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Die Magie der Langeweile: Den Stoff in sich denken lassen

Liebe Schreibfreundinnen und -freunde,

meine Sommerpause ist zu Ende, und ich bin zurück am Schreibtisch. Drei Wochen durch die Bretagne: Ich habe mir den rauen Wind an den Küsten des Ärmelkanals und des Atlantiks um die Nase wehen lassen und mich durch mindestens fünfzehn unglaubliche Crêpe-Variationen in Cafés in pittoresken Städtchen geschlemmt. Meine Waage hat gejubelt! Aber was soll's ?

Meer und Salz waren die bestimmenden Themen meines Urlaubs – die Bretonen verfeinern fast alles mit Karamell oder Salz, von Butterkuchen und Saucen bis hin zu Bier – und kombinieren diese Aromen auch gern.

Wenn ihr euch für die Fleur de Sel- Gewinnung interessiert - dann ist meine neue Mikrobenzirkus-Kolumne etwas für euch, da habe ich über einen Besuch in den Salzgärten von Guérande geschrieben. Hier geht es zu meinem kostenlosen Autorinnen-Newsletter (Öffnet in neuem Fenster).

Ich muss zugeben, dass ich unterwegs nicht so fleißig in mein Reisetagebuch geschrieben habe, wie ich es mir vorgenommen hatte. Es blieb bei Fragmenten und Miniaturen, wie so oft auf Reisen: Beobachtungen, spannende Anekdoten, Biologen-Fun-Facts, kleine aufgeschnappte Dialoge, Situationen, die mir Gänsehaut bereiteten oder Tränen in die Augen trieben – über die ich schreibend noch einmal nachdenken muss, um sie in passende Worte zu fassen.

Ich fotografiere gerne, greife aber parallel immer öfter auch zum Stift, um kurze schriftliche Notizen festzuhalten. So kann ich mich später besser an eine bestimmte Stimmung, einen Geruch, Farben, Strukturen oder Menschen erinnern. Wer weiß, wann diese bruchstückhaften Erinnerungen einmal in meinen Texten Verwendung finden. Es ist jedenfalls immer gut, ein Notizbuch dabei zu haben.

Langeweile und Zufall: Helfer für kreative Schreibprozesse

Urlaub und Pausen sind für mich nicht nur wichtig, um mich zu erholen und zeitweise dem Korsett der Termine und der “Steuerung von außen” in einer Pressestelle zu entfliehen, sondern auch, um meinen Geist und mein Gehirn einmal mit ganz anderen Themen zu beschäftigen. Natur, Kultur, Geschichte, Kulinarik - ganz egal - Hauptsache ganz anders!

In unserer hektischen Welt ist Langeweile oft verpönt. Wir haben das Gefühl, ständig produktiv sein zu müssen. Doch Langeweile und das „einfach mal seinen Gedanken nachhängen“ sind unglaublich kraftvolle Werkzeuge für Kreativität.

„Unser Gehirn braucht Langeweile“

…sagt die Psychologin Jennifer Haase, deren spannenden Audiopodcast ich beim NDR entdeckt habe. Sie hat mit zahlreichen wissenschaftlichen Partnerinnen und Partnern eine Metastudie zur Kreativität durchgeführt.

Wenn unser Gehirn sich langweilt, beginnt es zu wandern. Es sucht nach Stimulation und findet sie oft in den tiefsten Ecken unserer Vorstellungskraft. Diese freien Momente ermöglichen es uns, neue Ideen zu generieren, Verbindungen zu knüpfen und Geschichten zu entwickeln, die wir in der Hektik des Alltags niemals entdeckt hätten.

Das erinnert an den Apfel, der einst neben Isaac Newton vom Baum fiel, oder an die zufällige Entdeckung des Penicillins durch den Bakteriologen Alexander Fleming.

So einfach ist es jedoch nicht – auch in der Wissenschaft. Es braucht mehr als nur Zufall: Wissen, Handwerk, Fleiß, Intuition und vor allem Neugier auf Menschen.

Können wir unsere Kreativität als Autor:innen befeuern?

