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Romantik an der Rezeption

Eine Postkarte, ein Rezeptionist und ein großes Missverständnis

Ich habe kürzlich ein paar Tage in einer deutschen Großstadt im Hotel verbracht. Tagsüber war ich in der Innenstadt shoppen, habe dort in einem kleinen Laden eine Postkarte mit der Aufschrift „Lieblingsmensch“ gefunden und dachte mir: „Ach komm, die schick ich mal meinem Mann.“

(Die besagte Karte. Von der Post noch stilgerecht verschönert)

Ja, ich weiß, kitschig, aber wenn dich dein Partner nach zwei Jahren Pandemie,  Lockdowns und gemeinsamer Quarantäne noch immer nicht umgebracht hat - da kann man schon mal kitschig sein.

Ich kaufe also diese Karte, schreibe und frankiere sie kurz vor meiner Abreise, weiß aber nicht, wo der nächste Briefkasten ist und nehme sie deshalb mit an die Rezeption, weil ich mal gehört habe, dass der Mann von Welt das so macht.

Der Rezeptionist war ein wahnsinnig netter Mensch, mit dem ich schon vorher ein paarmal ins Gespräch gekommen bin, der mir ein extra schönes Zimmer gegeben hatte und ausdrücklich nicht mal meinen Hund berechnen wollte. Spitzentyp. Ich gehe also auf ihn zu und starte ein bisschen Smalltalk: „Na Mensch, Sie haben ja scheinbar jeden Tag Dienst hier, oder?“

„Ja“, seufzt er, „ist gerade viel los und wenig Personal.“

„Hut ab, dass Sie trotzdem die ganze Zeit so freundlich bleiben!“

Er lächelt verlegen: „Ach na ja, ist ja mein Job … trotzdem danke.“

Plötzlich hält er inne und lächelt schüchtern: „Na also … Herr Barth, was wird das denn jetzt?“

Ich folge seinem Blick nach unten in Richtung meiner Hand und merke, dass ich ihm schon die ganze Zeit die Postkarte entgegenstrecke. 

Die Lieblingsmensch-Postkarte. 

Mit der Lieblingsmensch-Aufschrift nach oben.

"Herr Barth, was wird das denn jetzt?"

Ich überlege eine Sekunde, die Karte schnell umzudrehen, merke aber, dass er die Aufschrift ja offensichtlich schon gelesen hat. Ich erstarre und schaue weiter in sein Gesicht, in dem sich ein Ausdruck erwartungsfroher Rührung breit macht. Kurz bin ich versucht, ihm die Karte einfach in die Hand zu drücken und wegzurennen wie ein Teenagermädchen nach einem Justin Bieber-Konzert, dann fällt mir aber ein, dass die Karte ja schon geschrieben und die Enttäuschung deshalb vorprogrammiert ist.

Ich stehe also noch drei Sekunden da, schaue in seine dankbaren Augen und stammle: „Ich  … also …  Ich weiß jetzt wirklich nicht, was ich sagen soll, ohne dass das wahnsinnig peinlich wird.“

Er lächelt ebenfalls etwas unsicher, aber immer noch freudig: „Ja, also, ich find’s jetzt auch überraschend, aber schießen Sie mal los!“

Ich merke, dass ich aus der Nummer nicht mehr rauskomme. Dann drehe ich abrupt die Karte um, sodass er das ausgefüllte Adressfeld sieht und sage: „Würden Sie die für mich zum Briefkasten bringen?“

Tja.

Seitdem weiß ich, dass man nicht nur Lebensmittel, sondern auch Stimmungen schockfrosten kann.

Und dass ein Hund in diesem Hotel 40 Euro die Nacht kostet.

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