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Der Kampf ums Klima

Sind die Grenzen des zivilen Ungehorsams bereits überschritten?

von Natalia Mleczko (Öffnet in neuem Fenster)

"Was darf Protest?", "Protest oder Terror?" - solche Schlagzeilen hört man in Deutschland aktuell häufiger. Man sieht Fotos von angeklebten Klimaaktivist*innen auf Straßen oder von (vermeintlich) besudelten Gemälden in Museen. Die Reaktion der Zivilgesellschaft und konservativer Medien: Klimachaoten! Hört damit auf! Das ist Terror! Ein tödlicher Unfall in Berlin machte zudem das Thema noch ein Stückweit brisanter. Welchen Einfluss haben Klimaproteste, wenn es zu Verzögerungen bei Rettungseinsätzen kommt? Die Bild-Zeitung skandierte danach "Das ist AUCH EURE SCHULD, ihr Klima-Kleber". Mehrere Politiker*innen äußerten danach, dass die Grenzen legitimen Protests überschritten wurden. Doch wurden diese wirklich überschritten?

86 Prozent lehnen Straßenblockaden und Kunst-Verschmutzung ab

Im Fall des tödlichen Unfalls einer Frau durch einen Betonmischers in Berlin müssen sich die Strafverfolgungsinstitutionen mit der Frage der Schuld und des Hergangs des verzögerten Rettungseinsatzes beschäftigen und dies sachgemäß klären. Der Spiegel schreibt in seiner aktuellen Ausgabe, dass dieser Unfall "aufgestaute Empörung über die provokativen Störaktionen der Klimaschutzbewegung Bahn brach. Es war, als hätten viele nur darauf gewartet." Umfragen belegen, dass die Mehrheit der Bevölkerung diese Protestformen ablehnen - 86 Prozent lehnen Straßenblockaden und Kunst-Verschmutzung ab. Knapp 80 Prozent befürworten eine strengere Bestrafung solcher Taten. Doch es stellt sich hier die Frage: Wie soll Klimaprotest aussehen, auf den sich die Gesellschaft einigen kann und Politik zum Handeln auffordern? Darauf habe ich persönlich keine Antwort. Lange war 'Fridays for Future" eine Protestform, die der Gesellschaft auf friedfertige Weise ein Problem aufzeigte. Doch Fridays for Future verliert an Mobilitätskraft. "Lediglich" 280.000 Menschen nahmen am bisher letzten und insgesamt elften globalen Klimastreik teil. 2019 waren es in Deutschland noch 1,4 Millionen Menschen, die sich am Klimaprotest beteiligten. Es ist keine Überraschung, dass sich radikalere Formen des Klimaprotests - Extinction Rebellion, Ende Gelände und die Gruppe Letze Generation - unter anderem daraus entwickelten und Zulauf erhalten. Fridays for Future äußerte richtigerweise, dass es massiven Handlungsbedarf gibt - doch Regierungen handeln bisher kaum oder reagieren viel zu langsam auf die Forderungen der Klimaprotestler. 

An das 1,5 Grad-Ziel glauben nur noch wenige

Viele Protestierende sind daher zu Recht frustriert. Andere dagegen wählen Protestformen, die Menschen im Alltag behindern, beim Autofahren oder bei der Kunst. Der Aufschrei nach der Kunstzerstörung von Klimaaktistivist*innen ist von besonderem Interesse. Menschen ärgern sich gegen die Zerstörung von Bildern an Wänden, aber viele interessiert es kaum, dass die menschliche Lebensgrundlage massiv bedroht ist. Welch ein Paradoxon - welch ein psychologischer Mechanismus im Menschen, der aktuell schonungslos offenbart wird. Psychologische Aspekte spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewertung einer Situation: Verdrängung, Ernennung von Sündenböcken, vereinfachende Erklärungen, Resignation und Apathie. Bei aller berechtigter Kritik der aktuellen Protestform - ist es die Stärke dieser radikalen Form des Protest - zu erkennen, dass die menschliche Spezies ein Problem in der Wahrnehmung künftiger Gefahren hat, obwohl die Klimaforschung seit Jahren vor den Folgen warnt. Die Gefahr erscheint zu abstrakt, obwohl sie bereits vielerorts beobachtbar ist. Letzte traurige Rekorde: der Dürresommer und der Wärmerekord im Oktober.

Die Stimmung gegen Klimaschützer*innen wird rauer

Wie sich der Klimaprotest künftig entwickeln wird, ist bisher schwer vorauszusagen. Die Letzte Generation macht weiter. Auch Friday for Future macht weiter. Museen fangen an, ihre Kunstwerke noch besser zu schützen. Die Stimmung gegen Straßenblockierer wird rauer. Die Union spricht sogar schon von einer Klima-RAF. Doch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz äußerte gegenüber dem SWR, dass die Letzte Generation Straftaten zwar begehe, jedoch nicht extremistisch handelt. Das Interessante an der ganzen Debatte ist allerdings, dass die Mehrheit der Bevölkerung denkt, dass viel zu wenig für den Klimaschutz gemacht wird. Der Klimadiskurs ist offensichtlich in der Schieflage. Zwar teilt die Mehrheit diese Meinung, auch die der Klimaprotestler, doch nicht deren Vorgehensweise. Einen positiven Aspekt bringt diese Debatte allerdings: es wird mehr über Klimaprotest gesprochen. Bedauerlich ist hierbei, dass der Fokus weg vom Klimawandel und der Notwendigkeit der Klimaanpassung gezogen wird. Dass die UN-Klimakonferenz gerade in Scharm al-Scheich stattfindet, erhält nur wenig Beachtung. Auch unter welchen Bedingungen die Klimakonferenz dort stattfindet gerät in den Hintergrund.

Und Ihr, liebe Leser*innen des Newsletters, was denkt Ihr über diese Protestform? Ist sie legitim oder ist das schon Terror? Eure Einschätzung und Meinung könnt ihr gern in der Kommentarleiste teilen. 

Quellen: Spiegel (Öffnet in neuem Fenster) Spiegel (Öffnet in neuem Fenster)

Kategorie Climate Change
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