Es gibt viele Möglichkeiten, unsere Kreativität anzukurbeln, wie Jennifer Haase betont, da Kreativität ein komplexes Phänomen ist.

Der Konsum von Alkohol und Drogen gehört jedoch glücklicherweise nicht dazu. „Interessanterweise glauben Menschen, die Drogen konsumiert haben, dass sie kreativer seien, auch wenn das tatsächlich nicht der Fall ist“, so Paul Hanel vom Institut für Psychologie der Universität Essex in Großbritannien, der als Mitautor die Studie mitverfasst hat.

Kreativität lässt sich vielmehr durch Emotionen, situative Stimmungen und vor allem durch Kompetenz, Wissen und Fähigkeiten aus ihrer Höhle locken.

Die wichtigste Voraussetzung für Kreativität ist – wie auch die Studie immer wieder bestätigt – dass wir den Bereich gut kennen müssen, in dem wir kreativ sein wollen. „Wir brauchen zunächst Wissen und Fähigkeiten, um in einem bestimmten Bereich überhaupt etwas Sinnvolles schaffen zu können“, erklärt Jennifer Haase.

Sie führt weiter aus: „Wenn ich künstlerisch tätig sein möchte, wenn ich etwas aufs Papier bringen möchte, dann benötige ich das entsprechende Handwerk. Ich muss verstehen: Was wurde schon gemacht? Welche verschiedenen Stile gibt es? Wie kann man diese geschickt kombinieren, um etwas Neues und damit etwas Kreatives zu schaffen?“

Für uns Sachbuchautor:innen bedeutet das, dass wir unser Schreibhandwerk beherrschen und in unserem Thema tief genug recherchiert haben müssen, um damit zu spielen. Ich selbst erstelle bei meinen Buchprojekten vor dem Schreiben immer eine konzentrierte Faktensammlung zu einzelnen Kapiteln – aus Studien, Büchern und Podcasts, die mich inspirieren. Danach kann ich die erste Rohfassung viel schneller niederschreiben, weil ich alles im Kopf “verdaut” und abrufbar habe.

Die Psychologin Haase empfiehlt darüber hinaus verschiedene Möglichkeiten, um unsere Kreativität weiter zu entfachen. „Was erstaunlich effektiv ist, sind Auseinandersetzungen mit Themen, die unseren Horizont erweitern und unser Denken herausfordern. Das erreichen wir beispielsweise durch kulturelle Exposition: Wenn wir ins Ausland gehen, andere Lebensrealitäten kennenlernen und feststellen, dass es auch auf anderen Wegen geht, erweitert das unser Denken und macht uns kreativer. Aber auch ein Museumsbesuch, bei dem uns andere Lebenswelten vorgestellt werden, oder Filme, die eine andere Welt zeigen als die, in der wir leben, können uns inspirieren. All das erweitert unseren Horizont und hilft uns. Um unsere kognitive Flexibilität zu erhöhen, sind Methoden wie Meditation, Sport oder Spaziergänge ebenfalls sehr wirkungsvoll. Einfach in Bewegung zu kommen, hilft uns ungemein, flexibler zu denken.“

Reisen und Mikroabenteuer zur Inspiration

Längere Urlaube, aber auch der kleine Ausflüge vor der Haustür – wie der Besuch einer Vernissage oder einer thematisch fremden Vorlesung, die uns auf den ersten Blick gar nicht anspricht – können uns inspirieren. Es geht darum, aus der Komfortzone herauszutreten und zu sehen, welche spannenden Verknüpfungen unser Gehirn zu unserem Schreibthema findet.

Natürlich hat jeder und jede eine eigene Schreibpraxis. Bei diesen heißen Temperaturen, bei denen einem das Gehirn fast wegschmilzt, ist es nicht immer einfach, dran zu bleiben. Die Terrasse oder der Badesee locken zu sehr.

Für mich funktioniert es am besten, wenn ich trotz meines Hauptjobs jeden Tag an meinem Sachbuch arbeite – auch wenn es nur 30 Minuten morgens sind. Wichtig ist, den Faden nicht zu verlieren durch zu lange Unterbrechungen.

