Monkey Monday #18
Eine Chance für Europa

Gestern fanden zwei wichtige Wahlen in EU-Mitgliedsländern statt. Beide endeten mit proeuropäischen Ergebnissen, wenn auch im Fall der polnischen Präsidentschaftswahl nur so knapp, dass eine Stichwahl erforderlich wird. In Rumänien dagegen konnte sich in ebendieser Stichwahl der europafreundliche Kandidat, der Bukarester Bürgermeister Nicusor Dan, gegen den rechtspopulistischen George Simion durchsetzen, der noch im ersten Wahlgang mit großem Abstand die relative Mehrheit errungen hatte (41% gegenüber 21% für Dan). Mit diesem Wahlausgang wurde verhindert, dass nach Ungarn und der Slowakei ein weiteres EU-Land in die europafeindliche, rechtsextreme Richtung abdriftet. Und Rumänien ist größer als viele denken. Das Land hat rund 19 Millionen Einwohner, sein BIP-Anteil an der EU ist mit 1,9% so groß wie Ungarn (1,2%) und die Slowakei (0,7%) zusammen. Das proeuropäische Wahlwochenende wurde komplettiert durch die Wahl in Portugal, nach der Ministerpräsident Montenegro vermutlich im Amt wird bleiben können und die rechtspopulistische Chega es nicht schaffte, stärkste Partei zu werden.
Ereignisse wie diese sind in ihrer Bedeutung für Europa kaum zu überschätzen. Denn der Kontinent steht im Jahr 2025 vor einer Vielzahl komplexer Herausforderungen auf ökonomischer, geopolitischer und militärischer Ebene. In wirtschaftlicher Hinsicht tritt Europa seit der Covid-Pandemie auf der Stelle, vor allem in den größten Volkswirtschaften Deutschland und Frankreich bleibt das BIP-Wachstum unter dem Potenzial. Bei den Innovationen fällt Europa weiter hinter die USA und Asien zurück, was mit bekannten Ursachen wie einer Überregulierung auch durch die EU selbst, unzureichenden Anreizen für Forschung und Entwicklung sowie einem inzwischen erheblichen Rückstand bei der Digitalisierung zu tun hat. Dazu kommt die Energieabhängigkeit des alten Kontinents. Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten wird in Europa rund das Doppelte (relativ zum BIP) für Energie ausgegeben. Und die in Europa weit verbreiteten, auf Export fokussierten Geschäftsmodelle geraten in Zeiten der Deglobalisierung und drohender Handelskriege zunehmend unter Beschuss. Dazu trägt insbesondere die unsichere Positionierung global unverzichtbarer Volkswirtschaften wie der USA und China bei. Es ist wohl kaum eine Übertreibung zu konstatieren, dass es für die europäische Wirtschaft schon mal einfachere Zeiten gegeben hat.
Wohl noch vertrackter ist das Sammelsurium an geostrategischen Problemen. Der russische Überfall auf die Ukraine stellt Europa vor enorme Herausforderungen, denn gerade nach der - in dieser klaren Form überraschenden - Parteinahme von Trumps Amerika für den Aggressor und gegen die Opfer wird Europa lange brauchen, die Ukraine aus eigener Kraft ausreichend zu unterstützen. Die Abhängigkeit von amerikanischer Ausrüstung, Aufklärung und atomarem Schutz wird noch für mindestens eine Dekade hoch bleiben. Russland führt derweil zunehmend offen einen hybriden Krieg auch gegen Westeuropa. Wahlen werden beeinflusst, extremistische Parteien unterstützt und die Spaltung der Demokratien ganz offen angestrebt. Cyberattacken und Sabotage sind an der Tagesordnung. Im Mittleren Osten scheint der Einfluss Europas derzeit vernachlässigbar, zumal sich auch der neue deutsche Außenminister nicht zu mehr als mahnenden Worten gegenüber dem Netanjahu-Regime durchringen konnte und dessen menschenverachtende Aggression gegenüber der Zivilbevölkerung in Gaza ungebremst weiterläuft. Währenddessen verschlechtern sich auch die Möglichkeiten, im Handel mit Fernost europäische Interessen stärker in den Vordergrund zu rücken - von humanitären Fragen einmal ganz abgesehen.
Europa befindet sich also in einer Phase strategischer Unsicherheit: ökonomisch unter Druck, geopolitisch zwischen Großmächten zerrieben und militärisch unzureichend vorbereitet. Dennoch könnte gerade diese gefährliche Gemengelage genau den Druck erzeugen, unter dem sich Europa zusammenrauft, erneuert und damit für Investoren wieder ein attraktiverer Standort wird. Was dazu beitragen könnte, darum soll es in diesem Monkey Monday-Artikel gehen. Vorher aber der Blick auf die Makrodaten der Woche.
Wie meist zu Beginn des letzten Monatsdrittels richtet sich auch in dieser Woche die Aufmerksamkeit von Marktteilnehmern auf die Konjunkturlage. Am Donnerstag werden die Einkaufsmanagerindizes für Europa und die USA veröffentlicht, in Deutschland zudem unterstützt durch den Ifo-Geschäftsklimaindex. Zurzeit rangierten die Einkaufsmanagerindizes auf Niveaus um 50, was auf schwache Dynamik hinweist. In Europa erwartet der Marktkonsensus eine leichte Verbesserung, in den USA wäre alles andere als eine weitere Eintrübung eine Überraschung. Am Freitag werden die deutschen BIP-Daten für das erste Quartal in ihrer detaillierten Fassung vorgelegt. Für die Märkte ist dies weniger relevant, weil es sich um einen Blick in den Rückspiegel handelt. Dennoch dürften die Zahlen instruktiv und eine Mahnung sein, denn sie erinnern daran, dass die deutsche Volkswirtschaft im dritten Jahr in Folge schrumpft und sich daran bisher nichts geändert hat. Saison- und arbeitstagbereinigt dürfte das reale deutsche BIP in Q1 um 0,4% gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen sein.
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