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Italien rückt nach Rechts

Die neofaschistische Partei Fratelli d'Italia gewann vergangenes Wochenende die absolute Mehrheit im italienischen Parlament. Wie das passieren konnte und welche Rolle die geringe Wahlbeteiligung spielte.

von Natalia Mleczko (Öffnet in neuem Fenster)

Italien wählte am vergangenen Wochenende ihr Parlament und das Ergebnis überraschte Viele. Die Gewinner des Wahlabends waren das extremrechte Bündnis, das aus den postfaschistischen Fratelli d'Italia, der rechtspopulistische Lega und der konservativen Forza Italia bestehen. Die Partei Brüder Italiens ging als deutlicher Sieger aus der Wahl hervor. Während die Lega nur auf 9 Prozent kam und die Forza Italia 8 Prozent erhielten, bekamen Fratelli d'Italia 26 Prozent der Wählerstimmen.

Wie konnte eine faschistische Partei wie die Fratelli d'Italia gewinnen?

Die Spitzenkandidatin Meloni sagte während ihrer Siegesrede: "Das große Ziel, das wir uns im Leben und als politische Kraft gegeben haben, war, dass die Italiener wieder stolz sein können, Italiener zu sein und die Tricolore-Fahne zu schwenken". Diese Äußerung bietet einen Vorgeschmack, was wohl in den kommenden Jahren auf Italien zukommen wird. Nationalstolz und Identität als politischer Kurs für Italiens Zukunft. Meloni sprach im Wahlkampf oft über "größere Mächte", die bekämpft werden müssen, positionierte sich gegen Einwanderung, hat Vorbehalte beim Thema Schwangerschaftsabbruch und hetzt gegen die LGBT-Community. Alles populäre Themen der Rechten - und in der italienischen Gesellschaft seit dieser Wahl wohl mehrheitsfähig. Wie schnitt die politische Konkurrenz im Gegensatz ab?  Diese erhielt durchwachsene Ergebnisse. Die Demokratische Partei erhielt nur 19 Prozent der Stimmen, die Fünf-Sterne-Bewegung 15,4 Prozent der Wählerstimmen und das linkliberale Bündnis Azione/Italia Viva lediglich 7,8 Prozent.

Giorgia Meloni wird wohl die nächste und erste Premierministerin Italiens. Wer ist diese Frau?

Ihr Gesicht ist seit der Wahl überall sichtbar: das von Giorgia Meloni. Die 45-Jährige wird wohl die erste Ministerpräsidentin Italiens. Sie ist Mitgründerin der Partei Fratelli d'Italia und seit 2014 auch Vorsitzende der neofaschistischen Partei. Meloni bezeichnet sich selbst als Konservative, doch ihre Vergangenheit zeigt, dass ihre politische Sozialisierung in der Jugendorganisation der Movimento Sociale Italiano, einer neofaschistischen Partei, begann. Die Fratelli d'Italia ist eine Nachfolgepartei dieser Bewegung, die von Anhängern des faschistischen Diktators Benito Mussolini gegründet wurde. Obwohl sich Giorgia Meloni als Konservative bezeichnet, hat sie sich vom Faschismus, augenscheinlich nie wirklich distanziert. Man könnte sie als Faschistin im Schafspelz einer Konservativen bezeichnen. Zahlreiche Ämter bekleidete sie bisher in ihrer Kariere. Das prestigeträchtigste Amt bisher: Ministerin für Jugend und Sport von 2008 bis 2013 unter Silvio Berlusconi. Seit 2020 ist sie auch Präsidentin der Europäischen Konservativen und Reformer im EU-Parlament.

Welche Rollte spielte die geringe Wahlbeteiligung?

Es war die historisch niedrigste Wahlbeteiligung Italiens - nur 63,8 Prozent der Wahlberechtigten gingen an die Wahlurne. Über 50 Millionen Italiener:innen hatten die Wahl, doch weniger als zwei Drittel dieser Menschen gaben ihre Stimme ab. Ein Grund für die niedrige Wahl könnte die dritte Regierungswahl innerhalb einer Legislatur gewesen sein. Ein Anzeichen der politischen Verdrossenheit in der Gesellschaft.

Doch eine geringe Wahlbeteiligung steht oft im Verdacht die politische Ungleichheit zu verschärfen, da sie regionale und soziale Unterschiede überrepräsentiere, während andere Regionen und soziale Schichten unterrepräsentiert werden. Einkommensschwache Menschen bleiben viel häufiger der Wahlurne fern. Weitere Studien belegen ebenfalls, dass die soziale Schichtzugehörigkeit und der Bildungstand einen signifikanten Einfluss auf die Wahlbeteiligung haben. Die Gefahr besteht hierbei, dass politische Maßnahmen vermehrt im Sinne der finanziell, bildungsnäheren und bestimmter Schichten ausgestaltet werden. Dadurch wird die Lebensrealität von einigen Bevölkerungsschichten nicht in die politische Entscheidungsfindung einbezogen. Deshalb kann man ruhig behaupten, dass eine geringe Wahlbeteiligung zu einer erodierenden Repräsentation im Parlament führt.

Ein weiterer Punkt, welcher häufig bei niedriger Wahlbeteiligung angeführt wird, ist der Innere Legitimitätsverlust der Demokratie. Die Bertelsmann-Stiftung formuliert diese These folgendermaßen: "Je weniger Wähler sich beteiligen, umso geringer ist der Grad der Repräsentation der Bevölkerung, und je geringer der Grad der Repräsentation, umso geringer die innere Legitimität der gewählten demokratischen Institutionen." Das bedeutet kurzgesagt: Wenn Bürger:innen nicht wählen gehen, mindert sich dadurch die Rechtmäßigkeit dieser Institutionen und ihre Existenz wird in Frage gestellt. Deshalb kann Wahlbeteiligung als gesamtgesellschaftliche Herausforderung angesehen werden. Die Regierungsbildung steht noch bevor. Man rechnet damit, dass erst in einigen Monaten die Regierung verteidigt wird. Was die nächsten Monate in Italien passieren wird, ist noch offen. Doch sichtbar ist, dass sich die politische Landschaft in Europa verändert. Ein Vorzeichen, dass man vor wenigen Wochen ebenfalls in Schweden beobachten konnte. Dort wurden die Schwedendemokraten die zweistärkste Kraft, ebenfalls eine Partei aus dem rechten Lager.

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Quellen:

Tagesschau (Öffnet in neuem Fenster) Bundszentrale für politische Bildung (Öffnet in neuem Fenster) Bertelsmann-Stiftung (Öffnet in neuem Fenster) Deutschlandfunk (Öffnet in neuem Fenster) T-Online (Öffnet in neuem Fenster) Tagesschau (Öffnet in neuem Fenster) Tagesschau (Öffnet in neuem Fenster)

Kategorie Politik
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