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Die Wahlanalyse Teil 3: Die AfD - oder: Der Sieg der rechten Filterblase

Die rechtsextreme AfD hat im ganzen Land in allen Schichten stark dazugewonnen, weil sie die öffentliche Debatte bestimmt und damit auch die Themen des Wahlkampfs - vor allem das ihr nützliche Thema Migration

Die AfD dominiert die Filterblasen der Republik, Social Sharing - CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de>, via Seobility

Die immer extremere Rhetorik der AfD schadete der Partei überhaupt nicht, ebenso wenig die offene Einmischung der Trumpregierung in den deutschen Wahlkampf für die AfD (Öffnet in neuem Fenster) noch die russischen Verbindungen der Partei (Öffnet in neuem Fenster). Mit 20,8 Prozent der Wahlstimmen konnte die AfD ihre Stimmen im Vergleich zur letzten Wahl regelrecht verdoppeln (Öffnet in neuem Fenster) und stellt damit die wahre Siegerin der Bundestagswahl dar. Damit ziehen zahlreiche rechtsextreme Politiker:innen (Öffnet in neuem Fenster) in den Bundestag ein, die keine innerparteilichen Widerstände gegenüber ihren rechtsextremen Aussagen mehr fürchten müssen. Ebenso erlangen Rechtsextreme damit viel Geld und Einfluss und etablieren weitere rechte Strukturen. Zudem wurde der rechtsextreme Diskurs nun zu einem gewissen Maße normalisiert.

Dabei stört sich die Partei auch nicht daran (Öffnet in neuem Fenster), dass sie aufgrund ihrer extremen Aussagen und Positionen nicht Teil der neuen Bundesregierung sein wird und somit nicht direkt Einfluss auf die Politik nehmen kann. Indirekt ist ihr Einfluss auf die Politik nämlich enorm, da die AfD es in den letzten 3 Jahren geschafft hat, die öffentliche Debatte in ihrem Sinne zu bestimmen, insbesondere alles um das Thema Migration. Damit betreibt sie nicht nur das Agendasetting, sie schafft es damit auch, die Politik der anderen Parteien ganz ohne Regierungsverantwortung weit nach rechts zu verschieben und vor sich herzutreiben, insbesondere die Politik der Unionsparteien unter Merz. Umfragen zeigen dies: In allen Wahlen der letzten 3 Jahre, insbesondere bei Landtagswahlen (Öffnet in neuem Fenster), war Zuwanderung ein dominierendes Thema und nahezu immer im negativen Sinne, was alles eine Folge der AfD ist. Der restriktive und rassistische Kurs der AfD in der Migrationspolitik gilt als dessen Alleinstellungsmerkmal und ist Umfragen zufolge beliebt. (Öffnet in neuem Fenster) Gerade wegen und nicht trotz des offen rassistischen und rechtsextremen Kurses der Partei wird sie also gewählt.

So extrem sind die Zuwächse der Partei, insbesondere in Ostdeutschland, dass hochrangige rechtsextreme Stimmen in der Partei wie Björn Höcke sogar davon sprechen, dass die AfD sich nicht als Juniorpartner der Union anbieten dürfe, sondern anstreben müsse, allein zu regieren. Manche Politiker:innen der rechtsextremen Partei waren sogar über die Verdopplung auf 20,8% unzufrieden, hatten sogar noch mehr erwartet. Angesichts der von Jahr zu Jahr steigenden Wahlergebnisse ist diese Erwartung leider nicht gerade unrealistisch.

Was genau ist nun das Erfolgsgeheimnis der AfD? Was hat ihr im Wahlkampf besonders geholfen? Und welche Gruppen haben die Partei besonders stark gewählt und warum?

Fangen wir mit den Themen der Partei (Öffnet in neuem Fenster) an.

Die AfD wird vor allem mit dem Thema Migration in Verbindung gesetzt und erhält bei etwa der Hälfte der Bevölkerung dafür auch relativ viel Zustimmung, also auch weit über das Kernklientel der AfD hinaus. Dies ist auch der mit Abstand größte Grund, warum die AfD von der eigenen Wählerschaft gewählt wird. Auch die Kompetenzwerte der Partei orientieren sich daran, der Partei wird zugeschrieben, über den Weg der Abschiebung aller Ausländer:innen und anderer radikaler rechter Maßnahmen zahlreiche weitere Probleme in den Griff zu bekommen, darunter die Kriminalitätsentwicklung, die Sicherheit, die Wirtschaft und sogar die soziale Gerechtigkeit.
Migrant:innen sind also der Sündenbock für die AfD-Wähler:innen, die übrigens deutlich mehr als jede andere Gruppe angeben, in schlechter wirtschaftlicher Verfassung zu sein, obwohl diese Selbsteinschätzung mit den Statistiken kaum vereinbar ist. Die AfD wird nämlich von armen und reichen Menschen gleichermaßen gewählt. Es geht also um Abstiegsängste und um Befürchtungen sowie um ein diffuses Unbehagen, das mit der realen Situation jedoch kaum etwas zu tun haben muss. Und diese Ängste werden auf Migrant:innen und Minderheiten projiziert, die als Sündenböcke dienen.

