Bevölkerung rein. So wurde Toepfer kein Mitglied der Partei. Aber auch die Nazis fremdelten zunächst mit ihm und sie hatten es vor allem auf sein Devisenvermögen abgesehen. So befand sich Toepfer plötzlich 1937 in Haft, während die Nazis die Möglichkeiten abklopften, direkt an das Vermögen von Toepfer zu kommen. Aber das Weltbild von Toepfer war zu kompatibel und die Geschäftsbücher sauber. So wurde Toepfer schließlich entlassen und zunächst als Soldat beim Geheimdienst „Abwehr“ eingesetzt, wo er ziemlich frei Studien über das besetzte Frankreich anfertigte. Die dienstliche Freiheit nutzte Toepfer, um Kontakte zu der obersten Nazi-Führungsschicht zu knüpfen und so ergab sich die Möglichkeit zur Zusammenarbeit. Toepfer bekam ein neues Aufgabenfeld mit wirtschaftlichem Kontext und dabei erarbeite man parallel gemeinsam ein Programm zur Förderung einer deutschen Elite, bei der Toepfer Schulungshäuser aufbaute und weiter Preise für deutsch-nationalistische Künstler stiftete.

Nach dem Zusammenbruch der Nazi-Herrschaft 1945 hätte diese synergetische Kooperation für Toepfer ein Problem sein können – aber Toepfer war geschmeidig genug. Die Satzung seiner F.V.S.-Stiftung ließ er schnell ändern, und zwar so, dass er einfach alle Passagen mit Bezug auf deutsches Volkstum und irgendwelche deutsche Dominanz herausstrich und so las sich die Satzung plötzlich so, als ob diese schon immer für ein vereinigtes friedliches Europa gearbeitet hätte. Er gab teilweise seinen alten Nazi-Freunden und Bekannten Jobs, indem er sie in seinen Firmen oder seinen Stiftungen unterbrachte, aber ansonsten schwieg oder log er über seine Zusammenarbeit mit den Nazis. Seine Unterstützung der ultra-nationalistischen Kräfte im „Widerstand“ deutete er so um, als wäre er Widerstandkämpfer gewesen. Aktiv unterstützte er die erlogene Legende, dass die Buchstaben der F.V.S.-Stiftung ja auch für Friedrich von Schiller oder irgendeine andere unverdächtige Person stehen könnten. Seine Zeit im Gefängnis log er nun als Beleg für seine Oppositionsrolle zurecht.

Zwar konnte er seine Stiftungs-Tätigkeit nun nicht einfach so wieder aufnehmen – da musste doch etwas Gras drüber wachsen – aber geschäftlich hatte er nun auch genug zu tun. Der internationale Handel konnte wieder beginnen und jetzt mit einem großen Vorteil zu vorher: Die Konkurrenz der jüdischen Handelshäuser war weg! Das Geschäft explodierte förmlich und damit die Gewinne und das Vermögen von Toepfer.

Aber gesellschaftlich fühlte sich Toepfer nicht genügend anerkannt. Mit seinen Kulturpreisen war er noch zurückhaltend, zu leicht konnte noch die Verbandelung während des Dritten Reichs auffliegen.

Doch dann ergab sich Anfang der 1950er Jahre eine gute Gelegenheit wieder als Stifter auf unverdächtigem Gebiet tätig zu werden. In der Nähe von Hamburg war ein unbedeutender Naturschutzverein ansässig, der zudem Geld-Probleme hatte: „Naturschutzparke Deutschland“. Gegründet worden ist der Verein schon zu Beginn des Jahrhunderts mit dem Ziel, Schutzgebiete unter dem Namen „Naturschutzpark“ zu etablieren. Mit der Einführung der „Naturschutz-Gebiete“ in den 1930er Jahren hatte sich aber der Vereinszweck im Grunde obsolet gemacht und man pflegte nur noch die paar vereinseigenen Flächen in der Lüneburger Heide. Und hier sah Toepfer seine Chance gekommen – mit seinen finanziellen Mitteln könnte er den Verein praktisch übernehmen und so auf unverdächtige Weise seine deutschtümelnden Ideen aus der Zeit der Wandervogelbewegung wieder pushen. Und wenn man das Ganze richtig anging, dann hätte man mit dem Verein ein Werkzeug in der Hand, mit dem man auch wieder bei der obersten politischen Elite im Nachkriegsdeutschland Kontakte knüpfen und Anerkennung organisieren könnte.

So griff Toepfer zu. Praktisch über Nacht wurde er Vereinsvorsitzender, strich den Naturschutz-Ansatz raus und nun wurde aus „Naturschutzpark“ „Naturpark“. In der Lüneburger kaufte er Flächen, Bauernhöfe und Gaststätten auf und begann damit, den Naturpark Lüneburger Heide zu einem puristischem Heide-Tourismus-Zentrum auszubauen. Die Lüneburger Heide präsentierte er nun politischen Vertretern aus ganz Deutschland als Musterbeispiel, wie man unter der Marke „Naturpark“ deutsche Kulturräume touristisch vermarkten könnte. Und die politischen Vertreter bissen an und schließlich schaffte er es, dutzende Naturparke zu initiieren. Die bundesdeutsche Politik war begeistert und hofierte Toepfer als „König der Heide“, der sich nun als eine Art oberster Naturschützer selbst inszenierte.

Die Naturpark-Idee wurde von ihm weiter vorangedrückt – mit Erfolg. 1963 wurde ein eigener neuer Verband „Verband Deutscher Naturparke - VDN“ gegründet, dessen erster Präsident er wurde. 1976 wurden dann Naturparke im Bundesnaturschutzgesetz ausdrücklich erwähnt.

