Grüß Dich!
Ich finde es schön, dass wir beide hier miteinander in Verbindung sind.
Denn so ein Verbunden-Sein-Können ist etwas ganz besonderes - und vielleicht ist mir das besonders bewusst, weil genau das für mich solange ich Selektiven Mutismus hatte, ganz oft nicht möglich war
Ich habe immer schon gerne beobachtet, wie Kontakt geht. (Nur habe ich früher dabei eher als Zuschauerin außerhalb des Kontakts gestanden. Es war für mich als Mutistin dann immer so, als ob ich Menschen durch eine Glasscheibe hindurch bei ihrem Leben beobachten würde. Ich stand draußen als stumme Beobachterin, während der Kontakt sich drinnen zwischen den Menschen auf der anderen Seite der Scheibe abgespielt hat.)
Heute bin ich keine Mutistin mehr. Heute kann ich von Moment zu Moment entscheiden, ob ich im Kontakt bin oder ob ich eine Außen-Perspektive einnehme. (Und ich mache beides gerne.)
Wobei - und das ist wohl der Unterschied zwischen jemandem mit und jemandem ohne Mutismus - ich heute als Standard-Erfahrung bei Begegnungen mit Menschen im Kontakt bin und nur manchmal die Entscheidung treffe, dass ich die Verbindung für eine Weile abbrechen möchte.
Gestern ist mir das mal wieder passiert. Ich war mit mehreren Bekannten bei einem Ausflug. Ohne dass wir das geplant hatten sind wir an einem Jahrmarkt vorbeigekommen. Die anderen in der Gruppe waren spontan begeistert und haben sich ins Getümmel gestürzt.
Für mich waren in dem Moment mehrere Dinge klar: Das wäre mir jetzt zu viel. Und wenn ich trotzdem mitkommen würde, dann wäre ich wahrscheinlich so angespannt, dass in der Situation und dann auch für den Rest des Tages die Freude am Ausflug weg wäre. Und es war vorhersehbar, dass ich dann auch die Lust am Miteinander in der Gruppe verlieren würde.
Die Lösung war ganz einfach. Wir haben verabredet, dass wir uns nach einer Stunde wieder treffen. Meine Bekannten haben den Jahrmarkt und den Trubel genossen. Ich habe mir ein Stück entfernt eine sonnenbeschienene Parkbank in einer kleinen Grünanlage gesucht und dort die Ruhe genossen. Und später sind wir alle gemeinsam in einem gemütlichen Cafèe zum Kaffeetrinken gegangen und ich habe mich gefreut, wieder mit allen zusammen zu sitzen und zu quatschen.
Es gibt einen großen Unterschied zu früher, als ich Mutistin war: Ich treffe heute in jeder Situation selbst und absichtlich die Entscheidung, ob ich Verbundenheit als aktive Teilnehmerin oder als zurückgenommene Beobachterin erlebe oder ob ich mir Zeit für mich alleine nehme. Und zwar von Moment zu Moment.
Aber so ganz frei ist diese Entscheidung doch nicht. Denn wenn ich einer Situation erlauben würde, mich komplett zu überfordern, würde ich immer noch irgendwann an den Punkt kommen, an dem ich nicht mehr selbst entscheide. (Das dauert viel länger als früher. Die Auswirkung der Überforderung ist auch längst nicht so allumfassend und unabänderlich wie früher. Aber ich habe - und respektiere - meine Grenzen. Und richtig gut geht es mir immer dann, wenn ich von Moment zu Moment immer gut für mich sorge.)
Aktuell im Mutismus-Podcast:
Symptome wollen helfen | 112
Ohne Symptom kriegen wir nicht mit, wenn wir über die Grenzen dessen gehen, was momentan geht. Also geht es nicht darum, diesen hilfreichen Hinweis loszuwerden - es geht darum, dass er sich so selten wie nötig meldet.
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Fortschritte, Rückschritte und enttäuschte Erwartungen | 113
Die Frage nach Fortschritten und Rückschritten ist keine Hilfe im täglichen Umgang mit Selektivem Mutismus. Denn es wird erst viel später im Rückblick erkennbar, welche Entwicklung sich woraus ergeben hat.
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Bis dahin...
Tu dir gut!
Deine
Christine Winter