Die Verbindungen der AfD zum Rechtsextremismus wiederum besorgen zwar auch die meisten Deutschen, es schadet der Partei aber kaum. Das kann man darin sehen, dass die AfD faktisch immer weiter nach rechts gerückt ist und Rechtsextreme dort eine starke Basis haben, gleichzeitig jedoch sind die Sorgen der Gesamtbevölkerung vor Rechtsextremismus in derselben Zeit jedoch zurückgegangen, ebenso unter AfD-Wähler:innen. Diese geben im Übrigen an, die AfD sei keine rechte Partei, sondern eine Partei der Mitte. Der rechtsextreme Diskurs der AfD ist also ein Stück weit normalisiert worden.

Ebenso interessant ist, dass die AfD längst keine Protestpartei mehr ist, sondern ein gefestigtes Wählerpotential hat. Die deutliche Mehrheit der Befragten gibt nämlich mittlerweile an, die AfD aus Überzeugung gewählt zu haben.

Ein Wort ist auch über die Person Alice Weidel zu sagen. Weidel mag zwar unter der Bevölkerung links der AfD äußerst unbeliebt zu sein, bei dieser Wahl hat die Kanzlerkandidatin Alice Weidel der Partei jedoch stark genützt. Vor allem unter Frauen konnte Weidel das Ergebnis der AfD ausbauen und erzielte gute Zustimmungswerte, die nicht weit unter der von Merz und Habeck liegen.

Kommen wir nun zu den Hochburgen der AfD.

Regional hat die AfD eindeutige Hochburgen, insbesondere Ostdeutschland. Dort dominiert die Partei trotz des dort offen rechtsextremen Kurses und ist dort mit 35% deutlich die stärkste Kraft, weit vor der nahsten Konkurrentin CDU/CSU, die dort kaum dazugewonnen hat. In fast allen ostdeutschen Wahlkreisen ist sie stärkste Kraft, selbst in manchen Städten wie Leipzig oder Berlin konnte sie Direktmandate erringen. In ländlichen Kreisen erreichte sie sogar häufig über 40% der Stimmen, teils sogar über 50%.

Dieses Muster setzt sich jedoch auch in Westdeutschland fort. Zwar ist die AfD dort noch weit von ostdeutschen Verhältnissen entfernt und erreichte “nur” um die 17%, aber die Zugewinne in Westdeutschland sind ähnlich hoch wie im Osten, vor allem prozentual gesehen. Dort konnte die AfD noch stärker zulegen als die Unionsparteien und wurde in vielen ländlichen Gemeinden und manchen Städten bei Zweitstimmen stärkste Kraft vor der Union, darunter in Gelsenkirchen und Kaiserslautern.

Wer hat die AfD nun gewählt?

Schauen wir zunächst auf die Wählerwanderung (Öffnet in neuem Fenster). Die AfD ist die einzige Partei, die von fast allen anderen Parteien Zugewinne erlebt hat, mit Ausnahme eines sehr kleinen Teils der Stimmen an das neugegründete BSW. Der mit Abstand größte Zuwachs kommt von den bisherigen Nichtwähler:innen, die hohe Wahlbeteiligung kam also vor allem der AfD zugute. Der zweitgrößte Teil kommt von der CDU/CSU mit 1 Million Stimmen, gefolgt von der FDP und der SPD mit hohen 6-stelligen Wanderungen. Das zeigt, dass vor allem die konservativen und ländlichen Wählerschichten an die AfD abgewandert sind und der rechtere Kurs der CDU/CSU, der SPD und der FDP diesen Parteien entweder geschadet hat oder nicht ausreichend war.

Welche Schichten haben die AfD nun gewählt und warum?

Die Umfrageergebnisse der Wahl (Öffnet in neuem Fenster) zeigen, dass die AfD bei ausnahmslos allen Tätigkeitsgruppen, Altersgruppen und Bildungsgruppen und sogar Geschlechtern dazugewonnen hat.

Die Männerpartei AfD wird zwar noch immer stärker bei Männern gewählt, sie konnte bei Frauen relativ gesehen aber deutlich zulegen, dafür dürfte die Kanzlerkandidatin Weidel eine große Rolle gespielt haben.

Ebenso sieht es bei den Altersgruppen aus. Die AfD wird zwar weiterhin vorrangig von Menschen mittleren Alters gewählt, ist aber mittlerweile in fast alle Altersgruppen außer den Rentner:innen vorgestoßen, die die wahre Brandmauer darstellen. Ebenfalls konnte sie bei den jungen Wähler:innen deutlich zulegen und ist dort deutlich stärkste Kraft, nur bei den Wähler:innen unter 25 liegt die LINKE knapp vor der AfD.