Doch mit dem Erfolg der Naturparke erwuchs ihm auch ein Problem. Die Vertreter der Naturpark-Kommunen, die nun in den Gremien des Verbandes mitwirkten, stoß die Verquickung von dem Geschäftsbetrieb Toepfers in der Lüneburger Heide mit dem Vereinsgebaren übel auf, so dass man schließlich Toepfer entmachtete. Beleidigt zog er sich zurück und ließ den Naturparke-Verband in den 1980er Jahren weitgehend mittel- und führungslos zurück.

Das tat seinem Ruhm und der bundesweiten Anerkennung aber schon keinen Abbruch mehr. Als er schließlich 1993 starb, erschien die bundesdeutsche Politprominenz und erwies ihm die Ehre. Im Jahr 1995 wurde dann auch die von ihm gegründete Norddeutsche Naturschutz-Akademie in „Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz“ umbenannt. Die Alfred-Toepfer-F.V.S.-Stiftung übernahm das gesamte Firmenvermögen und vergibt bis heute finanzielle Förderung und Unterstützung für Kulturschaffende und andere Zwecke.

Ein paar Jahre kehrte dann Ruhe um den Namen Alfred Toepfer ein, bis Historiker sich der Sache annahmen. Und niemand hatte damit gerechnet, was jetzt aus der Vergangenheit Toepfers an das Licht kam. Und verwundert rieb man sich die Augen – der hochverehrte Ehrenbürger, Ehrensenator, Ehrendoktor und was nicht alles war ein Blender, ein Lügner, ein Nazi-Unterstützer! Sein ganzes vermeintliches Naturschutz-Engagement geschah offenbar unter der Maßgabe eines schmierigen deutschtümelnden Weltbildes!

Und was nun? Die Alfred-Toepfer-F.V.S.-Stiftung hat dann selbst Historiker mit weiteren Nachforschungen beauftragt und informiert heute offen über ihre Vergangenheit und die ihres Stifters. Der Name Toepfers ist zwar im Titel der Stiftung erhalten geblieben, aber die Stiftung begründet dies damit, dass sie nicht die Herkunft des Stiftungsgeldes verschleiern möchte. Die Anteile an der Handelsfirma Alfred C. Toepfer hat die Stiftung sämtlichst verkauft und der letzte Anteilsbesitzer hat aus Befürchtungen um sein Image, den Firmen-Namen Alfred C. Toepfer aus dem Handelsregister löschen lassen.

Die Alfred-Toepfer-Akademie für Naturschutz, die heute eine bedeutende vorbildliche staatliche Einrichtung für Naturschutz in Niedersachsen ist, gibt auf ihrer Webseite keinerlei Hinweis über die problematische Vergangenheit ihres Gründers und Namensgebers, was sicherlich nicht ausreichend ist.

Ich selbst war tatsächlich bei der Recherche auch sehr überrascht – wenn ich eine Recherche über eine Naturschutz-Legende beginne, dann kenne ich normalerweise zuerst über die jeweilige Person nur ein paar biographische Brocken und dann tun sich bei der Recherche fantastische spannende beeindruckende wunderbare Biografien auf. So etwas hatte ich auch bei Toepfer erwartet – dass es dann bei der Beschäftigung mit der Biografie Toepfers immer ekliger und unappetitlicher wurde, damit hatte ich nicht gerechnet.

Wobei eine Gesamtwürdigung der Person Toepfers in der Tat schwierig ist. Ohne Zweifel ist die Gründung der Norddeutschen Akademie für Naturschutz eine grandiose Tat gewesen, von der der Naturschutz in Norddeutschland bis heute profitiert. Die Naturparke sind vielerorts anerkannte Landschaften, die oft als Dreh- und Angelpunkt einer regionalen touristischen Vermarktung genutzt werden.

Die übertriebene Verherrlichung eines deutschen Volkstums mit allem was dazu gehört, galt sicherlich in der Jugend Toepfers nicht als sonderlich verwerflich. Aber schließlich die daraus resultierende Verstrickung und letztlich Förderung des verbrecherischen Nazi-Regimes und deren menschenverachtender Ideologie belädt die Person Toepfers mit enormer Schuld. Dass Toepfer darüber seine späteren Zeitgenossen nach dem Krieg belogen hat, ist ein Stück weit menschlich verständlich - hat doch auch Günter Grass seine SS-Mitgliedschaft lange verheimlicht - aber sicherlich ist dies auch kein Zeichen menschlicher Größe. Aber ganz offensichtlich hat Toepfer sich nie wirklich innerlich von seinem Weltbild einer kruden Überhöhung des deutschen Volkstums lösen können. Es ist zudem davon auszugehen, dass er auch seine Zusammenarbeit mit den Nazis im Dritten Reich in der Rückschau nie wirklich kritisch hinterfragt oder jemals bedauert hat. Mit seinen 99 Jahren hätte er aber genug Zeit und Gelegenheit dazu gehabt. Stattdessen kaufte er sich nach dem Krieg Anerkennung und Ruhm mit all seinem Geld ein. Es ist ein unschöner Zug der deutschen Gesellschaft, dass sich die gesamte Öffentlichkeit und wichtige Politiker darauf allzu bereitwillig einließen.

Aber dieses fehlende Wort eines Bedauerns, eines Verstehens macht die Person Alfred Toepfers insgesamt ungenießbar.

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