gal-dem: “Wir sollten uns trauen, für unsere kreative Arbeit um Geld zu bitten”
Denn diese Arbeit kostet Geld, sagt Gründerin Liv Little im Interview. Ihr Magazin wird von fast 3000 zahlenden Mitgliedern unterstützt.
Liv Little, Gründerin von gal-dem. 📸: Shopé Delano.
Das Magazin gal-dem (Öffnet in neuem Fenster) setzt sich sowohl online als auch in der jährlichen Printausgabe für die Stimmen von Frauen, nicht-binären Menschen und People of Color ein. Doch das Wirken für mehr Integration und Gleichberechtigung geht längst über die Inhalte des Magazins hinaus.
In nur fünf Jahren hat sich gal-dem zu einem vollwertigen Unternehmen entwickelt. Gründerin Liv Little nimmt zusammen mit ihrem Team Finanzierungsrunden in Angriff und arbeitet mit hochkarätigen Partnerfirmen wie dem Guardian und dem Victoria and Albert Museum zusammen.
Inzwischen ist gal-dem durch Leser:innen finanziert. Bei Steady (Öffnet in neuem Fenster) bieten sie Mitgliedschaften an — der nächste Schritt in einem Projekt, das sich voll und ganz der Community verschrieben hat. Vanessa Ellingham hat mit Liv Little über die Ziele von gal-dem gesprochen — und darüber, warum sie nicht davor zurückschreckt, das Magazin als ein Business zu betrachten.
Diese Interview wurde ins Deutsche übersetzt. Hier geht’s zum Original auf Englisch (Öffnet in neuem Fenster).
Steady: Mit gal-dem setzt du dich aktiv für Repräsentation und Gleichberechtigung ein. Was bedeutet es für dich, dass dein Magazin durch die Leser:innen finanziert wird?
Liv Little: Das ist schon gewaltig! Wir streben auf lange Sicht an, den größten Teil unserer Kosten mithilfe des Einkommens durch unsere Leser:innen zu decken. Wir sind ein Unternehmen, das für die Community gegründet wurde. Wir geben vielen verschiedenen Stimmen aus unserer Community eine Plattform. Wir unterstützen diese Menschen, arbeiten mit ihnen zusammen und lernen von ihnen. Dann auch noch von dieser Community finanziert zu werden — was könnte es Schöneres geben? Genau darum geht es ja gerade.
Wir glauben, dass wir viel gute Arbeit geleistet haben, die den Menschen gefällt, sodass sie das Gefühl haben, dass es einen guten Grund gibt, uns zu unterstützen. Auch die Gegenleistungen, die wir anbieten, sind ein Grund, um eine Mitgliedschaft abzuschließen. Wir haben eine wirklich starke Verbindung zu unserer Community. Wir gucken nicht von außen auf unsere Community, wir sind mittendrin. Das ist ein wichtiger Grund, warum unsere Fans und Leser:innen uns unterstützen (Öffnet in neuem Fenster).
Warum ist es wichtig, dass gal-dem ein Unternehmen ist und nicht zum Beispiel ein gemeinnütziger Verein, ein Nebenprojekt oder etwas anderes?
Ich habe gal-dem als Nebenprojekt gestartet, während ich noch viele andere berufliche Verpflichtungen hatte. Das wurde irgendwann zu viel: Ich hatte einen Vollzeitjob — und mit gal-dem einen zweiten obendrauf. Das konnte nicht lange gut gehen, und sei es nur wegen meiner psychischen Gesundheit.
Um etwas für die Zukunft aufzubauen, ist es wirklich wichtig, eine stabile Infrastruktur aufzubauen. Nur so kannst du wirklich konkurrenzfähig sein, dich von anderen abheben und etwas hinterlassen, das weiterleben wird.
Ich bin froh über die Anfänge von gal-dem, wie alles organisch gewachsen ist. Irgendwann ist aber ein Punkt erreicht, an dem ohne Ressourcen nichts mehr geht. Das ist einfach die Realität, in der wir leben. Du brauchst Geld, um Menschen zu bezahlen und du brauchst Geld und Zeit, um dich weiterzuentwickeln und zu wachsen.
Wie groß ist dein Team und wie hat es sich im Laufe der Zeit verändert?
Wir sind neun Leute und, meine Güte, bald werden wir elf sein. Wir haben ein Redaktionsteam und ein Team, das sich darum kümmert, dass das Unternehmen und unsere Arbeit sich finanziell trägt. Anfangs hat das alles ganz anders ausgesehen. Es waren viel mehr Leute dabei, die redaktionell tätig waren und ihre Zeit investierten, und es war weit weniger formalisiert, als es jetzt ist.
Die Launch-Party von gal-dem im Jahr 2015.
