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Der Mikrochirurg und sein Kollege Roboter

Trotz Top-Software: Der Chirurg bleibt der wahre Held

Am Rande von Münster idyllisch an der Werse gelegen, findet man den Vorort Handorf. In dieser von der Lützow-Kaserne geprägten Gegend liegt die Fachklinik Hornheide, eine Spezialklinik für Erkrankungen der Haut. Sie wirkt ein wenig verträumt und zugewachsen. Von diesen äußeren Eindrücken sollte man sich nicht dem Gedanken verschließen, dass dort Hochleistungsmedizin stattfindet. Was auch damit zu tun hat, dass dort seit 2018 der Lehrstuhl für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie der Universitätsklinik an der Fachklinik Hornheide angesiedelt.ist. Inzwischen hat sich dort eine regelrechte Ideenschmiede für robotergesteuerte Mikrochirugie entwickelt. Diese Ideenschmiede ist eng mit zwei Namen verbunden: Dem des Privatdozenten Maximilian Kückelhaus (37) und dem des Lehrstuhlinhaber Prof. Tobias Hirsch (45).

Kückelhaus hat durch die Verbindung zweier robotergesteuerter Systeme einen Coup gelandet (wie man das wohl in der Welt der Medizin nennt), die weltweit ersten vollständig robotergestützten mikrochirurgischen Eingriffe.

In der Fachklinik Hornheide werden Operateurinnen und Operateure mit der neuen Technik ausgebildet. Foto: Frank Biermann

Kückelhaus hat OP-Roboter, wie sie schon länger in der Universitätsmedizin zum Einsatz kommen, mit einem robotischen Mikroskop verbunden und damit eine neue Operationstechnik geschaffen. So werden Systeme genutzt, die das Menschenmögliche um Einiges überschreiten, erklärt Kückelhaus bei einem Presserundgang. Fünf Eingriffe hat das OP-Team so schon im Zuge einer Studie erfolgreich beenden können. Genutzt werde eine Art Joystick, so Kückelhaus, der aus der Generation X-Box stammt. So können noch kleinste Strukturen von 0,3 bis 0,5 mm kleinen Gefäßen, fein und präzise operiert werden.

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Die Software des Symani Surgical Systems sorgt dafür, dass das normale menschliche Zittern unterdrückt wird. Einer der Joysticks gleicht der Verlängerung eines Handgelenks, die Bewegungen der Hände des Operateurs werden 1:1 übertragen. Das zweite System nimmt Kopfbewegungen auf. Diese werden auf eine Optik übertragen. Kameras, die an einem der Roboterarme angebracht sind, erzeugen ein dreidimensionales Bild vor den Augen des Operateurs, der eine 3 D-Brille trägt. „So kann der Operateur deutlich mehr sehen, als das was er mit dem bloßen Augen sehen würde. Mit dieser Methode gibt es weniger Schäden bei der Hebung des Gewebes und die Genesung verläuft schneller.“

Bild: Sinnfällig zeigt dieses Bild mit einem Penny als Vergelichsmaßstab in welch mikroskopisch kleinen Strukturen die Chrirugen arbeiten. Rechts im Bild: Prof. Tobias Hirsch. Foto: Frank Biermann

Mit den eigenen Kopfbewegungen kann der Operateur den stets folgsamen Roboter, der keine Rauchpause braucht, steuern, der Roboter macht die Bewegungen simultan mit.

Kückelhaus: „Somit können wir um die Ecke gucken, ohne dass wir die Operation stoppen müssen. Können zoomen, können fein einstellen und bekommen auf den Bildschirmen Zusatzinformationen eingeblendet. Die Synergien dieser beiden Methoden bieten eine enormen Benefit".

Vor den ersten Eingriffen am realen Patienten wurden die beiden Methoden mit ins Trainingslabor genommen, wo immer wieder verschiedene Szenarien durchgespielt wurden. Eine neue Generation Operateure wird angelernt, die alte Generation Operateure umgeschult. Wer den Operateuren bei Arbeit über die Schulter gucken darf, der fühlt sich an virtuose Orgelspieler ohne reale Orgel erinnert, die mit ihren Kopf- und Augenbewegungen die Noten erfassen mit ihren Händen das Manual bedienen und mit den Füßen für die richtigen Bassläufe sorgen.

Das Verfahren setzen die Experten beispielsweise bei Brustkrebspatientinnen ein, die komplexe Brust-Rekonstruktionen benötigen, oder nach Unfällen, bei denen Patienten Gewebetransplantate brauchen. An drei Standorten in Europa ist das möglich, einer davon ist Hornheide.

Das Thema Ergonomie ist bei den Hochleistungs-Operateuren ein nicht zu unterschätzendes, denn im Laufe eines Berufslebens fallen immer wieder Operateure aus. Auch hier können Roboter Abhilfe schaffen

Hirsch: ,,Eine stundenlanger mikrochirurgischer Eingriff am OP-Tisch ist nicht besonders ergonomisch. Der Chirurg wird müde, die Konzentration und Präzision können irgendwann nachlassen".

Die mögliche Entkoppelung des Operateurs vom Patienten auf dem Operationsfeld lässt erahnen welche Dimensionen dieses Projekt annehmen könnte. Zwar hält Hirsch es noch für eine „Vision" aber es gilt nicht mehr als unvorstellbar, dass ein Operateur aus Brüssel in Bielefeld operiert. Ein Aspekt, so Kückelhaus, den natürlich auch die EU interessiert habe. Ein Experte, könnte seine Expertise dadurch ganze vielen Menschen länderübergreifend zur Verfügung stellen.

https://www.youtube.com/watch?v=-w0vEKwerN4 (Öffnet in neuem Fenster)

Zum Ende unserer Auseinandersetzung mit dem Thema wollen wir ganz schlicht wissen, wer denn nun eigentlich der Held in dieser Geschichte ist, derjenige, der den Roboter entwickelt oder der Operateur, der die Technik nutzt. Die Antwort fällt klar aus: „Der wahre Held ist natürlich immer der Chirurg, der bleibt immer noch unersetzbar", so Hirsch mit einem gewinnenden Lächeln. Es werde nicht passieren, dass der Roboter von sich aus operiert. „Für uns Operateure sind die Helden diejenigen, die diese Dinge entwickeln, weil es für mich als Mediziner eine wahnsinnige Herausforderung ist, diese Algorithmen zu entwickeln, dass wir damit so intuitiv arbeiten können".

Finanzierung

Für die Entwicklung und klinische Erprobung dieser speziellen Operationstechnik erhielt Maximilian Kückelhaus eine Finanzierung der Initiative „Recovery Assistance for Cohesion and the Territories of Europe“ in Höhe von 1,1 Millionen von der Europäischen Union. Dazu sind Forschungsgelder der WWU geflossen, deren Sprecher die sehr gute Kooperation der drei Partner Fachklinik Hornheide, WWU und UKM hervorhebt.

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