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„Jetzt schweifen wir schon wieder ab"

Prozeß gegen Kranbesetzer und Müllsammler geht mühsam in die 2. Runde

Es dauerte fast vier Stunden, ehe in dem lautstark, kontrovers und hitzig geführten Verfahren so etwas wie Ruhe aufkam. Ein 74-jähriger Nachbar vom Angeklagten Nicolas T. (59) sagte zu einem Vorfall aus, der sich am 9. November 2022 im Garten des Müllsammlers zugetragen haben soll. Dabei soll Nicolas T,. so die Anklage, zwei Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) mit einer Eisenstange genauer wohl einem Krähenfuß bedroht haben, nachdem die beiden Mitarbeiter des KOD auf sein Grundstück am Althausweg in Kinderhaus gekommen waren, um Aufnahmen von dem Garten anzufertigen, in dem Nicolas T. regelmäßig größere Mengen Müll gesammelt hatte. Als der Nachbar, der ganz offensichtlich ein gutes Verhältnis zum Angeklagten hatte, zu seinen Gunsten aussagte, wirkte der Angeklagte der zum ersten Mal entspannt. DerZeuge wollte die Bewegung mit der Stange nicht als Bedrohung oder Angriff interpretieren, auch von den anderweitig bezeugten verbalen Ausfällen wollte er nichts gehört haben, nur soviel, dass der Angeklagte gefordert habe, sein Privatsphäre zu respektieren und den Mitarbeitern klar gemacht hätte, dass sie unerwünscht seien. „Das Wohnzimmer von OB Markus Lewe fotografieren sie ja auch nicht" . Ein KOD-Mitarbeiter hatte schließlich Pfefferspray eingesetzt, damit sei der Vorfall auch schon beendet gewesen, so der Zeuge. Interessant war zu hören, wie lange sich die Ordnungsmitarbeiter und der Angeklagte schon kennen: „Zwanzig Jahre" sagte einer der KOD-Miarbeiter aus, der sich wunderte, dass Nicolas T. sich bei Gericht beschwerte, dass er seinen Dienstausweis nicht vorgezeigt hätte.
Diese kurzen Momente der Ruhe und Sachlichkeit sind eher untypisch für dieses Verfahren, in dem sich der Angeklagte weitgehend selbst verteidigt, seinen Pflichtverteidiger, den er auch schon mal anherrscht „er solle nichts so dämlich grinsen", hat er weitgehend zur Untätigkeit verdammt. Selbstbewußt behauptet er: „Ich bin zwar Hobbyjurist, aber ich kenne mich besser aus als mancher Anwalt". Immerhin hatte einer seiner zahlreichen Anträge, das Verfahren auszusetzen, Erfolg gehabt, und jetzt dazu geführt, dass das Verfahren mit neuen Schöffen und einer neuerlichen Anklageverlesung beginnen mußte. Mit deutlich mehr Zuschauern als beim ersten Prozsstag.

Bild: Auch am zweiten Tag deutete Nicolas T. an, dass er das Zeug zum Systemsprenger hat. Foto: Frank Biermann

Es brauchte schon erheblicher Kraftanstrengungen von Staatsanwaltschaft und Vorsitzender Richterin, damit der immer wieder abschweifende Angeklagte beim Thema blieb. Mantraartig wiederholte die Richterin: „Herr T. sie werden hier bei Gericht von niemandem beleidigt, ich erwarte deshalb, dass auch sie niemanden beleidigen": Das verfing nur teilweise. Mehrfach mußte die Richterin damit drohen, ihn von der Verhandlung auszuschließen, ehe er zu Erklärungen in der Sache bereit war. Nicolas T. ereiferte sich gegenüber der Richterin: „Das kann doch gar nicht wahr sein, wie sie mich hier behandeln". Er warf ihr vor, sie habe „Unwahrheiten" über ihn gezielt medial lanciert und sich dabei des Pressesprechers des Gerichts als „Komparsen" bedient. Im Publikum fiel neben der unendlichen Redseligkeit des Angeklagten das exzellente Gedächtnis des Angeklagten auf. Alle Mitarbeiter des Ordnungsamtes in Münster kennt er jedenfalls vom Amtsleiter bis zum Fachstellerleiter mit Vor- und Zunamen und genauer Dienstbezeichnung. Um deren Verhalten zu beschreiben, zog er immer wieder Vergleiche zur NS-Zeit. Der Staatsanwalt forderte ihn auf, Vergleiche zur NS-Zeit in öffentlicher Sitzung zu unterlassen. Ihre Vergleiche sind historisch falsch".
Seine Einlassungen bis zum Anklagepunkt 11, der Vorfall in seinem Garten, bestanden bis dahin darin, alles zu bestreiten oder zumindest zu relativieren. „Die ganzen Vorwürfe gegen mich sind Bagatelldelikte (an anderer Stelle sagt er Kinkerlitzchen) im Vergleich zu dem, „was mir angetan worden ist": „Es hat ein regelrechtes Kesseltreiben gegen mich durch Polizei und Staatsanwaltschaft stattgefunden". Seine Zwangsanweisungen in die Psychiatrie wären ungerechtfertigt gewesen und die Medikamente, die ihm dort verabreicht wurden, würden anderswo als „Folterinstrumente" eingesetzt. In diesem Zusammenhang griff er immer wieder den am Prozess teilnehmenden Sachverständigen Prof. Norbert Leygraf an, bis diesem der Kragen platze und er sich zu Wehr setzte und es zu einem hitzigen Wortgefecht kam. Die Verhandlung wurde daraufhin erneut unterbrochen.
Natürlich zweifelt Nicolas T.auch die Expertise des renommierten Gutachters an, dem er zudem Parteilichkeit unterstellte. Zudem sei dessen Diagnose, dass er eine „schwere schizoide Persönlichkeit" habe, unzutreffend. Der Vorsitzenden Richterin warf er vor, sie habe sich „mit der Sache nicht genügend auseinandergesetzt", weil sie auf Nachfrage das Gartenwerkzeug Krähenfuß nicht kannte. Den Kontaktbereichsbeamten von Kinderhaus unterstellte er, sie wären deshalb so gerne bei seiner Nachbarin zu Besuch, weil sie dort lecker selbstgebackenen Kaffee und Kuchen serviert bekamen. Mit der Nachbarin hat er sich schon seit längerem überworfen. Von Gerichts wegen bekam er auferlegt, nicht mehr in Kontakt mit ihr zu treten.
Die Nachbarin soll am nächsten Prozeßtermin am 26. Mai um 9.30 Uhr aussagen. (fb)



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