Das Gute daran? Auch wenn ich gerade nicht auf Papier oder am Laptop schreibe, arbeitet mein Unterbewusstsein weiter und formt meinen Stoff innerlich aus. Dann wird alles zum Schreiben: Autofahren und Zeitunglesen, ich finde das genau die fehlenden Bücher in Buchhandlungen, oder habe spontan interessante Gespräche mit den richtigen Leuten, die die Knoten in meinem Kopf lösen.

Oft kommen die besten Ideen genau dann, wenn wir sie am wenigsten erwarten – der berühmte geniale Einfall unter der Dusche.
Mir fallen die Lösungen eher ein, wenn ich meditativ mit meiner handlichen Lieblingsgartenschere im Garten schnipple – das danken mir dann auch die Pflanzen mit üppigen Blüten. Mit einer anderen großen Gartenschere klappt das übrigens nicht... bilde ich mir zumindest ein. 😊

Die großen Autor:innen machen es nicht anders: Charles Dickens und Virginia Woolf spazierten stundenlang durch London und die englische Landschaft, Friedrich Nietzsche dachte „im Gehen“ in den Schweizer Alpen, Agatha Christie entwickelte ihre Ideen beim Abwaschen, und Haruki Murakami hat seine Geistesblitze regelmäßig beim Joggen.
Dafür sollte man natürlich offen sein und sich nicht gerade die AirPods in die Ohren stopfen, wenn uns die Ideen zart auf die Schulter tippen – und immer Zettel und Bleistift einstecken.

Dieses Phänomen, das ich meine, wird auch als „Serendipität“ bezeichnet, im Englischen „Serendipity“. Der Begriff beschreibt den glücklichen Zufall, bei dem wir zufällig auf nützliche oder passende Informationen stoßen, während wir uns innerlich mit unserem Thema beschäftigen, ohne aktiv danach zu suchen.

Also entspannt euch! Lockerlassen ist angesagt, damit die Ideen euch finden können. 😊

Für alle, die sich trotzdem bei 30 Grad etwas schwer mit dem Schreiben tun: Hier ein Tipp zur Inspiration. Lest doch einfach etwas über das Schreiben!

Ein ganz aktueller Buchtipp, der euch auf jeden Fall an den Stift oder die Tastatur lockt: „Die Geschichten in uns“ von Benedict Wells (Diogenes), ein sehr ehrliches Buch über seinen steinigen Weg zu den ersten Erfolgen mit einigen Tipps zum Schreibhandwerk.

„There are two of you. One who wants to write, and one who doesn’t. (Dramatikerin María Irene Fornés)

So ein Buch auch kann entstehen, wenn man eigentlich nur ein paar häufige Leserfragen für seine Webseite beantworten wollte. Inspiriert hatte Wells das lesenswerte Original von Stephen King „Das Leben und das Schreiben“. Dieses Buch sollte sich auf jeden Fall in eurem Regal befinden, als Heilmittel, wenn es mal nicht so läuft.

Schreibt mir sehr gern, wie euch die Bücher gefallen haben.


Hier noch die „kreativen“ Quellen für euch zum Weiterlesen:

Was schafft Kreativität? "Unser Gehirn braucht Langeweile" | (Öffnet in neuem Fenster)NDR.de (Öffnet in neuem Fenster) - Kultur (Öffnet in neuem Fenster)

Kreativität: Eine Sache der Einstellung? | (Öffnet in neuem Fenster)NDR.de (Öffnet in neuem Fenster)

Link zur Metastudie: Creativity enhancement methods for adults: A meta-analysis. ( (Öffnet in neuem Fenster)apa.org (Öffnet in neuem Fenster)) (Öffnet in neuem Fenster)

Erklärung: Studie: So lässt sich die Kreativität steigern | (Öffnet in neuem Fenster)tagesschau.de (Öffnet in neuem Fenster)

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Habt einen kreativen August!

Ich freue mich auf auf unser nächstes Community-Treffen am 20. August um 19:30 Uhr per Zoom für alle mit Paid-Abonnement. Ich musste den Termin leider aus beruflichen Gründen um eine Woche nach hinten schieben.

Eure Susanne Thiele

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