Auch bei den Berufsgruppen ist die AfD in ausnahmslos alle Schichten vorgedrungen und verdoppelte die eigenen Stimmen überall gleichmäßig. Diese Gleichförmigkeit ist nur der AfD gelungen, alle anderen Parteien legten eher in bestimmten Berufsgruppen zu oder ab. Gleichzeitig jedoch bedeutet das, dass die AfD nach wie vor vor allem bei Arbeitslosen und bei Arbeiter:innen extrem stark ist, wo sie fast 40% aller Stimmen erreicht hat, in ländlichen Regionen vermutlich mehr als die Hälfte. Das mag auf den ersten Blick absurd erscheinen, da das Wahlprogramm der AfD außerordentlich nachteilig für diese Berufsgruppen und Schichten ausfällt. Da die AfD-Wähler:innen die AfD aber fast ausschließlich wegen anderer Themen wählen und es vor allem darum geht, Sündenböcke für die eigene Situation zu finden, ist dies wohl letztlich doch nicht überraschend.

Was aber auffällt, ist, dass die AfD vor allem bei Menschen mit niedriger Bildung (Öffnet in neuem Fenster) Topwerte erhält und fast dabei gleichauf mit der CDU/CSU ist, die jedoch vor allem bei Rentner:innen mit niedriger Bildung ankommt. Bei Menschen mit hoher Bildung genießt die AfD im Gegensatz zur Union deutlich unterdurchschnittlich Zustimmung, erreicht aber weiterhin 13%.

Der größte gemeinsame Nenner der Wähler:innen der AfD scheint demnach weder die wirtschaftliche Situation noch die Herkunft noch die Schicht zu spielen, sondern die rechte Weltsicht, die bei Menschen mit niedriger Bildung viel besser verfängt als bei Menschen mit höherer Bildung.

Bei der AfD handelt es sich also vor allem um eine Partei der Bildungsfernen, die damit sehr anfällig für Falschinformationen, rassistische Gerüchte und rechtsextreme Filterblasen sind, die durch die zunehmend rechte Berichterstattung in den Medien aber auch noch verstärkt werden. Die besonders große Bedeutung der Filterblasen im Internet kann man auch in den Altersgruppen ablesen. Die Rentner:innen informieren sich überwiegend noch analog über klassische Medien wie Fernsehen, gedruckte Zeitungen und Radio, dort ist die AfD immer noch relativ schwach, auch wenn rechte Einstellungen auch dort stark ausgeprägt sind. Bei den Altersgruppen, die viel im Internet unterwegs sind und sich viel über soziale Medien informieren, in denen Filterblasen besonders stark dominieren, ist die AfD hingegen sehr sehr stark.

Darauf deutet auch die extreme Polarisierung in den restlichen Ergebnissen hin, vor allem bei den jüngsten Altersgruppen.

All das deutet daraufhin, dass die sozialen Medien und deren Neigung zu Filterblasen die Gesellschaft in unterschiedliche Filterblasen und Weltbilder spalten, die kaum noch miteinander interagieren. Das macht Kompromisse immer schwerer und stellt damit eine elementare Gefahr für die Demokratie dar. Im Falle der AfD wird das eigene rechtsextreme Weltbild durch die selbstverstärkende Wirkung von Filterblasen so stark von Kritik isoliert, dass Falschaussagen unwidersprochen bleiben und so Lügen und ein völlig verzerrtes Weltbild zur Grundlage der Entscheidungen wird.

Ebenso haben auch die Medien ihren Beitrag zu diesem Problem beigetragen, weil sie zunehmend auf die rechten Filterblasen eingegangen sind und ihre Berichterstattung daran ausgerichtet haben, durchaus auch, weil es mehr Klicks und Auflagen generiert und der eigenen wirtschaftlichen Logik mehr dient.

Der Erfolg der AfD ist demnach vor allem auch eine Folge von Algorithmen und die Neigung von uns allen, es sich in Filterblasen gemütlich zu machen, die die eigene Meinung vor Kritik isolieren.

Ja, gemeint bist also auch du.

Die Politik sollte den Kampf gegen die großen amerikanischen und chinesischen Social-Media-Unternehmen wagen und überlegen, was man gegen Filterblasen und Polarisierung tun kann.

Aber der Kampf gegen den Rechtsextremismus beginnt letztlich auch bei uns selbst, nämlich indem wir alle mal überlegen, ob wir unsere Social-Media-Feeds nicht ein bisschen diversifizieren oder im realen Leben etwas mehr Kontakt zu Menschen anderer politischer Meinung oder Herkunft haben können. Oder wir könnten vielleicht stärker auf Medien setzen, die Seriösität, Neutralität und Überparteilichkeit zu ihrem Motto machen statt Meinungsmache, auch wenn das in unseren Filterblasen besonders gut ankommt.

Kategorie USA&Europa

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