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„Hast du die Unterlagen für das Meeting?“, fragte Bettina ihren Mann.

Dieser glich einem nachtaktiven Hamster in seinem Laufrad und schien von Zimmerecke zu Zimmerecke zu hetzen. „Ja habe ich. Aber ich brauche noch das Ladekabel“, sagte er und sah sich dabei suchend neben der Couch um. „Ich weiß genau, dass ich es das letzte Mal hier gesehen habe“, sprach er mehr zu sich selbst. Generell war seine Kommunikation eher einseitiger Natur. Bettina legte ihm das Ladekabel auf den Tisch. „Hier ist es, es war im Badezimmer. Du hast vermutlich beim Duschen wieder einen Podcast gehört“, lächelte sie, doch Florian sah es nicht. Wie so vieles nicht mehr.

Bettina hatte oft das Gefühl, dass ihr Mann in einer kleinen Blase zu leben schien, in der es zu eng war, dass zwei Menschen darin Platz hatten. „Ah… da ist ja das Kabel!“, rief Florian und ging aus dem Zimmer. „Jetzt fehlen ja nur noch das blaue Hemd und die Tickets habe ich schon runtergeladen“, hörte Bettina ihren Mann aus dem Schlafzimmer. Sie seufzte tief und fühlte sich plötzlich unglaublich müde, kraftlos und einsam. „Ich… ich muss jetzt los. Dann sehen wir uns morgen gegen Mittag?“, fragte sie in den Raum hinein. „Was? Ja. Oder ich weiß nicht genau. Ich hatte nach dem Vortrag eigentlich noch vor, mit Jens Essen zu gehen, um das neue Projekt im Museum zu besprechen. Es soll schon im Mai losgehen und da bleibt nicht mehr viel Zeit. Aber dann auf jeden Fall morgen Abend,“ kam es zurück. In Bettinas Hals zog sich alles schmerzhaft zusammen. „Ja. Ist gut“, antwortete sie und zog sich ihren Mantel an. Sie wollte nur noch raus aus der Wohnung und weg von den Gefühlen, die sich in ihr ansammelten und hinausplatzen wollten.

Sie nahm ihre Tasche und ging zu Florian ins Schlafzimmer. Er war gerade dabei, alle möglichen Hemden und Jacketts mit übertriebener Gewalt in seinen kleinen Koffer zu quetschen. „Also, dann wünsche ich dir viel Erfolg und grüß Jens bitte lieb von mir“, sagte sie und ihre Stimme zitterte leicht. Jetzt erst drehte sich Florian zu ihr um. „Hey… alles okay mit dir? Du siehst so blass aus“, fragte er besorgt und sah sie an. Dieser Blick schien die Schleusen in ihr zu öffnen und ihr liefen die Tränen über das Gesicht. Unaufhörlich kamen sie, eine nach der anderen und sie war machtlos. „Tini…“ setzte Florian an und kam auf sie zu. Dann nahm er sie in seine Arme. Wie lange war das her, dass sie ihn so intensiv gespürt hatte? Sie roch sein Parfum, das nach Kiefernzweigen duftete, sie spürte seinen Atem in ihrem Nacken und die Wärme seines Körpers. Sie ließ sich ganz in seiner Umarmung fallen und versank in diesem wundervollen Moment. Es gab keine Zeit mehr, es gab nur noch sie beide. Florian strich ihr sanft über den Rücken. Viele Atemzüge später konnte Bettina schließlich die Kraft aufbringen, sich aus seiner Umarmung zu lösen. „Tut mir leid… ich…“ setzte sie an, doch er unterbrach sie. „Nein. Mir tut es leid. Ich weiß, dass die Schwangerschaft gerade sehr anstrengend für dich ist und ich bin dir gerade keine große Hilfe. Die Arbeit frisst mich derzeit auf und ich bin überhaupt nicht mehr hier. Wenn ich unter der Dusche stehe, sitze ich gefühlt schon längst im Büro…Ich hatte Jens eigentlich auch gesagt, dass ich jetzt mehr Zeit für uns brauche. Das werde ich jetzt einfach einfordern,“ sagte er und sah sie an.

Jetzt war er hier. Genau jetzt hatte Bettina ihren Mann zurück.

Die Podcastfolge, in der ich diese Kurzgeschichte vorlese und dir auch noch darüber hinaus einige achtsame Impulse gebe findest du direkt hier ;)

Natürlich auch auf Spotify bzw. bei Apple Podcast!

Viel Spaß beim Hören!

Deine Hannah

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