Münster´s Diakoniechef findet klare Worte
„Das System steht personell und finanziell vor dem Kollaps"
Der Geschäftsführer Diakonie in Münster, Ulrich Watermeyer hat gestern auf dem Aktionstag „Wir könn(t)en Pflege" in einer kurzen aber prägnanten Rede die Probleme in der Pflege pointiert auf den Punkt gebracht. Zunächst erinnerte in seiner Rede an die zurückliegenden drei Corona-Jahre, in denen die Pflege gezeigt habe, was sie könne. Gleichzeitig sei klar geworden, dass noch viel mehr gepflegt werden müsste. Täglich meldeten sich bei allen Trägern in der ambulanten, teilstationären und stationären Bereich „verzweifelte Angehörige", die nach Pflege und Versorgung fragen. Watermeyer: „Schweren Herzens müssen wir immer wieder den meisten Menschen absagen, sie in ihrer schwierigen häuslichen Situation allein lassen". Das könne einen nicht kalt lassen, wenn man feststelle, dass einfach die Ressourcen für mehr Pflege fehlten. Die Politiker hätten kein offenes Ohr für die Signale aus der Pflege. Es fehlten 100.000 Kolleginnen und Kollegen in der Versorgung, so Watermeyer. Den jetzigen Standard könne man nicht halten. Dazu leiste sich Deutschland eine Bürokratie, die „ihresgleichen sucht". Durch 10 unterschiedliche Prüfinstanzen werde die Pflege überwacht. Das reiche vom medizinischen Dienst der Krankenkassen, über die Heimaufsicht bis hin zur Bezirksregierung. „Neben dem Misstrauen, das uns entgegengebracht wird, binden diese riesige personelle Ressourcen", so Watermayer, auch Geschäftsführer des Martin-Luther-Hauses „Sie müssen vorbereitet, begleitet und dokumentiert werden. Zeit, mit der wir sinnvoller umgehen können". Watermeyer sprach in seiner Rede auch die Arroganz gegenüber internationalen Menschen an, Menschen, die bereit seien nach Deutschland zu kommen, um zu helfen. Auch dauere es oft länger als ein Jahr um bestehende bürokratische Hürden zu überwinden. Watermeyer: „Die Arroganz, mit der wir Menschen begegnen, die zu uns kommen möchten, um uns zu helfen, ist unbegreiflich". Helfen, so der Sprecher des Bündnisses „Starke Pflege in Münster" könne nur eine grundlegende Reform des Pflegeversicherungsgesetzes. In jeder Legislatur werde diese Reform versprochen. tatsächlich gebe es dann allenfalls ein Reförmchen. Dabei stehe das System personell und finanziell vor dem Kollaps. Populistisch mochte man Watermayers Forderung nach einem 100-Millarden-Sondervermögen für die Pflege finden, unbestritten richtig - das konnte man auch an der Reaktion des sachkundigen Publikums merken - seine Forderung nach einer grundlegend Reform des Systems, sowie der Forderung nach einem Bürokratieabbau.
Wie Stimmung unter den Beschäftigten ist, zeigten auch Plakate mit Slogans wie „Wir retten Leben, wer rettet uns?" oder "Früher verbrannten sie Hexen, heute verheizen die Pflegekräfte".
Aufgerufen zu der Demo, an der etwa 700 Menschen teilnahmen, hatte das Bündnis „Starke Pflege in Münster - Die Pflegemodellregion". Dieses repräsentiert zufolge 15 Unternehmen der Langzeitpflege und fünf Bildungsträger aus der Pflege zusammengeschlossen. Darunter sind die örtlichen kirchlichen Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas sowie des Deutschen Roten Kreuzes, des Arbeiter-Samariter-Bundes und der Johanniter.
Bild: Ulrich Watermeyer, Geschäftsführer Diakonie Münster. Foto: Frank Biermann