Du siehst so anders aus
Wie ich aufhörte, mich für den Male Gaze anzuziehen
Du siehst so anders aus, sagte neulich Mo zu mir, den ich zufällig in dem türkischen Supermarkt an meiner Ecke getroffen habe. Wir haben uns zwei Jahre nicht mehr gesehen. Als wir einander vor zwölf Jahren kennenlernten, war er ein hedonistischer Playboy mit einem Anderthalb-Zimmer Apartment auf der Torstraße, das eingerichtet war wie das Liebesnest eines achtziger-Jahre-Junggesellenklischees (es gab einen Glastisch! Und einen weißen Fellteppich!). Ich war damals auf dem Zenit meiner Alkoholabhängigkeit, arbeitete in der Russenbar, trank Wodka Shots zu Beginn meiner Schicht und fing mit Leuten entweder Streits oder Affären an.
Damals stritten Mo und ich uns betrunken auf Champagner darüber, wer von uns schuld daran war, dass der Dreier, den wir mit seiner Loverin Natalia geplant hatten, eskaliert war. Jetzt bin ich sober, tagsüber wach und schlafe nachts, und Mo ist aufs Land gezogen, hat Frau und Kinder und mäht samstags den Rasen.
Du siehst so anders aus, sagte er, so sportlich.
Ich habe ein Alltagsoutfit an: Schwarze Levis, meinen schwarzen Sweater mit ROMEO Print, weiße Tennissocken, weiße Nike Air Max 90, schwarze Jacke mit Schulterpolstern.
Damals, als Mo mich kennenlernte, sah ich in der Tat ein kleines bisschen anders aus. Es waren meine Zwanziger, ich war nicht nur süchtig nach Alkohol, sondern hatte mich auch nie so zielgerichtet für hetero-Männer angezogen. Mir war egal, was sich gut anfühlte, nichtmal Schmerzfreiheit war eine Bedingung; ich wollte einzig und allein heiß sein. Alles, was ich besaß, war kurz und eng, ich trug winzigkleine Hütchen mit Schleier Applikationen, Stil Zwanziger Jahre Bordell, schminkte mir smokey eyes, besaß Strumpfhalter und Stayups und Taillengürtel, die in den frühen Zehner Jahren der letzte Schrei waren. Ich trug allen ernstes zwölf-Zentimeter-Pfennigabsätze für eine sechs-Stunden-Schicht hinter der Bar. Ich erinnere mich an ein Paar pinke Wildleder Stilettos mit Plateau Absatz (ein Modell, das Tom heute als Stripper Schuhe bezeichnet), in denen ich so schlecht laufen konnte, dass ich immer zur Sicherheit noch Ballerinas in der Handtasche hatte, für den Fall, dass ich wirklich zu betrunken war.
Ich hatte lauter Klamotten, an denen ich permanent rumfummeln musste: Tube Tops, trägerlose Röhrenkleider, schlecht sitzende Strumpfhosen, gepolsterte BHs, die so schlecht passen, dass ich überall Druckstellen von den Nähten hatte. Ich habe keine Ahnung, wie ich die ständige Beeinträchtigung meiner Beweglichkeit und meines Komforts tolerieren konnte, so wie ich auch nicht mehr begreifen kann, wie ich die emotional faulen, egoistischen und ignoranten Typen tolerieren konnte, von denen ich mir damals die Nerven ruinieren ließ.
Wenn ich mir damals vorstellte, wie ich mich kleiden würde, wenn ich 40 wäre, hätte ich gedacht: Genauso wie jetzt, bloß in teuer. Ich dachte, mit 40, falls alles gut laufen würde, trüge ich Bleistiftröcke und Cocktailkleider und lange, teure Wollmäntel in pink und steingrau mit Fell Applikationen, und Lederhandschuhe und Chanel Make Up und hätte endlich raus, wie man ein smokey eye schminkt, das sich nicht nach spätestens vier Stunden in der Lidfalte sammelt. Ich dachte, wenn alles gut läuft, sehe ich mit vierzig aus wie Meagans Mutter in Mad Men, oder wie die Ehefrauen in achtziger-Jahre-Mafia-Filmen.
Niemals hätte ich geahnt, was style mäßig stattdessen passiert.
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