SCHWARZ - ROT - (UN)GEIL?
von Natalia Mleczko (Öffnet in neuem Fenster)

Wenn ich an eine Fußball-Europameisterschaft denke, denke ich an tapetenweise verklebte Werbung auf Chips Packungen, Weingummis, Bier, Pflegeartikeln und Klebewärmepads gegen einen schmerzenden Rücken. Fast alles erscheint dann vermarktbar mit der deutschen Nationalmannschaft. Selbst der Name der Mannschaft - „Die Mannschaft“ - ist ein erfolgreiches Marketingobjekt geworden. Mit der Folge, dass Kinder und Erwachsene mit inbrünstigen stolz Trikots mit den Spielernamen umhertragen. Kinder, Männer und Frauen* sind plötzlich Müller, Hummels oder Sané. Wenn ich an die Fußballmeisterschaft im eigenen Land denke, denke ich an die Erzählung des legendären Sommermärchens. Es gibt an jeder Ecke ein Public-Viewing. Am Arbeitsplatz, in der Schule, an der Uni - überall, wird über das letzte Spiel gesprochen. Absolut jeder hat eine Meinung zur Strategie der Mannschaft. In dieser Zeit hat das Land seine berühmten 80 Millionen Bundestrainer. Gefühlt rückt jedes wichtige Thema zur Zeit einer Fußball-Europa- oder Weltmeisterschaft in den Hintergrund. Die Klimakrise, die Verletzung von Menschenrechten, all das was zuvor halbherzig debattiert wurde - verliert jetzt ganz an Bedeutung. Wenn das Runde ins Eckige geschossen wird, verliert alles drum herum für rund vier Wochen an Bedeutung. Doch es gibt da tatsächlich eine Ausnahme - wenn die Turniere von Fußballerinnen statt von Fußballern gespielt werden. Dem wird von vornherein wenig Interesse entgegengebracht, obwohl Deutschland eine starke Elf im Frauen-Nationalmannschaft hat und in der Vergangenheit zahlreiche Erfolge feiern konnte. Hier die These des Artikels, obwohl die Zuschauer:innen ein großes Interesse am Damen-Fußballspitzensport zeigen: warum erhält die Frauen-EM so wenig Beachtung? Das Viertelfinalspiel Deutschland gegen Österreich sahen knapp 9,5 Millionen Menschen an. Der TV-Marktanteil lag bei stolzen 38,2 Prozent. Damit erreichte das EM-Spiel eine Rekordreichweite. Diese Meinung teilt auch der UEFA-Marketingdirektor Guy-Laurent Epstein:
„Diese hervorragenden TV-Zuschauerzahlen zeigen die enorme Strahlkraft des Turniers sowie die starke Entwicklung des Frauenfußballs in den vergangenen Jahren".
Ja, genau der Marketingdirektor der UEFA hat das gesagt. Jemand der viel Ahnung über Märkte und Absätze hat. Doch warum werden wir aktuell nicht zugekleistert mit penetranter Werbung auf jeglichen Produkten, die wir im Supermarkt kaufen können? Warum erhält die Frauen-EM so derart wenig Beachtung? Warum ist das Land nicht wie sonst bei den Männer-Turnieren im Schwarz-Rot-Gold-Fieber?
Man braucht das richtige Geschlecht
Die Women's EURO verdient dies allemal, wenn man nicht aus der moralisch-egalitären-Logik argumentieren will, dann könnte man alternativ nach der Markt-Logik heraus folgen. Wenn eine große Nachfrage vorhanden ist, dann folgt darauf in der Regel ein Angebot. Scheinbar gilt diese Ökonomische-Gesetzmäßigkeit nicht auf jedes Geschlecht gleich. Frauen und Profifußball? Viele Unternehmen erkennen dieses große Potential des Frauen-Profisports (noch?) nicht. Nicht nur in Deutschland gilt dieser Gender-Bias, sondern auch beispielsweise in Frankreich. Erst letztens hörte ich, dass es auch eine Tour de France Femme gibt. Gut, ich selbst wenig Sport interessiert, aber trotz dessen lebe ich nicht abgeschottet und uninformiert, habe von dieser Tour der France noch nie gehört. Noch nie! Doch auch bei unserem Nachbarn finden sich die gleichen Merkmale wieder - wenig Berichterstattung und wenig Marketing, trotz steigendem Interesse seitens der Zuschauer:innen. Dieser Mechanismus folgt einem landläufigen und für die Sportler:innen ernüchterndem Muster: wenig Berichterstattung, wenig Sponsoring und damit wenig Preisgeld und wichtige Werbeeinnahmen generieren sich nicht. Dadurch hemmt dieser Mechanismus den weiblichen Spitzensport, da die Sportlerinnen oft nicht hauptberuflich ihren Sport ausüben können. Dabei ist der Aufwand für Sportler und Sportlerinnen vergleichbar hoch. Ebenfalls braucht man als Profisportlerin ein Quäntchen Talent, viel Leistungsbereitschaft, optimale Trainingsbedingungen und eine professionelle Betreuung. All das hört man immer wieder, sei oft nicht gegeben im Frauenfußball, obwohl die Leistung sehr wohl passt.
Es geht auch anders!
Dass es auch anders geht, zeigen die USA am Fall ihrer Fußball-Frauen-Nationalmannschaft. Während die Männer-Mannschaft ein internationales Leichtgewicht ist, ist deren Damen-Nationalmannschaft absolute Weltklasse. Bisher galt auch hier (oft durchschnittliche) männliche Sportler erhalten deutlich mehr Geld als Frauen. Die bleierne Regel. Doch 2022 schafften es die US-Fußballerinnen, um die Fußball-Ikone Megan Rapinoe, ein US-Sportstar, wie ihn sich der Männerfußball dort seit Jahrzehnten vergebens wünscht, Großes: ihr Verband bezahlt Frauen und Männer gleich - nach jahrelangem und hartnäckigem Verhandeln. Ein Meilenstein und ein Wendepunkt, wenn man diesen Moment als solchen wahrnehmen möchte. Die Zuschauer:innen zeigen am Spitzen-Frauenfußball ein immenses Interesse, die Zahlen sprechen Bände, doch die Industrie lahmt dem Trend bisher noch nach. Den Zuschauer:innen kann es egal sein, auch ohne ausbordenden Konsum, fiebern sie ihren Fußball-Idolinnen lautstark zu. Und nun dürfen die Fußballinteressierten voller Begeisterung auf ein spannendes und hochklassiges EM-Turnier der Frauen zurückblicken. Das große Highlight, das Finale vor 90.000 Zuschauern im Londoner Wembleystadion zwischen dem Gastgeber und Deutschland steht am Sonntagabend ja erst noch bevor. Dann werden Heldinnen geboren und Legenden geschrieben, die mehr von unser aller Aufmerksamkeit verdient haben.
Bist du im Schwarz-Rot-Gold-Fieber? Was ist deine Meinung zur Sichtbarkeit der Fußball-Frauen-Nationalmanschafft? Schreibe mir gern deine Meinung in die Kommentare.
Quellen: www.sport1.de (Öffnet in neuem Fenster) www.faz.net (Öffnet in neuem Fenster) www.watson.ch (Öffnet in neuem Fenster)