Eine solche Struktur aufzubauen und zu managen, stelle ich mir nicht ganz einfach vor. Hast du damit schon Erfahrungen gehabt, die du in das Projekt einbringen konntest?
Nein. Wir haben definitiv im Laufe der Zeit sehr viel gelernt. Ich habe das Glück, dass ich eine Mutter hatte, die den letzten Teil ihrer Karriere damit verbracht hat, jungen Menschen aus Randgruppen bei der Unternehmensgründung zu helfen. Von ihr habe ich viel Unterstützung bekommen. Ich glaube, dass man durchs Machen sehr viel lernen kann. Dabei Mentor:innen an der Seite zu haben, ist wirklich wichtig.
Ich bin so eine Person, die sich für jeden Kurs einschreibt und mit so vielen Leuten wie möglich spricht, die Ähnliches durchgemacht oder eine Plattform ins Leben gerufen haben. Ich kenne viele Leute, die ich jederzeit anrufen kann, und die auch Plattformen oder Verlage gegründet haben. Das sind für mich nicht nur Mentor:innen, die schon viel länger in der Branche tätig sind als ich, sondern auch Kolleg:innen.
Gay Times zum Beispiel, die ja auch auf Steady sind: Deren CEO Tag Warner ist ein guter Freund von mir. Es ist wirklich wichtig, dieses Netzwerk und diese Unterstützung zu haben, denn ein Unternehmen zu führen ist hart. Manchmal fühlt es sich so an, als ob man das nicht zugeben dürfe, aber es ist so: Es ist schwierig, man steht unter Druck, man hat große finanzielle Verantwortung und Verantwortung für andere Menschen.
Nichts passiert in Isolation. Du bist ein Produkt deiner Umgebung, der Unterstützung, die du erhältst, deines Teams, deiner Familie, deiner Freunde — also der Netzwerke, die du um dich herum hast. Ich hatte vor gal-dem noch nie eine Spendensammelaktion oder eine Investitionsrunde durchgeführt. Das können beängstigende Dinge sein und die Chancen stehen gegen dich, vor allem wenn du eine queere schwarze Frau bist, die ein Unternehmen führt. Es ist möglich, es ist nur wirklich schwer.
Was sagen eure Leser:innen zu gal-dems Mitgliedschaftsprogramm? Und wie finden sie die Gegenleistungen, die ihr anbietet?
Sie lieben unseren wöchentlichen Newsletter — und es gibt immer wieder Leute, die darüber twittern oder es uns auf andere Weise mitteilen. Ich habe ein paar Freund:innen, die mir schreiben, sobald ein neuer Newsletter erscheint, und sagen, “Mensch, damit habt ihr wirklich ins Schwarze getroffen.”
https://www.youtube.com/watch?v=EdwBeRBry3o&feature=youtu.be (Öffnet in neuem Fenster)Wir haben auch noch einen zweiwöchentlich erscheinenden Wellness-Newsletter, der unseren Mitgliedern vorbehalten ist. Dafür bekommen wir auch immer wieder tolles Feedback, gerade jetzt, wo es total wichtig ist, auf psychische Gesundheit zu achten, da sie besonders strapaziert wird und so viel verarbeitet werden muss.
Wir hatten auch ein paar wirklich tolle Events für unsere Mitglieder, zum Beispiel den Schreib-Workshop mit der preisgekrönten Autorin Bernardine Evaristo. Außerdem haben wir Broadcasts auf WhatsApp, wo wir Tipps und Ratschläge teilen. Das ist bei unseren Leser:innen auch total gut angekommen.
Klingt, als würde es gut laufen. Hast du denn noch irgendwelche Tipps für Publisher, die sich gerade überlegen, ein Mitgliedschaftsprogramm zu starten?
Ich kann dir nur Mut machen: Wenn du zum Beispiel eine starke Mission hast, wirst du keine Probleme haben. Es ist wichtig, einen starken Standpunkt zu haben, für den du ungefiltert stehst. Wenn du außerdem eine Community hast, die zusammenhält, ein Netzwerk an Menschen, das zu deinen Events kommt, sich mit deinen Inhalten beschäftigen oder sich online mit dir austauschen, dann wird es sich lohnen, Mitgliedschaften anzubieten.
Wenn du dir bewusst bist, dass es in deiner Community Menschen gibt, die sich eine Mitgliedschaft vielleicht nicht leisten können, gibt es gute Wege, diese Menschen zu unterstützen. Vielleicht kannst du ja ein paar Mitgliedschaften sozusagen subventionieren. Oder du bietest Leuten die Möglichkeit, eine Mitgliedschaft für andere zu bezahlen.
Aber wir sollten uns trauen, für unsere kreative Arbeit um Geld zu bitten, denn diese Arbeit kostet Geld.
Auf Steady kann jede:r Mitglied bei gal-dem werden: