Zum Hauptinhalt springen

Die gelben Zettel

Bettina saß vor ihrem Artikel und schaute auf die Uhr. 

In ein paar Stunden war Redaktionsschluss und alle wollten ins Wochenende verschwinden. Sie musst rechtzeitig fertig werden. Müde schloss sie die Augen und stellte sich ihr Wochenende vor. Erholsam würde es nicht werden. Sie musste auf jeden Fall heute noch die Wäsche machen, dann konnte sie die nachher für ihren Vater mitnehmen. Außerdem wollte sie unbedingt noch mit dem Arzt wegen der Medikamente sprechen. „Bettina? Hast du meine Mail eigentlich gelesen? In einer Stunde ist noch die Besprechung für das Winterfest in Neumarkt. Also bis nachher!“, rauschte Caro an ihr vorbei und lächelte sie an. Bettina wurde aus ihren Gedanken wieder zurück in ihren Bürostuhl katapultiert. Die Realität fühlte sich allerdings auch nicht gerade besser an. Sie vergrub das Gesicht in den Händen. Wo war sie gerade noch mal gewesen? Sie las den letzten Absatz ihres Artikels. Ach so, die Umgehungsstraße. Sie hatte doch noch was dazu schreiben wollen. Wo waren die Notizen. Hektisch suchte sie ihren Schreibtisch ab, der mit lauter gelben Haftzetteln gepflastert war. „Interview mit Feuerwehrmann wegen Brand in Hofladen - nächsten Donnerstag um 17:00 Uhr“ lag da neben „Sitzung um 9:00 Uhr, wichtig wegen Konferenz zu neuen Beschlüssen“. Wo war denn der Zettel mit den Notizen hin? Bettina seufzte und stellte sich vor, wie sie das ganze Wochenende hier verbringen musste, weil sie den Zettel nicht fand. Dann bräuchte sie wirklich einen Schlafsack. Das wäre ein Anblick! 

„Konzentrier dich jetzt!“ , sagte sie laut und schlug sich gegen die Stirn. Es schien tatsächlich zu helfen, da ihr einfiel, dass die Notizen über die Umgehungsstraße noch in ihrer Handtasche waren. Gerade als Bettina ihn erfolgreich aus dem Chaos aus Lippenstift, Deo und Handschuhen geborgen hatte, klopfte es an der Tür. „Hey Tini, na, hast du nicht schon genug Zettel?“, lächelte Dennis sie an und zwinkerte ihr zu. Dann sah er sie jedoch mit besorgtem Blick an. „Alles okay bei dir? Du siehst echt erschöpft aus. Hol dir am besten noch einen Kaffee, bevor wir in die Besprechung gehen. Außerdem solltest du dir ein paar Tage frei nehmen“, sagte er und legte ihr einen Schokoriegel auf den Schreibtisch. „Bis gleich dann und den Kaffee nicht vergessen“, lächelte Dennis sie erneut an und verschwand aus der Tür. „Die Besprechung! So ein Mist!“, sagte Bettina zu sich und hätte am liebsten geweint. Sie spürte einen unglaublichen Druck in der Brust und ihr Herz hämmerte hart und unnachgiebig in ihrer Brust. Wie konnte denn jetzt schon die Besprechung anfangen? Wo fand die überhaupt statt? Im Konferenzsaal oder in dem kleineren Meetingraum neben dem Büro von Steffen? Dann fiel ihr ein, dass das ja alles in Caros Mail stand. Bettina merkte, wie sie die Last der vielen Aufgaben zu erdrücken schien. Ihre Augen brannten und sie wünschte sich, dass sie einfach verschwinden würde. Weg von der Arbeit, den vielen Verpflichtungen und weg von der Verantwortung für ihren kranken Vater. Aber es passierte einfach nicht. Sie war immer noch hier an diesem Ort und konnte nicht weg. Aber sie konnte sich Hilfe holen. Erst wenn sie den Stress etwas abgebaut hatte, konnte sie wieder einen klaren Kopf kriegen. Entschlossen griff sie zu ihrem Handy und wählte eine Nummer, die sie schon lange nicht mehr gewählt hatte. „Tobias? Ich weiß, ich melde mich nicht oft. Aber ich brauche wegen Papa jetzt wirklich deine Hilfe. Kannst du am Sonntag vorbeikommen?“.

Nach dem Telefonat mit ihrem großen Bruder ging es Bettina schon besser. Nach der Besprechung schaffte es sie sogar, den Artikel fertigzustellen. „Caro?“, fragte sie ihre Kollegin, die sich gerade noch einen letzten Espresso vor dem Arbeitsende gönnte. „Kann ich mir demnächst ein paar Tage freinehmen? Ich muss mich zu Hause um ein paar Dinge kümmern, damit ich wieder einen klaren Kopf bekomme“. „Sicher, das bekommen wir hin“, sagte Caro und Bettina beschloss, dass sie nun auch einen Espresso vertragen könnte.

Ich würde mich sehr über dein Feedback freuen! Schreibe mir  einfach einen Kommentar mit deinen Gedanken und Anmerkungen direkt unter die Geschichte.

Du möchtest mich bei Mindful Root unterstützen, um mehr Inhalte zu produzieren und somit noch mehr Achtsamkeit in deinem Leben zu verwurzeln? Dann werde jetzt ein Mindful-Member! Ich freue mich auf dich :)

Die Podcastfolge, in der ich diese Kurzgeschichte vorlese und dir auch noch darüber hinaus einige achtsame Impulse gebe findest du direkt hier ;)

Viel Spaß beim Hören!

Deine Hannah

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von Mindful Root und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden